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Die Kunst der richtigen Dichtung

Auslegung von Flanschverbindungen
Die Kunst der richtigen Dichtung

Den Knackpunkt einer Anlage bilden mit Blick auf die Emissionen noch immer die Flanschverbindungen. Die fachgerechte Auslegung und Berechnung gestaltet sich angesichts der vielen verschiedenen Richtlinien, Regelwerke und Vorgaben schwierig. Was zu berücksichtigen ist und wie man es richtig macht, sagen Ihnen die Autoren im nachfolgenden Beitrag.

Die Autoren: Jörg Skoda Leiter Anwendungstechnik, IDT Industrie- und Dichtungstechnik Stefan Schulz Anwendungstechnik, IDT Industrie- und Dichtungstechnik

Die Anfänge der Erfassung und Verarbeitung der komplexen Vorgänge in einer Flanschverbindung gehen mit der Entwicklung der Vornorm der DIN 2505 in das Jahr 1964 zurück. Grundlage dafür waren sogar Untersuchungen und Erkenntnisse aus den 1950er-Jahren.
Diese Vornorm wurde bis 1990 erweitert und überarbeitet, aber zugunsten der übergreifenden europäischen Normung nie in die Gültigkeit verabschiedet. Dennoch verankerten sich Teile daraus in den AD 2000-Merkblättern B7 und B8. Sie verweisen ebenso – trotz mehrfacher Erneuerung – in den überwiegenden Teilen auf deren Urfassungen aus früheren Jahren. Die bisher genannten Regelwerke zur Auslegung und Berechnung von Flanschverbindungen setzen sich die Dimensionierung einzelner metallischer Bauteile und die Ermittlung von Einbauschraubenkräften zum Ziel. Die Dichtung wird hierbei gänzlich vernachlässigt bzw. nur stiefmütterlich betrachtet. Dies erkennt man unter anderem daran, dass für die benötigten Dichtungskennwerte k0 x kD und K1 keine Prüfgrundlage zur Ermittlung dieser Werte vorliegt.
Das ebenso häufig angewandte Verfahren nach der Taylor-Forge-Methode, wie es z. B. in der ASME Sect. VIII und EN 13445 aufgezeigt wird, ist ebenso nur ein Mittel, Bauteile entsprechend den Anforderungen zu dimensionieren und deren Festigkeit zu betrachten.
Das Problem dieser beiden Varianten: Es lässt sich lediglich die Festigkeit der Bauteile nachweisen, nicht jedoch, ob die Verbindung dicht ist oder nicht.
Systembetrachtung bevorzugt
Was bedeutet das heute für die Umsetzung der Ziele des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) zur Minimierung schädlicher Emissionen aus Industrieanlagen und der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)? In den letzten Jahren ist man flächendeckend zu einer sogenannten Systembetrachtung übergegangen und behandelt nun die gesamte Verbindung aus Flansche, Schrauben und erstmals gleichberechtigt auch die Dichtung.
Wenn man zudem heutzutage von Leckagen spricht, bedeutet dies das Aufkommen sogenannter diffuser Emissionen und nicht wie viele meinen, die erkennbare Tropfleckage.
Um diese ausreichend exakt zu bestimmen und dem aktuellen Stand der Technik, wie z. B. in der VDI 2290 vorgegeben, zu entsprechen, müssen geschraubte Flanschverbindungen nicht nur auf Festigkeit, sondern auch auf Dichtheit überprüft und diese rechnerisch nachgewiesen werden.
All dies vermag nur die 2001 ins Leben gerufene Europäische Norm EN 1591-1. Sie betrachtet die Festigkeiten und mechanischen Eigenschaften der einzelnen Bauteile im Zusammenspiel mit geforderten Dichtheits- und Leckagekriterien für verschiedene Betriebs- und Lastfälle. Die daraus resultierenden Ausnutzungsfaktoren der einzelnen Komponenten werden ebenso ausgewiesen wie die erforderlichen und maximal zulässigen Einbauschraubenkräfte.
