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Bloß keine Ermüdungserscheinungen!

Gesundheit von Anlagenkomponenten lässt sich online überwachen
Bloß keine Ermüdungserscheinungen!

Um die Verfügbarkeit chemischer Anlagen zu erhöhen, empfiehlt es sich, die Ermüdung von Komponenten zu überwachen. Dies erfolgt heute meist durch ein Monitoring der Temperaturverläufe des Fluids in den Rohrleitungen. Effektiver und schneller geht es mit einem automatisierten Online-Überwachungssystem, für das Messsensoren an der Rohraußenseite angebracht werden. Basis des Verfahrens ist eine Software von OptiMeas.

Die Autoren: Burkhard Schranz Vertriebsleiter, OptiMeas Steffen Bergholz Section Manager, Areva NP

Chemieanlagen stehen häufig still, weil das Material einzelner Komponenten – Rohre, Ventile, Dichtungen und Lagerungen – im Laufe der Zeit durch thermische Belastungen ermüdet und in der Folge Schädigungen aufgetreten sind. Um dies zu verhindern, setzen viele Unternehmen heute auf ein Structural Health Monitoring, sozusagen eine Überwachung des Gesundheitszustands des Materials. Damit will man kontinuierlich Anhaltspunkte über die Funktionsfähigkeit von Komponenten erhalten, um Schädigungen wie beispielsweise Risse oder Verformungen frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
Um thermischen Belastungen von Rohren und Ventilen auf die Spur zu kommen, werden heute üblicherweise wärmetechnische Belastungsangaben mit Temperaturverläufen für das Fluid und den Wärmeübergangskoeffizienten erstellt. Diese Angaben werden aus ingenieurmäßiger Betrachtung und durch das Auswerten von Messdaten aus Temperaturmessstellen innerhalb der Rohrleitungen gewonnen. Diese Art der Ermittlung von thermohydraulischen Zuständen im Bereich ermüdungsrelevanter Komponenten erweist sich allerdings in der Praxis als sehr zeitaufwendig, weil gleichzeitig der systemtechnische Anlagenzustand analysiert werden muss.
Die Lebensdauer im Blick
Ein wesentlich effektiverer Weg besteht darin, anhand von Temperaturmessungen mittels dezentral an den Außenwänden angebrachter Sensoren online Ermüdungsgrade angrenzender Komponenten zu ermitteln. Es geht dabei um die Fragen: Welche Betriebsprozesse sind belastend für ermüdungsrelevante Komponenten – und wann kann es zu Schädigungen kommen? Die so gewonnenen Daten sind nicht nur Grundlage für die reale Berechnung der Materialermüdung, sondern dienen auch dem optimierten Anlagenbetrieb. Letztlich lassen sich damit die Auslegungstransienten, die auf Belastungsannahmen beruhen, validieren oder verbessern. Darüber hinaus stellen die gewonnenen Daten die einzige realistische Basis zur Bestimmung der Lebensdauer einzelner Anlagenelemente dar. Erforderlich ist dafür eine schnelle Datenauswertung, für die Hard- und Software-unabhängige Softwarewerkzeuge von OptiMeas sorgen.
Eine solche Komplettlösung in der Messtechnik hat das Unternehmen mit dem Kernkraftwerkshersteller Areva realisiert. Das Ermüdungsüberwachungssystem Famos (Fatigue Monitoring System), das auf der OptiMeas-Software Ocean (Optimized Core Environment for Automation and Networking) basiert, ist derzeit beispielsweise im Kernkraftwerk Borssele des niederländischen Energieversorgers EPZ im Einsatz. Hier misst es an ermüdungsrelevanten Stellen thermische Betriebsbelastungen. Insgesamt wurden mehrere hundert dezentrale Messstellen angebracht. Letztlich leistet das System für den Betreiber einen wesentlichen Beitrag zum Lebensdauer- und Alterungsmanagement des Kernkraftwerks.
Insgesamt stellt das System dem Anlagenbetreiber drei verschiedene Nachweise zur Verfügung. Bei der Schnellauswertung (Simplified Fatigue Estimation) wird der Ermüdungsgrad einer Komponente (Ja/Nein) anhand von gemessenen Temperaturzyklen und analytischen Gleichungen abgeschätzt. Wird eine Ermüdungsrelevanz festgestellt, schließt sich der nächste Schritt an, der automatisierte Ermüdungsnachweis (Fast Fatigue Evaluation). Das Verfahren von Areva nutzt Temperatur-Einheitstransienten, für die einmalig die Spannungsantwort mit einem Finite-Element-Modell berechnet wurde. Für jede real auftretende Transiente werden die Einheitstransienten skaliert. Anschließend bestimmt man die resultierenden Spannungen durch eine Abfrage in der Datenbank der hinterlegten Bauteilspannungsantworten. So können die Beanspruchungen ohne explizite Kenntnis der konvektiven Randbedingungen bestimmt werden. Durch Umsetzung des Verfahrens in eine effiziente Software bleibt der Aufwand nach der Implementierung überschaubar.
