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Elastomerdichtungen für Wasserstoffanwendungen

Keine Werkstoffe von der Stange
Elastomerdichtungen für Wasserstoffanwendungen

Zu den Erfolgsfaktoren für die Anwendung von Wasserstofftechnologien in der Industrie zählen optimal darauf abgestimmte Komponenten. Dabei sind besonders die eingesetzten Dichtungen von größter Bedeutung. Wie die Praxis zeigt, kommen bei Werkstoffen für Elastomerdichtungen meist individuelle Lösungen zum Einsatz.

Unzählige Projekte beschäftigen sich im Maschinenbau mit dem Thema Wasserstoff. Eine zentrale Schwierigkeit sowohl für Anwender als auch für Dichtungshersteller ist hierbei, dass sich die Wasserstoffprojekte bzw. deren Anwendungen selten miteinander vergleichen lassen. Wasserstoffanwendungen sind ein weites Feld, angefangen bei der Herstellung über den Transport und die Verteilung bis hin zur Nutzung von Wasserstoff. Viele Projekte befinden sich noch in der Entwicklungsphase, in der keine Projektdetails publik gemacht werden. Das führt wiederum eher zu Individuallösungen als zu Standardanwendungen.

Die Auswahl des geeigneten Werkstoffs für die Elastomerdichtungen im Wasserstoffumfeld ist von wesentlicher Bedeutung und muss alle real auftretenden Betriebsparameter einer Anwendung berücksichtigen.

Geklärt sein muss, dass der Dichtungswerkstoff beständig gegenüber allen Medien ist, die mit der Dichtung in Kontakt kommen können, dass er temperaturbeständig ist (Umgebungstemperatur, Einsatztemperatur, absolute kurzzeitige Spitzentemperaturen) und dass er druckbeständig ist, auch bei starken Druckschwankungen. Zudem muss der Dichtungswerkstoff gute physikalische Eigenschaften (Druckverformungsrest, Spannungsrelaxation) und eine niedrige Permeation (Gasdurchlässigkeit) aufweisen.

Wasserstoffpermeation

Die Wasserstoffpermeation ist ein wichtiges Auswahlkriterium für Elastomerdichtungen. Das farb- und geruchslose Gas H2 ist extrem entzündlich und die Erzeugung von molekularem Wasserstoff kompliziert und teuer. Daher ist eine Verflüchtigung aus Sicherheits- wie Kostengründen unbedingt zu vermeiden. Zwischen den ASTM-Klassen (Elastomerwerkstoffgruppen, ASTM = American Society for Testing and Materials) variiert der H2-Permeationskoeffizient sehr stark und auch innerhalb einer ASTM-Klasse gibt es große Unterschiede zwischen den Werkstoffen. Beispielsweise haben VMQ-Werkstoffe (Silikon) einen sehr schlechten, EPDM-Werkstoffe (Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk) einen deutlich besseren und FKM-Werkstoffe (Fluor-Kautschuk-Mischung) einen noch besseren Permeationskoeffizienten. Auch die Temperatur beeinflusst das Ergebnis signifikant. Ein Wert, der bei 23 °C ermittelt wurde, kann bei 80 °C
z. B. bei EPDM-Werkstoffen einen Faktor von +5 und bei FKM-Werkstoffen einen Faktor von +3 bis über 16 aufweisen. Daher gelten getestete Werkstoffe in H2-Anwendungen als klare Empfehlung.

Auch das Einsatzgebiet selbst kann ein wichtiges Auswahlkriterium für die Elastomerdichtung sein. So sind bei Dichtungen für Erdgas mit 10%igem Wasserstoffanteil für unterschiedliche Druck- und Temperaturbereiche verschiedene DIN-DVGW-Zertifizierungen für die Werkstoffe erforderlich (DVGW = Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches).

