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Eiskalt erwischt

Effiziente Abgasreinigung mit kryogenem Stickstoff
Eiskalt erwischt

Industrielle Ab- und Prozessgase tragen oft eine Lösemittelfracht, die nicht in die Umwelt gelangen darf. Sie ist gemäß den Richtlinien der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft) aus dem Abgas zu entfernen. Als technisch und wirtschaftlich interessante Alternative zur Abgasverbrennung oder zu herkömmlichen Kryokondensatoren erweist sich häufig das DuoCondex-Verfahren des Industriegaseherstellers Messer.

Thomas Kutz

Ein Produktionsausfall ist alles andere als erfreulich und obendrein noch kostspielig. Mit Maschinen, die nicht arbeiten, lässt sich bekanntermaßen kein Geld verdienen. Mit dieser Tatsache sah sich die Chemetall, ein im Harzer Langelsheim ansässiger Hersteller von Feinchemikalien, alle Jahre wieder konfrontiert und zwar immer dann, wenn die Verbrennungsanlage in die Revision musste und infolgedessen die angeschlossenen Produktionsprozesse heruntergefahren wurden: Lässt sich eine Abluftfracht wie Hexan, Isopropanol oder Dichlormethan nicht verbrennen oder gemäß den Richtlinien der TA-Luft entfernen, dürfen Ab- und Prozessgase gar nicht erst entstehen. Für das Unternehmen bedeutete die Revision stets einen Produktionsstopp von zwei bis drei Wochen. Für Jan-Peter Kring, den Produktionsleiter, ein völlig inakzeptabler Zustand. Insbesondere, da der Betrieb maximal ausgelastet war und tüchtig Umsatz produzierte.
Die Idee war schnell geboren: Während man die eigene Verbrennungsanlage auf den Prüfstand stellt, wird das Ab- beziehungsweise Prozessgas auf eine externe Abgasreinigungsanlage umgeleitet; die Produktion würde nicht unterbrochen und mit Lieferverzögerungen oder finanziellen Einbußen wäre nicht zu rechnen. Klingt einfach, ist es auch.
Die Lösung fand Chemetall beim Industriegasehersteller Messer. Das Unternehmen verfügt über eine kompakte Pilotanlage zur Abgasreinigung. Sie wird in der Regel solchen Kunden zur Verfügung gestellt, die prüfen wollen, ob das zum Patent angemeldete DuoCondex-Verfahren zur kryogenen Abgasreinigung und Rückgewinnung von Lösemitteln den produktionsspezifischen Anforderungen entspricht. Messer und Chemetall hatten sich schnell auf einen für beide Seiten passenden Modus geeinigt.
Grenzwerte sicher einhalten
Das DuoCondex-Verfahren arbeitet mit einem Wärmetauscher und Stickstoff als Kühlmedium, das den Abgasstrom kühlt und die Lösemittel kondensieren lässt, sobald der Taupunkt des jeweiligen Lösemittels erreicht ist. Soweit die Übereinstimmung mit ähnlichen oder vergleichbaren Kondensationsverfahren. Das Besondere am DuoCondex-Verfahren ist nicht die kryogene Kondensation, sondern die von Messer entwickelte Prozessführung: Die Kühlung des Abgases erfolgt nicht direkt mit flüssigem -196 °C kalten Stickstoff, sondern mit dem gasförmigen Pendant. Dies hat zur Folge, dass die Temperaturdifferenz zwischen Prozessgas und Kühlmedium im Inneren des Wärmetauschers geringer ausfällt, als es bei der Kühlung mit flüssigem Stickstoff der Fall ist.
Hört sich banal an, ist es aber nicht. Im Gegenteil, der geschilderte Sachverhalt zieht weitreichende Konsequenzen nach sich, sorgt er doch dafür, dass sich das im Abgas enthaltene Lösemittel zuverlässig verflüssigt und nicht ausfriert und den Wärmetauscher verstopft. Bei herkömmlichen Kryokondensatoren, die mit tiefkaltem flüssigem Stickstoff arbeiten, ist stets mit der Bildung von Eis zu rechnen, was auch die kurzen Intervalle erklärt, nach denen die Anlage regeneriert werden muss.
