Startseite » Chemie »

Chemiebaukasten neu gedacht

Mit modularen Konti-Anlagen Innovationszyklen beschleunigen
Chemiebaukasten neu gedacht

Immer mehr neue Produkte in immer kürzeren Zeiträumen: Dieser Trend macht auch vor der chemischen Industrie nicht halt. Neue oder verbesserte Rohstoffe, Zubereitungen und Produkte müssen innerhalb weniger Jahre verfügbar sein. Diese Verkürzung der sogenannten „Time to Market“ erfordert ein Umdenken in der Spezialchemie, wie neue Produkte künftig am besten entwickelt und hergestellt werden sollen.

Bei Evonik Industries kümmern sich Experten aus der Verfahrenstechnik, dem Engineering und der Technik in einem interdisziplinären Kompetenzcenter darum, die Zukunft der Kleinproduktion zu entwickeln und umzusetzen. Mit der richtigen Produktionstechnologie sollen Produkte schneller in den Markt eingeführt werden. Wo die Reise für den Spezialchemiekonzern hingeht, ist klar: Modularisierung bekommt einen immer höheren Stellenwert und geht Hand in Hand mit einer kontinuier- lichen Produktionsweise. Diese Kombination soll Batch- oder Multi-Purpose-Anlagen zunehmend ersetzen. Das bedeutet: Kleinanlagen werden künftig immer öfter auf einem Baukastenprinzip beruhen. Bestimmte mechanische Komponenten und perspektivisch auch Komponenten der Automatisierungstechnik werden dabei standardisiert zur Verfügung gestellt.

Die einzelnen Module erfüllen jeweils bestimmte verfahrenstechnische Funktionen: Sie pumpen zum Beispiel eine Reaktionsmischung, bringen Edukte zur Reaktion, trennen Wertprodukte ab, filtern Abgase oder heizen das Lösemittel auf Temperatur. Die modularen Anlagen im Kleinformat sind besonders für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten geeignet, außerdem für die Produktion von kleineren bis mittleren Produktmengen. In Form von entsprechend ausgerüsteten Rahmenkonstruktionen können modular aufgebaute Anlagen in bestehenden Gebäudestrukturen installiert werden oder auch als Stand-alone-Einheiten, beispielsweise als geschlossene Container, die mit der nötigen Infrastruktur ausgestattet sind, flexibel und ohne Rücksicht auf vorhandene Gebäudestrukturen eingesetzt werden. Die drei Abbildungen zeigen beispielhaft, welche Konzepte sich mit modularisierter Bauweise realisieren lassen.
Flexibel und effizient
Vorteile hat diese Herangehensweise viele. Das beginnt schon beim Bau: Die modularen Anlagen können nicht nur am Einsatzort, sondern auch in einer Werkstatt zusammengesetzt und dann als fertige Einheiten in ihren Rahmenkonstruktionen an den Einsatzort gebracht werden. Das spart Zeit und reduziert den Eingriff in den täglichen Produktions- und Technikumsbetrieb. Gleiches gilt für die Demontage. Darüber hinaus können standardisierte Module schnell und kostengünstig ausgetauscht und auch wiederverwendet werden.
Kleine modulare kontinuierliche Anlagen arbeiten energetisch effizienter als die bisher hauptsächlich für entsprechende Zwecke eingesetzten Batch-Anlagen, sie gewährleisten höhere Prozessstabilität und damit eine bessere Qualität sowie eine höhere Anlagensicherheit, zum Beispiel durch geringeren Hold-up von Stoffmengen. Und während der Nutzungsgrad bei Batch-Anlagen oftmals lediglich rund 30 % beträgt, weisen modulare Konti-Anlagen einen Nutzungsgrad von über 90 % auf.
Standardisierte Module können außerdem schneller konfiguriert werden. Dies steigert die Flexibilität und führt dazu, dass die Zeit zur Produkteinführung um bis zu 30 % verkürzt werden kann – nicht unerheblich, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Für neue oder wachsende Märkte stellen sie eine flexible und schnell einsatzbereite Lösung dar. Kapazitäten lassen sich durch Änderung der Zahl und Größe der Einheiten an Nachfrage und Kundenwünsche anpassen. Auch auf der Kostenseite punkten die modularen Kleinanlagen: Ein niedrigeres Investitionsrisiko bei der Einführung neuer Produkte geht Hand in Hand mit geringeren Produktionskosten pro Tonne Produkt, denn die standardisierte Modulbauweise kann Kosten senken, wenn hohe Stückzahlen hergestellt werden.
„So leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, Produkte schneller vom Labor auf den Markt zu bringen“, erläutert Dr. Wilhelm Otten, Leiter Verfahrenstechnik und Engineering bei Evonik. „Modulare Kleinanlagen sind nicht nur eine optimale Plattform für Forschung und Entwicklung, sondern gestalten auch die chemische Produktion flexibler, ökonomischer und unabhängiger.“
prozesstechnik-online.de/cav0215415