Praxisbeispiel Elektrolyseur

Allerdings ist die Permeabilität nicht immer das ausschlaggebende Kriterium für die Auswahl des Elastomerwerkstoffes. Ein Hersteller von AEM-Elektrolyseuren zur Wasserstofferzeugung (AEM = Anion Exchange Membrane) hatte Probleme mit den Elastomerdichtungen. Der eingesetzte NBR-Werkstoff fiel bereits nach kurzer Zeit aus. Das Medium im Elektrolyseur war 5%ige Kalilauge (KOH), wobei die Temperatur maximal 65 °C betrug. Als Material schlug der Dichtungshersteller C. Otto Gehrckens (COG) zunächst einen peroxydisch vernetzten EPDM-Werkstoff vor. Aber auch dieser fiel nach ca. 100 Stunden aus. Einlagerungsversuche in Kalilauge (KOH-Anteil 5 %) bei 65 °C ergaben keine signifikanten Materialveränderungen. Daher wurde vermutet, dass die Materialunverträglichkeit mit den verwendeten Werkstoffen im Elektrolyseur selbst zusammenhängt. Als Katalysator für die AEM-Elektrolyse kam Nickel zum Einsatz. Jedoch greift Nickel die Kohlenstoff-Doppelbindungen im Dien des EPDM-Werkstoffs an und zerstört den Kautschuk.

COG schlug daraufhin vor, ein Ethylen-Propylen-Copolymer (EPM) einzusetzen. Dieser Kautschuk enthält kein Dien und somit keine Doppelbindungen im Polymer. Zudem ist er sehr beständig gegenüber Kalilauge im angegebenen Temperaturbereich. Der eingesetzte O-Ring aus EPM wies nach einer Betriebszeit von über 6000 Stunden keine signifikanten Veränderungen auf.

Das Beispiel zeigt, dass bei Wasserstoffprojekten verschiedene, teils komplexe Sachverhalte eine wichtige Rolle spielen können, um die Dichtungswerkstoffe zu beurteilen.

Speziell entwickelte Werkstoffe

COG hat umfassende Erfahrungen in diversen Wasserstoffprojekten gesammelt und für unterschiedliche Kunden Lösungen für Elastomerdichtungen entwickelt. Hieraus ist die Dichtungswerkstoffreihe H2-Seal mit zwei leistungsstarken Werkstoffen entstanden. Speziell für Wasserstoffanwendungen wurden ein FKM und ein EPDM-Compound konzipiert. Beide Werkstoffe sind das Ergebnis intensiver Entwicklungsarbeit und haben ihre Eignung für Wasserstoffanwendungen bei externen Prüfungen der Wasserstoffpermeabilität durch ein unabhängiges Labor unter Beweis gestellt. Im Fokus der Testreihe steht die Vermessung der Wasserstoffpermeabilität durch ein Druckanstiegsverfahren in Anlehnung an DIN 53380.
Der von den COG-Experten entwickelte FKM-Werkstoff Vi 208 mit einer Härte von 80 Shore A überzeugt im Test mit einem sehr guten Wasserstoffpermeationskoeffizienten von nur 281 Ncm3 mm m-2 Tag-1 bar-1 im Mittelwert und weist damit eine H2-Dichtigkeit auf, die deutlich über dem liegt, was bei FKM-Compounds im Normalfall erwartet werden kann. Eine hohe chemische Beständigkeit und ein breiter Einsatztemperaturbereich von –10 bis +200 °C runden das Werkstoffprofil ab. Auch der EPDM-Werkstoff AP 208 hat beim H2-Permeationstest mit – für einen EPDM – sehr überzeugenden Werten abgeschnitten, der Wasserstoffpermeationskoeffizient liegt bei 1317 Ncm3 mm m-2 Tag-1 bar-1. Mit einem Druckverformungsrest von 15 % und einer möglichen Einsatztemperatur von bis zu –45 °C bietet er ein umfangreiches Spektrum an Verwendungsmöglichkeiten in den verschiedenen Bereichen.

Mit den beiden H2-Seal-Compounds stellt COG Entwicklern und Anwendern von Wasserstofftechnologien zwei vielseitige Spezialwerkstoffe zur Verfügung, die sich aufgrund ihrer nachgewiesenen geringen Wasserstoffpermeabilität für anspruchsvolle H2-Anwendungsumgebungen eignen.

Fazit

Anwender sollten beim Thema Wasserstoffabdichtungen unbedingt die Unterstützung der Anwendungstechnik eines erfahrenden Dichtungsexperten nutzen. Dieser sollte zwingend Erfahrungen mit Wasserstoffprojekten vorweisen können. Bei der Auswahl des Werkstoffs für die Elastomerdichtung müssen alle am Prozess beteiligten Medien berücksichtigt werden. Die Praxis zeigt, dass bei den meisten H2-Projekten alles andere als Standardlösungen gefragt sind.

COG GmbH & Co. KG, Pinneberg


Autor: Michael Krüger

Leiter Anwendungstechnik,

COG

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