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Der Stoff, aus dem die Stoffe sind

Ein Atom – vier Quellen – Tausende Verbindungen
Der Stoff, aus dem die Stoffe sind

Der Stoff, aus dem die Stoffe sind
Bereits heute werden viele Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Quelle: Nova-Institut
Das Element Kohlenstoff und seine zahllosen Verbindungen stehen am Anfang – sowohl der belebten Natur als auch der chemischen Industrie. Alle fossilen Rohstoffe, also Kohle, Erdgas und Erdöl, sind in Millionen von Jahren in mehreren erdgeschichtlichen Schritten entstanden. Zunächst wurde dabei das Kohlendioxid der Atmosphäre in Pflanzen und tierischen Organismen (also in Biomasse) gespeichert. Das geschah mithilfe der Sonne über die Photosynthese der Pflanzen, die dann wiederum den Tieren als Nahrungsgrundlage dienten. Aus Ablagerungen von toten Pflanzen und Organismen bildeten sich anschließend Sedimentschichten, die durch hohen Druck und hohe Temperaturen zu gasförmigen, flüssigen oder festen Kohlenstoffketten wurden. Es entstand, was wir heute als Erdgas, Erdöl und Kohle kennen.

Damit geht auch heute praktisch jedes chemisch genutzte Kohlenstoffatom noch immer auf das atmosphärische Kohlendioxid aus den Anfängen der Erdgeschichte zurück. Der Chemie steht zusätzlich zu den drei fossilen Kohlenstoffquellen auch Biomasse aus nachwachsenden Rohstoffen als Kohlenstoffquelle zur Verfügung. Zusätzlich forschen die Unternehmen an Möglichkeiten, das klimawirksame Kohlendioxid in größerem Umfang als Rohstoff einzusetzen. Das hätte den Nutzen, dass dieses Klimagas fest in Produkte eingebaut und so der Atmosphäre entzogen wird. Im großen Maßstab ist das aber noch Zukunftsmusik: Im Vergleich zu den „großen Vieren“ wird CO2 mittelfristig ein Nischenrohstoff bleiben. Die Nutzung ist heute auf wenige Chemikalien wie Harnstoff, Methanol oder Carbonate beschränkt.
Das Gleiche gilt für einen weiteren möglichen Rohstoff: den Wasserstoff. Ihn benötigt man, um aus fossilem Kohlenstoff oder auch CO2 z. B. Methanol zu gewinnen, was wiederum ein möglicher Ausgangspunkt für viele Folgeprodukte ist. Die Chemieforscher träumen davon, die Energie für diesen Prozess mit Wind- oder Solarstrom herzustellen – mithilfe der sogenannten Wasserelektrolyse. Noch lässt sich dieser Prozess aber nicht wirtschaftlich umsetzen, und selbst wenn sich dies in Zukunft ändert, ist sein Potenzial bezogen auf die Menge verhältnismäßig gering.
Erdöl intelligent nutzen statt verbrennen
Die moderne chemische Industrie ist für ihre Basis-Chemikalien mittelfristig insbesondere auf die Stoffströme der Erdöl verarbeitenden Industrie angewiesen. Dies mögen manche kritisch betrachten, fest steht aber: Die Chemie verwendet Erdöl, weil die Prozesse hier auf äußerste Effizienz optimiert sind. Viele Produkte lassen sich auf Basis von Erdöl leichter und kostengünstiger herstellen als mithilfe von anderen Kohlenstoffquellen. Die Chemie verbrennt Erdöl auch nicht einfach in Form von Benzin oder Heizöl, sondern nutzt es intelligent – für Produkte, die von der modernen Gesellschaft nachgefragt werden. Konkret dient in Deutschland Rohbenzin bzw. Naphtha als Ausgangsstoff. Dabei handelt es sich um einen in der Raffinerie gewonnenen Teil des Erdöls. In anderen Gegenden der Welt verwendet die dort ansässige Chemieindustrie eher Ethan und Propan als Rohstoff.
