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Den Prozess im Griff

Niederdruck-Kompressoren unterstützen Rauchgasentschwefelung
Den Prozess im Griff

Mit drei Niederdruck-Turbokompressoren von Atlas Copco erzeugt RWE im Kraftwerk Ibbenbüren die Oxidationsluft für die Rauchgasentschwefelungsanlage. Deren Energiebedarf ist durch die Installation der Turbos um 18 % gesunken. Der Betreiber profitiert zudem von der sehr hohen Verfügbarkeit der ölfreien Kompressoren, die unter anderem wegen ihres permanentmagnetgelagerten Motors kaum Wartung erfordern.

Der Autor: Thorsten Poggenmöller Systemspezialist Niederdruck, Abteilung Ölfreie Druckluft, Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik

Die Rauchgasentschwefelung ist nach Meinung von Manfred Hollekamp, Spezialist für dieses Verfahren beim Energieversorger RWE Power AG in Werne und Ibbenbüren, eine hochkomplexe Sache. Das Unternehmen verbrennt in Ibbenbüren Anthrazitkohle, die direkt neben dem Kraftwerk gefördert wird. Um die entstehenden Rauchgase in den Zwei-Kreis-Absorbern zu entschwefeln, muss RWE eine exakt definierte Menge an Oxidationsluft hinzugeben. „Sonst verklebt uns der Schwefel in der Anlage und backt überall an“, erklärt Hollekamp. „Zu wenig Luft ist dabei genauso schlecht wie zu viel.“ Denn dann könnte die Reaktion zu früh oder an einer falschen Stelle in der Anlage starten.
Optimal im Griff hat RWE den Prozess mit drei Niederdruck-Turbokompressoren ZB 130 VSD von Atlas Copco, die 2009 im Zuge einer Revision des Kraftwerks installiert wurden. „Damit erzeugen wir nun genau so viel Oxidationsluft, wie wir im jeweiligen Moment benötigen“, sagt Uwe Jäkel, Referent in der Abteilung Anlagenerhalt und Maschinentechnik in Ibbenbüren. Denn die Maschinen seien allesamt drehzahlgeregelt (erkennbar am Kürzel VSD), womit sich ihr Volumenstrom sehr exakt an den Bedarf anpassen lasse. „Dadurch sparen wir im Vergleich zu früher 18,1 % der Energie ein.“
Ausgefeilte Regelung
Zu der Ersparnis trägt auch die ausgefeilte, übergeordnete Regelung der drei Maschinen bei, die vom Energiespar- und Kompressorenleitsystem ES 130 T übernommen wird. Dadurch sind die Kompressoren immer gleichmäßig ausgelastet. „Die Maschinen sollen idealerweise immer am wirtschaftlichsten Punkt arbeiten“, streicht Jäkel heraus. Der aber liege bei drehzahlgeregelten Kompressoren „irgendwo im Teillastbetrieb“. Das könne dazu führen, dass gleichzeitig zwei oder drei Gebläse auch dann angesteuert werden, wenn vom Bedarf her eines ausreichte.
Ausgelegt ist das System aus den drei ZB-Turbos für einen Volumenstrom von 13 680 m3/h, benötigt werden aber nicht mehr als 12 000 m3/h. Der Druckbedarf für die in die Rauchgasentschwefelungsanlage (REA) einzublasende Luft liegt laut RWE im Schnitt bei unter 1 bar. „Das hängt aber sehr vom Prozess ab“, erklärt Hollekamp. „Heute zum Beispiel laufen die Maschinen mit Druckerhöhungen von jeweils knapp 0,6 bar.“ Dabei halten die Atlas-Copco-Kompressoren das Druckband sehr stabil, was ein weiterer Grund für die Effizienz des Systems ist. Der nötige Druck ergibt sich aus dem Gegendruck des Leitungssystems und dem statischen Gegendruck des Flüssigkeitssumpfs in den Absorbern der REA, in die die Luft über Sprühlanzen hineingegeben wird.
Die Entscheidung für die Investition traf RWE 2008, als feststand, dass das Kraftwerk 2009 ertüchtigt werden und auch die Leistung der REA optimiert werden sollte.
Unter anderem wurde das Druckluft-Verteilungssystem zu den Absorbern hin erneuert, vor allem mit größeren Querschnitten versehen und mit besserer Messtechnik ausgestattet. Zudem wollte der Betreiber die Möglichkeit schaffen, mehr Luft zu erzeugen als mit dem alten System. Hinzu kam, dass die alten Kompressoren schon seit 1985 liefen, als das Kraftwerk ans Netz ging; ferner hatte ein Kompressor einen nicht mehr wirtschaftlich zu reparierenden Schaden.
„Grundsätzlich störte uns an den Maschinen aber schon länger ihr zu hoher Energiebedarf“, erklärt Uwe Jäkel. „Sie liefen nur unter Volllast oder im Leerlauf, ließen sich also überhaupt nicht regeln.“
Zukunftsfähiges Niederdrucksystem
Folglich hatten Hollekamp und Jäkel nach einem energieeffizienten und zukunftsfähigen Niederdrucksystem gesucht, um die Oxidationsluft für ihre REA bereitstellen zu können. „Bei uns entstehen gut 2,8 Millionen Kubikmeter Rauchgase pro Stunde“, schildert Jäkel. „Die müssen vor allem von Staub und schwefelsauren Bestandteilen gesäubert werden.“ Über 99 % des Staubs scheidet ein Elektrofilter ab, der so groß ist wie eine Turnhalle. Die sauren Anteile holt RWE über drei Absorber aus dem Gas heraus – unter Mithilfe der ZB-Kompressoren. Die Absorber arbeiten im Gegenstromverfahren und werden daher auch „Gegenstromwäscher“ genannt: Unten befindet sich der „Sumpf“ aus Kalkmilch, die als Absorbens umgewälzt und über Sprüher von oben auf das schwefeldioxidhaltige Rauchgas gesprüht wird. Dieses wiederum gelangt von unten in den Wäscher hinein. Auf dem Weg nach oben verbindet sich die schwefelige Säure des Gases mit den basischen Anteilen des Kalksteins zu einem Gips-Vorprodukt. Dieses Erzeugnis wird in der Bauindustrie als Wertstoff eingesetzt; die Abnehmer stellen daraus etwa Gipskartonplatten her oder setzen es Zement zu.
