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Steuerung schont die Börse

Kläranlage Holzkirchen spart rund 50 000 kWh Strom pro Jahr ein
Steuerung schont die Börse

In Holzkirchen haben sie einen klar formulierten Auftrag: „Wir reinigen unser Abwasser bestmöglich.“ Das Kommunalunternehmen 40 Kilometer südlich von München verfolgt mit seiner auf 50 000 Einwohnergleichwerte ausgelegten Kläranlage aber nicht nur dieses Ziel, sondern auch den Anspruch, dabei möglichst ressourcenschonend vorzugehen. Gemeinsam mit Aerzen haben die Bayern jetzt eine Gebläsetechnik in Betrieb genommen, die aus dem Blickwinkel der Energieeffizienz heraus für die gesamte Branche ein Vorbild sein könnte.

Teillast bringt den Wirkungsgrad nach unten, verschlechtert die Energieeffizienz und treibt damit die Betriebskosten nach oben. Dieser Zusammenhang gilt in allen Industrien und wirkt sich in Kläranlagen vor allem in der Biologie gravierend aus. Die elektrische Energie für den Antrieb der Gebläse verursacht etwa 80 % der Kosten in diesem Bereich der Abwasserreinigung. Wirkungsgradsteigerungen und eine wirklich passgenaue Auslegung der Gebläse an den tatsächlichen Bedarf rechnen sich also entsprechend schnell. Bleibt die Frage, wie sich der wechselnde Luftbedarf in den Belebungsbecken bestmöglich decken lässt – und dieses eben nicht zum Preis von Überdimensionierungen und ineffizienter Teillast.