Naphtha ist die leichteste Kohlenwasserstoff-Fraktion und qualitativ hochwertig, auch weil es sehr wenig Verunreinigungen enthält. In Deutschland werden daher nur rund 15 Prozent des Mineralöls, weltweit sogar nur 10 Prozent des gesamten verbrauchten Erdöls von der Chemie genutzt. Ein viel größerer Anteil (50 Prozent für Kraftstoffe, 20 Prozent für Heizöl) wird vor allem zur Erzeugung von Kraft- und Brennstoffen verbraucht. Rein theoretisch ließe sich auch Benzin als Grundlage für die chemische Produktion verwenden. Das ist aber nicht nötig, da sich z. B. hierzulande der Bedarf der Branche allein mit Naphtha decken lässt und die Prozesse darauf optimiert sind. Alle vier Rohstoffquellen (Erdöl, Erdgas, Kohle und Biomasse) liefern Kohlenstoffverbindungen in unterschiedlicher Komplexität, vom einfachen Methanmolekül (CH4) über kurzkettige Kohlenwasserstoffe wie Propan und Butan (C3H6 bzw. C4H8) bis hin zu langkettigen Fettsäuren und kompliziert aufgebauten Riesenmolekülen der Polysaccharide. Ringförmige Kohlenwasserstoffverbindungen, die sogenannten Aromaten, werden in speziellen Anlagen aus einer besonderen Fraktion der Erdöldestillation gewonnen. Aus diesen Bausteinen wird in vielstufigen Prozessen und Tausenden unterschiedlichen Syntheseverfahren fast die komplette Produktpalette der Chemie hergestellt.
Nawaros ein Dauerbrenner
Welche Kohlenstoffquelle die Chemie einsetzt, hat immer mit den gewünschten Endprodukten und den dazu notwendigen Prozessen zu tun. Nachwachsende Rohstoffe (Nawaros) sind für die Chemie daher auch kein Trendthema, sondern seit 150 Jahren ein Dauerbrenner. Die Hoffnung ruht hier aber auf solcher Biomasse, die nicht als Futter, Lebensmittel oder zur Lebensmittelherstellung benötigt wird. Außerdem ist es günstig, Biomasse gleichzeitig als Rohstoff und Energieträger zu verwenden, was in Bioraffinerien erfolgt. Voraussetzung für den Aufbau und den verstärkten Einsatz solcher Raffinerien ist, dass nachwachsende Rohstoffe zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sind. Grundsätzlich können alle organisch basierten Grundstoffe auch aus Kohle hergestellt werden, deren Verfügbarkeit noch deutlich länger als bei Gas oder Öl gewährleistet ist. Allerdings sind hierbei noch wichtige Fragen der Ökonomie und Ökologie zu klären. „Die künftige Rohstoffversorgung wird parallel zum Energiemix durch einen Rohstoffmix gekennzeichnet sein“, konstatiert Prof. Dr. Michael Röper, Vice President Science Relations und Innovation Management bei der BASF.
Für die Zukunft eröffnet sich die Perspektive, dass nachwachsende Rohstoffe im Rohstoffmix eine immer größere Rolle spielen. Ähnlich wie heute Raffinerien aus Erdöl verschiedene Produkte wie Benzin und Heizöl sowie Grundstoffe für Chemikalien und Kunststoffe erzeugen, könnten Bioraffinerien aus Biomasse vielfältige Produkte herstellen – vornehmlich aus Abfällen und solchen Pflanzen-teilen, die nicht in der Nahrungskette benötigt werden. Eine weltweite Vorreiterrolle in der Forschung nimmt dabei das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) am traditionsreichen Chemiestandort Leuna ein. Dort sollen neue Verfahren zur effizienten und effektiven stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe entwickelt werden, die eng mit bereits bestehenden Produktionsstrukturen vernetzbar sind. Zudem ist das CBP ein wichtiger Baustein im Cluster BioEconomy, der sich gerade erfolgreich in der dritten Runde des Spitzencluster-Wettbewerbs durchgesetzt hat.
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