Startseite » Chemie »

Die Zukunft der Chemieindustrie

Update der VCI-Prognos-Studie: Die deutsche chemische Industrie 2030
Die Zukunft der Chemieindustrie

Die Zukunft der Chemieindustrie
Bild: Theerapong – Fotolia.com
Der technologische Fortschritt und die Zunahme des Wissens bleiben wichtige Treiber für die weltwirtschaftliche Entwicklung. Durch Technologietransfer können viele Länder rasch von innovativen Technologien profitieren. Zudem wird die Digitalisierung eine neue Phase der industriellen Revolution auslösen (Industrie 4.0). Sie erfasst ganze Wertschöpfungsketten und wird nicht vor den Chemieunternehmen haltmachen.

Die Weltwirtschaft steht vor neuen Herausforderungen. Der Wachstumsmotor China ist ins Stottern geraten. Große Volkswirtschaften wie Brasilien und Russland befinden sich in einer Rezession. Nicht zuletzt ist die Europäische Union mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise sowie den Unsicherheiten, die mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU verbunden sind, konfrontiert. Auch außerhalb des Kontinents ist die wirtschaftliche Großwetterlage schwierig: Welchen Weg die USA unter Präsident Trump handels- wie wirtschaftspolitisch einschlagen werden, ist derzeit noch nicht absehbar. Zu diesen ökonomischen Entwicklungen kommen langfristige Megatrends. Die Weltbevölkerung wächst. 2030 werden nach Schätzungen der UN 8,5 Milliarden Menschen auf der Welt leben (2016: 7,4 Milliarden). Dadurch steigt global die Nachfrage nach Nahrung, Gütern und Dienstleistungen, aber auch das Angebot an Arbeitskräften. Das Bevölkerungswachstum entfällt zu 90 % auf Afrika und Asien, während es in den Industrieländern stagniert und die Gesellschaften rasch altern. Das globale Bevölkerungswachstum wirkt sich positiv auf das Wachstum der Weltwirtschaft aus, stellt aber auch einige Regionen vor große Herausforderungen.

Anders als in der Vergangenheit erwartet, wird es bis zum Jahr 2030 keinen Engpass bei Energie und Rohstoffen geben. Neue Fördertechnologien (Fracking) und der Wettbewerb unter den ölfördernden Staaten haben zu einem Überangebot an Öl und Gas geführt. Mittelfristig wird der Ölpreis zwar wieder steigen, im Prognosezeitraum bleibt Rohöl dennoch deutlich günstiger als in den Boomjahren vor der Wirtschaftskrise.

Die Globalisierung, von der die deutsche Chemie in Summe profitiert hat, wird sich abschwächen. Darüber hinaus gewinnt die lokale Produktion mit der Industrialisierung der Schwellenländer an Bedeutung, da für innovative Produkte die Nähe zum Kunden zunehmend wichtiger wird. Die Handelspolitik spielt zwar auch zukünftig eine wichtige Rolle. Allerdings wird der Abbau von Handelshemmnissen und Kapitalverkehrskontrollen im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten insgesamt deutlich an Dynamik verlieren.

Binnenwirtschaft gewinnt an Bedeutung

Die langfristige Entwicklung Deutschlands wird wesentlich durch den demografischen Wandel, das weltwirtschaftliche Umfeld, die Rohstoff- und Energiekosten sowie durch die internationale Wettbewerbsfähigkeit bestimmt. Da die Europäische Union der wichtigste Handelspartner bleibt, ist das Fortkommen der deutschen Wirtschaft eng mit der Entwicklung der Nachbarländer und der Europäischen Union verknüpft. Bis zum Jahr 2030 wird die deutsche Wirtschaft um durchschnittlich 1,3 % pro Jahr wachsen können. Im Vergleich zu den vorangegangen 13 Jahren wird sich das Wachstum damit leicht beschleunigen. Dennoch bleibt die Dynamik im Vergleich zur Entwicklung vor der Weltwirtschaftskrise und im Vergleich zu anderen europäischen Volkswirtschaften niedrig.