Das dritte Verfahren, der detaillierte Ermüdungsnachweis (Detailed Fatigue Calculation), basiert auf wärmetechnischen Belastungsangaben. Aus den realen Belastungen der überwachten Komponenten werden Transienten erstellt. Für den Nachweis kommen im Projekt Finite-Elemente-Analysen mit teilweise elasto-plastischem Materialverhalten zum Einsatz.
Offene Datendrehscheibe
Ein solches Structural Health Monitoring ist auch in Anlagen der chemischen Industrie realisierbar. Die Größe der Anlage spielt dabei keine Rolle, auch mehrere Tausend Messstellen lassen sich in das Echtzeitsystem einbinden. Denn die Software Ocean erlaubt den Aufbau von verteilten Systemstrukturen. Ein Datenerfassungskern fungiert dabei als Datendrehscheibe. Er verfügt über Konnektoren zu anderen Systemen, wie etwa Messsystemen verschiedener Hersteller. Durch die offene Architektur kann OptiMeas Messysteme unterschiedlicher Hersteller in die Komplettlösung einbinden. Die Software deckt damit neben der Datenverarbeitung auch die komplette Messtechnik ab. Konsequenterweise werden dabei auch verschiedene Feldbussysteme wie Profibus, CANOpen, CANbus, EtherCAT oder Profinet unterstützt. Auch eine Anbindung an vorhandene Prozessleitsysteme ist möglich, beispielsweise über den Universellen-Protokoll-Konverter (UPC) oder Netzwerkschnittstellen.
Daneben umfasst die Software zur Lösung von Mess-, Steuer- und regelungstechnischen Aufgaben eine Datenbank sowie die Datenerfassung und -analyse. Um die Kosten für die Anwender im Griff zu haben, führt die Software nicht nur plattformunabhängig bewährte Technologien zusammen, sondern greift auch auf Standards zurück. OptiMeas nutzt dafür das Opensource-Anwendungsframework QT sowie die Programmiersprachen C und C++. Deren Vorteil sind schnelle, schlanke Objekte. Funktionen und Applikationen werden gekapselt. Damit wird der Datenstrom optimiert: Trotz der Vielzahl an Daten, die die Sensoren laufend an die Software übermitteln, handelt es sich um eine schlanke, geschwindigkeitsoptimierte Lösung. Dazu trägt auch bei, dass sich immer nur eine einzige Instanz der Daten, also keine Kopie, im Speicher befindet.
Reports lassen Trends erkennen
Basis des modular aufgebauten Systems sind Sensorik und Messsysteme. Darauf setzt die Steuerungs- und Messtechnik auf. Eine Ebene darüber sind programmierbare Logik, Regelung (PID; Fuzzy, neuronale Netze) und Signalanalyse (Filter, FFT, Klassifizierung) angesiedelt. Darauf aufbauend stellt Ocean Funktionalitäten für Prüfablauf, Überwachung und Datenmanagement zur Verfügung.
Diese Daten werden für das Reporting herangezogen: Die Historie der Messdaten lässt sich damit erkennen. Betreiber können somit dokumentieren, wie sich der aktuelle Zustand von ermüdungsrelevanten Komponenten im Laufe der Zeit entwickelt hat. Auch lassen sich damit Trends über einen längeren Zeitraum beobachten.
Die Einführung eines solch integrierten Systems erfolgt in der Regel nach einem bestimmten Vorgehen. An dessen Beginn steht die Untersuchung des Systems nach ermüdungsrelevanten Stellen der druckführenden Umgebung wie etwa der Rohrleitungen. Systemingenieure spezifizieren dabei die auftretenden Temperaturtransienten und definieren lokal die damit einher gehenden thermohydraulischen Phänomene. Aufgabe von Berechnern ist es während dieser Phase, mithilfe der Eingangsdaten mit geeigneten Spannungs- und Ermüdungsanalysen die geforderten Nachweise der Komponenten zu erbringen.
Alle Daten, was wo wie und warum zu messen ist, werden in einem Handbuch festgehalten, das in der Folge auch während des Anlagenbetriebs als Basisdokument dient. Danach erfolgt die Auslegung des Überwachungssystems – entweder als Standalone-System oder eingebunden in die Prozessleittechnik. Wichtig ist bei bestehenden Anlagen die Überprüfung der Einbauverhältnisse vor Ort.
Schließlich muss hinreichend Einbauraum für die Messstellen vorhanden sein – ebenso wie Platz für die Kabelverlegung von den Messstellen zum Messtechnikschrank. Bei Neubauten ist eine Vor-Ort-Begehung nicht erforderlich. Ein dreidimensionales Simulationsprogramm gibt hier Aufschluss über die Systemeinplanung.
Online-Info: www.cav.de/0511433
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