Ein Nachteil der Methode nach EN 1591-1 ist allerdings, dass die Berechnung sehr umfassend und aufwendig und deshalb meistens nur noch mit geeigneten Softwareprogrammen realisierbar ist. Ziel der Auslegung sollte aber dennoch immer die sichere Beschreibung des mechanischen Verhaltens einer Flanschverbindung sein. Die für den Einsatzfall ausgewählte Dichtung gewinnt deshalb immer mehr an Bedeutung und ist nunmehr wesentlicher Bestandteil der Systembetrachtung geworden.
Dem Anlagenbetreiber, Konstrukteur oder Projektingenieur unterliegen demzufolge auch die Auswahl hochwertiger Dichtsysteme und deren qualitative Beurteilung. Hieran lassen sich Faktoren wie Betriebssicherheit, Standzeit und Produktionsausfall sowie Stillstands- und Reparaturzeiten ausmachen.
Eine weitere Möglichkeit ist auch die Auslegung der Flanschverbindung mithilfe der FEM-Methode (Finite Elemente). Diese ist jedoch sehr aufwendig und entsprechend kostenintensiv.
Auswahlkriterien
Bleibt noch die Frage zu klären, welche Kriterien bei der Auswahl der einzelnen Elemente von Flanschverbindungen eine Rolle spielen sollten. Zunächst ein Blick auf die metallischen Bauteile wie Flansche und Schrauben. Sie sollten eine ausreichende, möglichst hohe Festigkeit aufweisen und den Belastungen aus den einzelnen Lastfällen standhalten. Dazu gehören z. B. die Beständigkeit gegen den Innendruck sowie den thermischen und chemischen Belastungen.
Das Gleiche gilt im Grunde genommen auch für die Dichtung, allerdings sind hier noch einige zusätzliche Details zu beachten: Prozentual der größte Anteil der diffusen Emissionen gelangt als Oberflächenleckage zwischen Flanschdichtfläche und Dichtung oder aber als Querschnittsleckage durch die Dichtung hindurch nach außen. Die Minimierung der Emissionen hängt also sehr stark von der Beschaffenheit der ausgewählten Dichtung ab.
Für die Berechnung und den Nachweis der Dichtheit einer Flanschverbindung müssen seitens der Dichtungshersteller demzufolge spezifische Dichtungskennwerte – beispielsweise EN 13555 für Berechnung nach EN 1591-1 – ermittelt und zur Verfügung gestellt werden. Dabei sind Dichtsysteme mit geringen Leckageraten und einer großen Differenz zwischen Minimal- und Maximalflächenpressung zu bevorzugen.
Für den Betreiber gilt dabei zu beachten, dass der Berechnung der Flanschverbindung nach EN 1591-1 herstellerabhängige Dichtungskennwerte zugrunde liegen, die gegenüber denen eines vermeintlich gleichwertigen Dichtsystems eines anderen Herstellers abweichen können. Daher sollte das bei der Auslegung in Betracht gezogene Dichtsystem demnach auch für die berechnete Verbindung spezifiziert werden.
Eine wichtige Quelle für Dichtungskennwerte ist die Website www.gasketdata.org. Auf dieser Internetseite finden Betreiber Dichtungskennwerte namhafter Dichtungshersteller. Die Kennwerte werden durch eine 2-fach-Prüfung ermittelt und abschließend führt die FH Münster eine Stichprobenkontrolle dieser Werte durch. Man erhält somit belastbare Dichtungskennwerte.
Korrekt berechnen
Entsprechend dem Minimierungsgebot sollen die Emissionen so gering wie möglich gehalten werden. Daher muss das schwächste Bauteil der Verbindung auf einen Auslastungsgrad von 100 % des Zulässigen ausgelegt werden. Werden alle diese Vorgaben bei der Auslegung von Flanschverbindungen beachtet, steht einer fachgerechten Montage und dem sicheren Betrieb nichts mehr im Wege.
Wir empfehlen deshalb, Flanschverbindungen grundsätzlich nach EN 1591-1 zu berechnen. Erfahrungen beweisen, dass es mit dieser Methode gelingt, selbst grenzwertige und problembehaftete Verbindungen sicher abzudichten. IDT als Dichtungshersteller und langjähriger Partner der Industrie steht den Betreibern, Konstrukteuren und Projektingenieuren gern mit Rat und Tat bei der Auswahl geeigneter Dichtsysteme sowie Berechnungen nach EN 1591-1 zur Verfügung.
prozesstechnik-online.de/cav0513450
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