Das Wachstumsmodell der deutschen Volkswirtschaft wird sich zukünftig grundlegend ändern: Während Deutschland im Jahr 2013 fast die Hälfte seines Wachstums seinen Exporterfolgen verdankte, wächst der Außenbeitrag im Prognosezeitraum deutlich langsamer. Auch der Staatskonsum trägt im Vergleich zur vergangenen Dekade weniger zum Wachstum bei. Demgegenüber gewinnt der private Konsum an Bedeutung. Auch die Investitionstätigkeit (privat wie staatlich) wird ausgeweitet. Dieser Trend ist bereits jetzt erkennbar. Die Binnenwirtschaft hat 2016 Fahrt aufgenommen. Der private und staatliche Konsum waren wichtige Treiber des Wachstums. Der Beitrag des Außenhandels war sogar rückläufig.

Bremsend wirkt hingegen der demografische Wandel. Ein erheblicher Teil der heutigen Arbeitnehmer wird bis 2030 in den Ruhestand gehen und die Zahl der neu in den Arbeitsmarkt eintretenden Erwerbstätigen fällt deutlich geringer aus. Teilweise kann diese Lücke durch eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, eine Stärkung des Bildungsangebotes und vor allem eine arbeitsmarktbezogene signifikante Netto-Zuwanderung gemindert werden. Es ist allerdings noch unklar, in welchem Umfang Migranten in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Auch ist nicht absehbar, inwieweit die zunehmende Digitalisierung sich auf die Quantität der nachgefragten menschlichen Arbeitszeit auswirken wird.

Industrie bleibt zentrale Säule der deutschen Wirtschaft

Der starke industrielle Kern, der sich bereits in der Vergangenheit positiv auf das Wachstum ausgewirkt hat, bleibt im Prognosezeitraum erhalten. Hierzulande ist der Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt mit mehr als 23 % fast doppelt so hoch wie in den USA, in Frankreich oder Großbritannien. Zudem hat Deutschland keine industrielle Monokultur. Nahezu alle Branchen sind vertreten. Viele Unternehmen gehören zur internationalen Spitze. Industrieprodukte „Made in Germany“ genießen weltweit Anerkennung.

Die langfristigen demografischen, klimatischen und technologischen Trends führen zu einer dynamischen Entwicklung innerhalb der Bereiche Energie- und Ressourceneffizienz, Mobilität und Logistik, Klimaschutz und Umwelt. In Deutschland können davon insbesondere der Maschinenbau, der Fahrzeugbau, die Elektroindustrie, die chemisch-pharmazeutische Industrie und die Kunststoffverarbeiter profitieren. Diese Leitbranchen sind die Treiber der Industrieproduktion hierzulande. Dank ihrer hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit können diese Branchen einen Anstieg ihrer Produktion um 1,9 % pro Jahr bis 2030 verbuchen, während die Industrie insgesamt um 1,4 % wächst.

Wachstumschancen für die Chemie- und Pharmaindustrie

Über 80 % der Erzeugnisse der deutschen Chemie gehen an industrielle Kunden. Die Branche ist damit Ausgangspunkt und Innovationsmotor für viele Wertschöpfungsketten im In- und Ausland. Bis zum Jahr 2030 kann die deutsche Chemie ihr Produktionsvolumen um 1,5 % jährlich ausdehnen. Damit wächst die Chemie etwas dynamischer als die Industrie oder die Gesamtwirtschaft. Mit dem globalen Chemiewachstum kann die deutsche Chemie allerdings nicht Schritt halten. Weltweit wächst die Chemieproduktion um 3,4 % jährlich. Trotz Anteilsverlusten bleibt Deutschland damit im Jahr 2030 der viertwichtigste Chemieproduzent (nach China, USA und Indien).

Die deutsche Chemie ist mit ihrer starken Pharmasparte, einer innovativen Spezialchemie und hocheffizienten Produktionsanlagen in der Grundstoffchemie international wettbewerbsfähig. Zu den Stärken zählen vor allem die hohe Innovationskraft, die Verbundproduktion, die Chemieparks und das starke deutsche Industrienetzwerk.

