Startseite » Chemie »

Coriolis-Durchflussmesser trotzen Kälte

Extreme Temperaturschwankungen ohne Folgen
Coriolis-Durchflussmesser trotzen Kälte

Beim Abfüllen von reinem Flüssiggas bei PanGas in der Schweiz herrschen Extremtemperaturen von rund -180 °C. Bei diesen Bedingungen sind Messgeräte erforderlich, die robust genug sind, der Kälte zu widerstehen. Der Coriolis-Massedurchflussmesser Promass F trotzt diesen Bedingungen und verhindert fatale Druckschwankungen.

Eiskalte Helfer wie Stickstoff, Sauerstoff oder Argon sorgen als Schutzgas beim Schweißen und Schneiden für Sicherheit, machen Lebensmittel haltbar oder versorgen Patienten mit Atemluft. Ein führender Anbieter dieser technischen Gase in der Schweiz ist PanGas, Tochter der globalen Linde Group. Im 2010 errichteten Werk in Muttenz bei Basel werden die drei erwähnten Hauptbestandteile der Luft in hochreiner Form gewonnen. „Die Anlage ist eigentlich ein riesiger Kühlschrank. Wir saugen die Luft an, komprimieren diese und transportieren Wärme ab, bis die Luft flüssig wird und wir die Gase mittels Destillation trennen können“, erklärt Wolfgang Eichner, Leiter Supply Operations von PanGas. „Vereinfacht gesagt: Wir nehmen Luft, verpacken sie in kleine Einheiten und verkaufen sie weiter.“