Außerdem gewährleistet das DuoCondex-Verfahren eine nahezu vollständige Kondensation der Lösemittelfracht. Im Vergleich dazu können Lösemittel und Abgas bei hohen Temperaturdifferenzen, wie sie in herkömmlichen Kryokondensatoren herrschen, ein Aerosol bilden, das als feiner Nebel durch den Wärmetauscher getragen wird. Anlagenbetreiber haben es schwer, die Grenzwerte der TA-Luft einzuhalten. Nicht so mit der DuoCondex-Anlage.
Wirtschaftlich und effizient
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht trumpft das DuoCondex-Verfahren auf, weil die Kälte des gereinigten Abgases optimal genutzt und der zur Kühlung verwendete Stickstoff in jeder Hinsicht effizient eingesetzt wird. Ein Blick auf die Details: Der flüssige Stickstoff verlässt den Vorratstank mit einer Temperatur von -175 °C bei 6 bar(ü). Im Thermocontroller wird er verdampft und das Stickstoffgas strömt mit einer Temperatur von rund -150 °C in Richtung Kondensator. Das Kältemedium verlässt den Apparat schließlich wieder an seinem unteren Ende mit einer vergleichsweise warmen Temperatur von 0 °C.
Das Abgas seinerseits wird mit Umgebungstemperatur (+20 °C) von unten durch die Anlage gesaugt, in der es sich im Gegenstrom mit dem Stickstoffgas auf etwa -130 °C abkühlt. Die im Abgas enthaltenen Lösemittel kondensieren und fließen in den Sumpf der Anlage, aus dem sie flüssig abgezogen werden können. Eine Füllstandanzeige weist auf die Notwendigkeit der Entleerung hin. Das Abgas, nunmehr frei von schädlichen Frachten, könnte jetzt unmittelbar an die Umgebungsluft abgegeben werden. Aufgrund seiner niedrigen Temperatur von -130 °C aber, wird es noch einmal durch den Wärmetauscher geführt, diesmal von oben durch ein Rohrbündel, um dem heraufströmenden Abgas Kälte zu spenden und so den Bedarf an Kühlmittel, also Stickstoff, zu reduzieren.
An neuralgischen Punkten im System sind Sensoren installiert, welche die jeweilige Temperatur messen. Eine Steuerung ermittelt aus den Werten den tatsächlichen Kühlmittelbedarf und erhöht oder reduziert die weitere Stickstoffzufuhr. Apropos: Im Thermocontroller wird der tiefkalte, flüssige Stickstoff (-175 °C) verdampft und auf -150 °C erwärmt und zwar unter Einsatz des Stickstoffs, der den Wärmetauscher bereits durchlaufen und mit 0 °C am unteren Ende verlassen hatte. Dessen Temperatur reduziert sich dabei wieder auf ideale -150 °C, sodass er ein zweites Mal als Kühlmittel durch den Wärmetauscher geführt werden kann. Hat das Stickstoffgas schließlich sein Soll erfüllt, kann es zur weiteren Verwendung, weil frei von jeglichen Kontaminationen, ins werkseigene Stickstoffversorgungsnetz eingespeist werden.
Alles aus einer Hand
Um die DuoCondex-Anlage aufzustellen, waren einige Vorbereitungen erforderlich: Messer übernahm von der Planung und Konzeption, über die Ingenieurleistung und Bau bis zur Inbetriebnahme und Lieferung des Flüssigstickstoffs alles aus einer Hand. Chemetall seinerseits sorgte dafür, dass der Platz bereitet war und die Anlage auf einem soliden Fundament errichtet werden konnte. Die Investition des Unternehmens war nicht unerheblich, stand aber in einem vernünftigen Verhältnis zum finanziellen Verlust, den ein dreiwöchiger Anlagenstillstand zur Folge gehabt hätte. So gesehen, eine lohnenswerte Aktion.
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