Basis für das Wachstum im deutschen Chemiegeschäft wird auch zukünftig das Exportgeschäft sein, das voraussichtlich um 1,7 % jährlich zulegen kann. Deutschland kann dank seiner innovativen Produkte vom hohen Wachstum der globalen Chemiemärkte profitieren. Zu den wichtigsten Abnehmern der Chemieprodukte im Ausland gehören zukünftig weiterhin die europäischen Länder und die USA. Bis 2030 steigen die deutschen Exporte nach China kräftig, so dass die Volksrepublik hinter der EU und den USA drittwichtigster Abnehmer für deutsche Chemieprodukte sein wird. Zwar wird China künftig einen immer größeren Teil seines Chemiebedarfs aus heimischer Produktion decken. Die im internationalen Vergleich hohen Wachstumsraten der chinesischen Wirtschaft eröffnen deutschen Chemieexporteuren dennoch Wachstumschancen – vor allem für Pharmazeutika und Spezialchemikalien.

Der globale Wettbewerb hat allerdings auch in der Chemie enorm Fahrt aufgenommen. In Asien forcieren China, Indien und Korea massiv den Ausbau von Forschung und Wissenschaft. Bereits heute kommen 40 % aller chemischen Erfindungen aus Asien. In den rohstoffreichen Ländern entstehen Jahr für Jahr neue Produktionsanlagen vor allem in der Basischemie. Und die wieder erstarkte US-Chemie macht sich bereit, verstärkt auf den europäischen Markt zu drängen. Der Importdruck auf Deutschland wird daher bis zum Jahr 2030 zunehmen.

Spezialchemikalien und Pharmazeutika besonders gefragt

Die Wachstumspotenziale für die einzelnen Chemiesparten sind unterschiedlich. Die größte Dynamik weist zukünftig das Pharmageschäft auf. Eine stark alternde Bevölkerung in den Industrieländern und eine wachsende Mittelschicht in den Schwellenländern lassen die Nachfrage nach Pharmazeutika weltweit steigen. Aber auch den Herstellern von innovativen Spezialchemikalien bieten sich im In- und Ausland gute Wachstumschancen. Demgegenüber hat die Basis-chemie trotz hocheffizienter Anlagen ein Problem mit den politisch motivierten hohen Energie- und Rohstoffkosten, die den Importdruck stark steigen lassen. Die Produktion von Basischemikalien kann im Prognosezeitraum nur noch leicht ausgeweitet werden. Vor diesem Hintergrund nimmt die Bedeutung von Spezialchemikalien und Pharmazeutika an der deutschen Chemieproduktion im Prognosezeitraum zu. Trotz dieser Spezialisierung wird die deutsche Chemie auch 2030 noch diversifiziert und auf sämtlichen Fertigungsstufen fußend auf einer starken Basischemie vertreten sein.

Diese Perspektive muss aber strategisch erarbeitet werden. Zuletzt hat sich das Wachstum der Chemieindustrie vom Wachstum der Kundenindustrie abgekoppelt. Die Produktion in der Basischemie war sogar rückläufig. Damit die Branche ihr langfristiges Wachstumspotenzial realisieren kann, bedarf es weiterer Anstrengungen seitens der Politik. Zwar sind in Brüssel und Berlin mit der Initiative „Better Regulation“ oder dem Bündnis „Zukunft der Industrie“ positive Ansätze erkennbar. Im Kern hat sich das politische Umfeld für industrielle Produktion aber kaum verbessert. Insbesondere die Energie- und Klimapolitik bleibt die Achillesferse. Gefordert ist eine Industriepolitik mit Augenmaß, die sowohl den Klimaschutz wie auch die Bedürfnisse der Industrie berücksichtigt.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: cav0617vci

In Deutschland wird die Binnenwirtschaft an Bedeutung gewinnen: BIP-Wachstum Deutschland in Prozent pro Jahr (Wachstumsbeiträge der Komponenten in Prozent)
Bild: VCi
Chinas Chemie gewinnt weitere Anteile: Jährliches Wachstum der Chemie- und Pharmaproduktion und Anteile ausgewählter Länder in Prozent, CAGR 2013 bis 2030
Bild: VCI
Fokussierung auf Spezialchemie und Pharma: Reale Produktionswerte der deutschen Chemieindustrie, Anteile der Sparten in Prozent, CAGR 2013 bis 2030
Bild: VCI

Autor Christian Bünger

Bereich Volkswirtschaft,

Verband der chemischen Industrie

Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de