Die Entscheidung für die Niederdruckkompressoren von Atlas Copco hatte – nach einem Marktvergleich – mehrere Gründe. „Überzeugt hat uns neben den sehr guten Regelungsmöglichkeiten auch der modulare Aufbau“, führt Uwe Jäkel an. „Außerdem ist der spezifische Energiebedarf geringer als bei den anderen Kompressoren, die wir uns angeschaut haben.“ Diese Aussage hat Jäkel nicht dem Katalog entnommen, wie man meinen könnte, sondern von einem Mathematiker im eigenen Hause ausrechnen lassen: „Der kam zu dem Schluss, dass die Maschinen von den Komponenten und ihrem Aufbau her weniger Energie benötigen müssten als andere, die wir uns angesehen hatten.“ Das Ergebnis – minus 18 % beim Stromverbrauch in der REA – bestätigt inzwischen die RWE-Erwartungen. Und noch etwas: „Bei der Leistung liegen die ZB-Turbos sogar noch 8 bis 9 % über dem, was Atlas Copco uns versprochen hat“, freut sich Uwe Jäkel.
Durch den deutlich gesunkenen Energiebedarf der Kompressoren steigt letztlich der Gesamtwirkungsgrad und damit die Effizienz der Anlage. „Das ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gut für den Klimaschutz“, sagt Manfred Hollekamp. „Denn letzten Endes verbrennt das Kraftwerk damit weniger Kohle pro erzeugter Kilowattstunde.“ Die Regelbarkeit der Kompressoren sei ein typischer Baustein der zahlreichen RWE-Investitionen in bestehende Anlagentechnik: Regelbarkeit bedeute Flexibilität, und alles, was die Flexibilität steigere, verbessere die Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerks auf dem heutigen Strommarkt.
Anthrazitkohle erfordert viel Zusatzluft
Auch die Kohleart, die in Ibbenbüren gefördert und verbrannt wird, hatte ihren Anteil an der Entscheidung, betont Uwe Jäkel. Denn Anthrazitkohle sei anders zusammengesetzt als etwa Importkohle. „Wenn wir hier andere Kohle verbrennen würden, wäre vielleicht gar keine Oxidationsluft nötig – oder man müsste die Menge nicht ganz so exakt steuern“, erklärt er. Dann hätten eventuell auch einfachere Gebläse genügt. Die hiesige Kohle sei aber sehr schwer verbrennbar, sodass das Verfahren exakt dosierte Zusatzluft erfordere. Um den Prozess optimal einstellen zu können, wird ständig die elektrische Leitfähigkeit gemessen und so die Oxidation in den Wäschern überwacht.
Die Neigung des Schwefel-Kalk-Gemischs zum Anbacken in der REA erfordere es, die Prozesse zu optimieren und dadurch die Revisionsintervalle möglichst zu verlängern, sagt Manfred Hollekamp. „Früher standen die Anlagen in kürzeren Abständen öfters für mehrere Wochen still“, blickt er zurück. „Das ist verfahrenstechnisch unsinnig und auch nicht wirtschaftlich.“ Heute setze man eine Revision nur noch alle drei bis vier Jahre an. Dass dazwischen zu jedem Zeitpunkt alle gesetzlichen Auflagen bezüglich der Emissionsgrenzwerte eingehalten werden, verstehe sich von selbst. „Heute werden alle Werte rund um die Uhr von den Behörden online überwacht“, betont Hollekamp. Außerdem müssen die Umweltdaten zehn Jahre vorgehalten werden. Schon das zeigt, wie sinnvoll es ist, den Luftbedarf genau zu steuern.
Geringe Wartungsanfälligkeit
„Bei diesen langen Revisionszyklen möchten wir natürlich, dass alle Maschinen in der Zwischenzeit ohne Probleme laufen“, verweist Hollekamp auf die geringe Wartungsanfälligkeit der Atlas-Copco-Kompressoren. Er führt die Permanentmagnetlagerung des Antriebs mit seinem berührungsfreien Lauf ebenso an wie die Ölfreiheit: „Auch wenn sich der Ölgehalt anderweitig aus dem Kreislauf herausholen ließe, ist es mir doch viel lieber, ich kann komplett auf den Ölkreislauf verzichten und habe weniger Komponenten, die gewartet oder regelmäßig ausgetauscht werden müssen.“ Zudem fahre man am Standort mit rund 8000 Betriebsstunden im Jahr, also fast rund um die Uhr. „Bei solchen Belastungen muss jede Maschine mal gewartet werden“, sagt Hollekamp, „und jeder Antrieb oder jede Komponente, die ein mechanisches Lager hat, bedeutet rein technisch schon Reparaturanfälligkeit.“ Insofern habe ihn nicht nur die Bauweise der ZB-Turbos überzeugt, sondern auch die lange Gewährleistung, die Atlas Copco dem Unternehmen eingeräumt habe. „Was wir uns vorgestellt haben, wurde zu 100 % eingehalten“, betont Uwe Jäkel zufrieden. Um sich gleich noch mal zu korrigieren: „Naja, eigentlich zu 108 %, aber das darf unser Mathematiker nicht hören.“
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