Über die Kaskadierung hinaus
Jedes Gebläse erreicht nur in einem klar umrissenen Leistungsbereich seinen optimalen Betriebspunkt – und arbeitet dann mit maximaler Effizienz. Der Luftbedarf in der Biologie ist starken Schwankungen unterworfen ist. Die Leistungskaskadierung mit Aggregaten in Reihe sowie die variable Drehzahlsteuerung der Gebläseantriebe sind erste wichtige Ansätze, die Belebungsbecken bedarfsgerecht mit Sauerstoff zu versorgen. Aerzen geht mit seiner Steuerung Aersmart einen weiteren Schritt.
Indem die Steuerung im Teillastbereich auf Grundlage des benötigten Luftbedarfs unterschiedliche Gebläsetypen miteinander koordiniert, verhindert sie weitgehend die Teillast einzelner Aggregate. Vergleichbar mit einem Autopiloten, übernimmt Aersmart das komplette Steuer- und Regelmanagement einer bis zu zwölf Maschinen zählenden Verdichtergruppe. Hierbei geht diese Lösung weit über ein simples kaskadiertes Zu- oder Abschalten hinaus. Vielmehr besteht der Sinn dieser Technik darin, Gebläseanlagen mit unterschiedlichen Wirkprinzipien zu gruppieren. Die Gemeindliche Einrichtungen und Abwasser Holzkirchen (GEA) deckt zum Beispiel den Grundlastbedarf mit einem Aerzen-Turboverdichter. Der TB75-0.8S liefert dafür mit einer Motorenleistung von 60 kW einen ölfreien Volumenstrom von 2900 m3/h bei einem Differenzdruck von 0,8 bar. Wie die Bezeichnung Grundlast besagt, dient der Turboverdichter dazu, den mittleren Bedarf zu decken. Bei Spitzenlasten reicht das Gerät nicht aus und bei Niedriglasten verliert die Einheit durch den Teillastbetrieb erheblich an Wirkungsgrad.
Dieser Zusammenhang führt in Holzkirchen dazu, dass die GEA den Turboverdichter mit einem Drehkolbenverdichter aus der Aerzen-Reihe Delta Hybrid sowie zwei Delta Blowern älteren Baujahres kombiniert. Letztere waren bereits vor der Umrüstung vorhanden und dienen heute vorwiegend als Redundanz der Betriebssicherheit. Aersmart sorgt dafür, dass der Delta Hybrid dann in die Luftversorgung der Belebungsbecken einsteigt, wenn der Sauerstoffbedarf bei Schwachlast ein Niveau erreicht, bei dem der Turbo unterfordert wäre und seinen optimalen Betriebsbereich verlässt. In umgekehrter Richtung springen Delta Hybrid und Delta Blower mit ein, wenn Spitzenlasten herrschen. So ein Fall kann „besonders an heißen Sommertagen auftreten, wenn der Sauerstoffbedarf groß ist“, erklärt Betriebsleiter Markus Spallek.
Aersmart wirkt als Autopilot
Herrscht Normalbetrieb läuft das Turbogebläse im optimalen Betriebspunkt – zu sehen auf dem Display von Aersmart mit dem Zeiger im grünen Bereich. Der Blick auf die Visualisierung von Aersmart zeigt dabei eine Fördermenge von 34 m3/min. Liegt der Bedarf zwischen 28 und 16 m3 kommt der Delta Hybrid zum Einsatz. „Aersmart schaltet den Turbo ab 24 m3 weg“, berichtet Spallek. Die geforderten Luftmengen sind nach Erfahrung des Betriebsleiters aber nur ein Teil der Auslegung, weil auch die notwendigen Einblasdrücke eine Rolle spielen, welche Technik die effektivste ist. „Sind die Becken flacher und damit der Druck niedriger kann auch ein Drehkolbengebläse eine effiziente Lösung sein.“
Bei allen technischen Neuerungen und einem generellen „wir geben schon immer auf Energieeffizienz acht“, steht in Holzkirchen zunächst die Wasserqualität im Vordergrund. „Unsere Prämisse ist, Abwasser bestmöglich zu reinigen. Und dieses zu einem Preis, der möglichst kostengünstig ist. Dieser Ansatz weicht von der Industrie ab. Betriebe wollen ihre Abwässer hingegen so kostengünstig und so gut wie nötig reinigen.“ Das im südlichen Speckgürtel so auf Effizienz geachtet wird, resultiert daraus, dass der sparsame Umgang mit Ressourcen zu den Steckenpferden von Andreas Spallek zählt. Dafür setzt der gemeindeeigene Betrieb „auf vernünftige Lösungen, die die Effizienz steigern und keine technischen Spielereien.“ Dem Fachmann sei klar, dass sich Wasser nur durch einen gewissen Energieeintrag verlässlich reinigen lässt. „Durch einen guten Maschinenpark können wir es erreichen, die geforderten Luftmengen sparsam zu erzeugen.“ Folglich werden Anlagen stetig optimiert und die Energieeigennutzung verbessert.
10 000 Euro Einsparungen im Jahr
Aersmart läuft in Holzkirchen von Beginn an hervorragend – was sich in spürbaren Energieeinsparungen von rund zehn Prozent wiederspiegelt. Wie hoch das Einsparpotenzial aber letztlich als Quote ausfällt, hänge stark davon ab, wie gut die Anlage vorher arbeitete. „Wir hatten unsere Prozesse bereits optimiert. Deshalb sind für uns zehn Prozent viel.“ In Zahlen ausgedrückt: Rund 500 000 kWh elektrische Energie fließt in Holzkirchen pro Jahr in die Belebungsbecken. Die Einsparungen von 50 000 kW schonen damit spürbar den Gemeindesäckel – und zwar durch Minderausgaben von 10 000 Euro. Die jetzt installierte Lösung aus Turbogebläse und Aersmart habe sich damit nach etwa drei Jahren amortisiert.
Energiezentren von morgen?
„Der Trend wird kommen, unterschiedliche Gebläse so miteinander zu kombinieren, dass das Gesamtzusammenspiel letztlich mit einem optimalen Wirkungsgrad und maximaler Energieeffizienz die geforderten Luftmengen erzeugt“, ist Spallek überzeugt. Seiner Ansicht nach haben Abwasserbetriebe nur zwei Chancen, ihre Nachhaltigkeit zu verbessern: Energiebedarf durch den Einsatz intelligenter Technik senken und die Eigenenergieerzeugung steigern. Holzkirchen nutzt deshalb auch ein BHKW, um das im Faulturm erzeugte Klärgas zu verstromen und die Wärme für die Beheizung des Bioreaktors zu nutzen. Was für Spallek ebenfalls denkbar wäre: Eine dezentrale Verbrennung des Klärschlamms innerhalb eines Nahwärmenetzes. „Trockener Klärschlamm hat einen ähnlichen Brennwert wie Braunkohle.“ Weil es in der Entsorgungsbranche in Zukunft verstärkt darum gehen wird, Phosphat aus den Rückständen zurückzugewinnen, wären solche Lösungen prädestiniert. Kläranlagen als dezentrale Energiezentren von morgen – und das auch noch bei der Stromerzeugung grundlastfähig?

Thorsten Sienk
Freier Fachjournalist
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