„Der Modularisierung gehört die Zukunft“

Nachgefragt

cav: Inwieweit werden modulare Klein- anlagen bereits von Evonik genutzt?
Grütering: Modulare Kompaktanlagen, in denen Forschung und Entwicklung betrieben wird oder im kleinen Rahmen produziert werden kann, sind bereits im Konzern erprobt und in Verwendung. Am Standort Marl wurden zum Beispiel schon diverse Pilotanlagen modular gebaut und betrieben. Auf Basis der so gewonnenen Erfahrungen bauen wir dort zurzeit ein bestehendes Technikum für die Nutzung von modularen Anlagen um, gleiches soll demnächst am Standort Hanau geplant werden.
cav: Was sind die größten Herausforderungen auf dem Weg zur modularen Bauweise?
Stenger: In der chemischen Industrie ist ganz klar ein Umdenken erforderlich. Die Grundlagen für die Prozessgestaltung werden in der Regel bereits im Labor auf der Basis von Batch-Versuchen festgelegt, die den meisten Kollegen aus der Forschung und Entwicklung vertraut sind. Der modulare Ansatz mit kontinuierlicher Produktionsweise ist noch zu wenig im Bewusstsein verankert – wir konkurrieren damit quasi gegen einhundert Jahre Chemie. Dennoch denke ich, dass wir den Schalter umlegen werden und in zehn oder zwanzig Jahren neue Produkte vielfach in modular aufgebauten, kontinuierlich betriebenen Anlagen herstellen werden. Denn die Vorteile der Modularisierung werden perspektivisch überzeugen.
cav: In welche Richtung werden sich modulare Lösungen Ihrer Meinung nach entwickeln?
Grütering: Der Modularisierung gehört die Zukunft. Sie können einen Vergleich mit der Entwicklung bei der Computertechnik anstellen. Auch wir in der chemischen Industrie gehen von fest verbauten Bestandteilen hin zu einer komfortableren Plug&Play-Lösung. Vernetzung wird dabei immer wichtiger, und das auf verschiedenen Ebenen: Zum einen müssen mehr Fachbereiche Hand in Hand und zum Teil parallel arbeiten. Wir sprechen von „vernetzter Funktionalität“. Unser Ziel ist die Einrichtung eines Kompetenzcenters, in dem Experten der Verfahrenstechnik, der Elektro-, Mess- und Regeltechnik, der Werkstofftechnik und anderer Bereiche auch örtlich zusammenarbeiten, um die Module zu planen und zu montieren bzw. zu demontieren.
Stenger: Darüber hinaus müssen sich auch die hinter den Anlagen liegenden Systeme weiter vernetzen. Ich denke dabei beispielsweise an Leitsysteme, die die angedockten Module und ihren Aufbau eigenständig erkennen und sich auf dieser Basis selbst konfigurieren – das soll unser Beitrag zu Industrie 4.0 sein. Auch die vor- und nachgelagerten Logistikprozesse zum Einspeisen und Entnehmen von Stoffen werden zukünftig auf modularen Prozessen basieren.
Grütering: Insgesamt sollten wir konsequent weitermachen und über die nächst höhere Ebene der Modularisierung nachdenken. Das wäre eine passende Gebäudestruktur, die bereits darauf ausgerichtet ist, modulare Kleinanlagen flexibel aufzunehmen und nur noch die zwingend nötige Infrastruktur bereitstellt. Sie sehen, wir haben zwar wichtige Schritte auf dem Weg zur Modularisierung erreicht, aber wir sind noch lange nicht am Ende der Reise angekommen.
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de