Verlust ist unvermeidbar
Der Rohstoff ist zwar kostenlos. Doch die Abkühlung auf -180 °C in der Luftzerlegungsanlage in Muttenz ist ein physikalischer Kraftakt. Die sogenannte Tieftemperaturrektifikation erfolgt in fast 40 m hohen Trennsäulen, wobei bei der Destillation die unterschiedlichen Siedepunkte der drei Gase ausgenutzt werden. Nach der Trennung erfolgt die Lagerung der frostigen Flüssigkeiten in großen Drucklagertanks, von denen aus die Tanklastwagen direkt befüllt werden.
Da sich Flüssiggas nur mit Verlust lagern und transportieren lässt, produziert Linde in einem dichten Vertriebsnetz europaweit möglichst nah beim Kunden. „Man kann das mit kochendem Wasser vergleichen“, erklärt Wolfgang Eichner. „Das Produkt verdampft fortwährend. Pro Tag lösen sich etwa 1,4 % buchstäblich in Luft auf.“
Durchhaltevermögen ist auch an der Füll- station gefragt: Was bei Normaltemperaturen Routine wäre, ist aufgrund der kritischen Kälte des Mediums eine echte Herausforderung. Alle technischen Teile wie Ventile, Gasabscheider, Auslassvorrichtung sind vakuumisoliert. „Besonders schwierig war es, ein Messgerät zu finden, das robust genug ist, dieser Kälte zu widerstehen“, erklärt Beat Bättig, Anlagenoperator von PanGas in Muttenz. Neben der extremen Beanspruchung des Materials – das eisige Medium lässt Kunststoffe innert Stunden spröde werden – muss das Gerät vor allem auch konstante Druckbedingungen garantieren. Dehnen sich die Gasmoleküle nur wenig aus, erwärmt sich das Medium und die Flüssigkeit wird wieder zu Gas. Ein Gemisch aus gasförmigen und flüssigen Teilen ist Gift für eine verlässliche Messung.
Keine Angst vor dem Kälteschock
Das Gerät eines Wettbewerbers habe schon nach wenigen Minuten kapituliert, berichtet Beat Bättig: „Es war nicht imstande, die Dichte des inhomogenen Mediums zu bestimmen.“ So wendete sich PanGas an die Durchflussspezialisten von Endress+Hauser, mit denen man in einem früheren Projekt gute Erfahrungen gemacht hatte. Für diese Spezialanwendung gab es kein Gerät aus der Schublade. In einem mehrstufigen Testverfahren mit PanGas entwickelte Endress+Hauser darum ein Coriolis-Massedurchflussgerät (Promass F) derart weiter, dass es der klirrenden Kälte zu trotzen und die fatalen Druckschwankungen zu verhindern vermag. Ein spezieller Niedertemperaturaufbau brachte die sensible Elektronik auf sichere Distanz zum tiefkalten Medium und im Sensor selbst wurde statt Stickstoff das Edelgas Helium verwendet, das sich auch bei -180 °C nicht verflüssigt.
Durch weitere, teils unkonventionelle Anpassungen schafften es die findigen Ingenieure, die Messbedingungen so zu kontrollieren, dass der Gasvolumenanteil eine kritische Grenze nicht übersteigt. „Hinsichtlich der Verlässlichkeit sind diese Durchflussmessstellen von Endress+Hauser unschlagbar“, sagt Wolfgang Eichner. „Selbst extreme Temperaturschwankungen haben keine Fehlfunktionen zur Folge.“ Auch vier Jahre nach der Inbetriebnahme verrichten die Messstellen von der Kälte unbeeindruckt ihre Dienste.
Alles unter Kontrolle
„Coriolis-Durchflussmessgeräte sind erste Wahl, wenn es darum geht, Flüssigkeiten oder Gase mit höchstmöglicher Genauigkeit zu erfassen“, sagt Oliver Seifert, Gasspezialist von Endress+Hauser. Die Messabweichung betrage maximal ±0,35 %. „Ein unglaublicher Wert, wenn man bedenkt, dass selbst nationale metrologische Institute nur wenig besser kalibrieren können.“ Um diese Präzision nachhaltig sicherzustellen, lässt PanGas die Geräte alle zwei Jahre von Endress+Hauser vor Ort überprüfen und mit rückführbaren Nachweisen dokumentieren.
Das Prozessleitsystem wird aus einer Zentrale in Deutschland ferngesteuert. „Wir verlassen uns ganz auf Automatisierungstechnik“, sagt Wolfgang Eichner. „Vor Ort stellen drei Mitarbeiter die Wartung und Kontrolle sicher.“ Auch bei der Abfüllung wird jeder Schritt registriert. Die leeren Tanklastzüge werden bei der Einfahrt gewogen, sodass der Computer das Ladevolumen berechnen kann. Bei Erreichen des richtigen Wertes wird der Vorgang automatisch beendet. Wenn ein Parameter nicht mehr stimmt, beispielsweise ein Tank zu voll ist, geht das System automatisch in einen sicheren Zustand über. „Wir könnten unsere Computer herunterfahren und die Anlage würde trotzdem sicher weiterlaufen“, erklärt Beat Bättig. Die Messtechnik in der Abfüllanlage hat jedoch noch nie zu einer Abschaltung geführt. „Manchmal machen wir Stichproben, indem wir das beladene Gefährt nochmals wiegen und die Messungen abgleichen“, verrät Beat Bättig. „Doch die Werte waren bisher stets identisch.“
Einmal pro Woche fährt ein Tanklastzug auch ins nahe gelegene Reinach, wo Endress+Hauser die Coriolis-Durchflussmessgeräte in unzähligen kundenspezifischen Varianten produziert. Vor allem reiner Stickstoff, aber auch Argon kommen bei der Produktion stets zum Einsatz, als Schutzgase bei Schweiß- und Lötarbeiten. Die Messgeräte von Endress+Hauser werden also mithilfe derselben Gase produziert, zu deren Messung sie bei PanGas entwickelt wurden.
prozesstechnik-online.de/cav0814459

Das Prinzip Kühlschrank

Hintergrund

Die Luftzerlegung erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren, das vom Chemiker und Unternehmensgründer Carl von Linde vor über 100 Jahren für eine Brauerei entwickelt wurde. Erst wird Luft angesaugt und gefiltert. Unerwünschte Gasbestandteile wie CO2 und Kohlenwasserstoff werden entfernt, da sie den Prozess gefährden können. Danach wird die Luft auf 6 bar verdichtet und die dabei entstehende Wärme durch eine Wasserkühlung abgeführt. Bei der nun folgenden Entspannung der Luft kühlt sie sich aufgrund des Joule-Thomson-Effektes weiter ab.
Diese abgekühlte Luft kühlt in einem Gegenstrom-Wärmeaustauscher nachkommende verdichtete Luft vor, die wiederum die nächste nachkommende Luft vorkühlt. Dieser Kreislauf führt zur fortschreitenden Temperaturerniedrigung bis zum Unterschreiten ihres Siedepunkts – die Luft verflüssigt sich. Zur Trennung per Destillation in einer Rektifikationskolonne nutzt man die unterschiedlichen Siedepunkte der Gase (Stickstoff -196 °C, Argon -188 °C, Sauerstoff -182 °C). Der mehr- stufige Prozess wird in zwei 38 m hohen Trennsäulen realisiert.
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de