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Flexible Kontrolleure

Messung radialer Temperaturprofile in der petrochemischen Industrie
Flexible Kontrolleure

Der Betrieb einer Raffinerie stellt zum Teil sehr hohe Anforderungen an die Messtechnik. Nicht nur wegen der rauen Einsatzbedingungen; auch die Ansprüche an Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Produktqualität wachsen stetig. Im flexiblen Stufenthermoelement spiegelt sich dieser Prozess wider: Diese Multipoint-Messlösung eignet sich für eine Vielzahl von Temperatur- erfassungen in der Raffinerie.

Autor Robert Torgerson Director of Technology, Global Accounts, Global Center of Excellence, Gayesco International Kai Grabenauer Produkt Manager, CoE Europe Electrical, Temperaturmesstechnik, Wika

Ein kurzer Blick zurück: Mitte der 1980er-Jahre, knapp ein Jahrzehnt nach der Ölkrise, steht die petrochemische Industrie unter wirtschaftlichem Druck. Sie ist bestrebt, den Nutzen ihrer Anlagen zu optimieren. Deswegen rüsten die Raffineriebetreiber ihre Reaktoren zunehmend mit neu entwickelten, hochaktiven Katalysatoren auf. Diese bestechen durch bessere Selektivität und Konversionsraten und erhöhen damit die Produktivität und Profitabilität. Aber sie konfrontieren die Betreiber auch mit einem Problem: In Hydrocracker-Anlagen können hochaktive Katalysatoren zu schnelleren Reaktionen führen. Eine Folge dieser exothermen Abläufe ist das „thermische Durchgehen“ oder „Runaway“. Wird es zu spät erkannt, kann ein solch sprunghaftes Ansteigen der Temperatur die metallurgischen Grenzen der Reaktorwand überschreiten und zum Totalausfall oder gar zur Zerstörung des Reaktors führen.
Dieser messtechnischen Herausforderung stehen die zu dieser Zeit in der Industrie etablierten geraden Stufenthermometer in Schutzrohren gegenüber. Deren herkömmliche Bauweise eignet sich aber nur begrenzt für die adäquate Temperaturüberwachung in Reaktoren mit der neuen Katalysatorgeneration, vor allem aus drei Gründen:
  • Reaktionszeit: Das Schutzrohr ist für die Hochdruckumgebung in Hydrocrackern und -treatern spezifiziert. Die entsprechend dickwandige Metallhülle führt jedoch zu erhöhten Ansprechzeiten des Thermometers, das daher auf ein mögliches Runaway im Reaktor zu spät reagieren würde.
  • Channeling: Dieser negative Effekt tritt entlang der meist vertikal verbauten Schutzrohre auf. Das Prozessmedium fließt wie in einem Kanal schneller durch den Reaktor und der Katalysator hat nicht die benötigte Zeit, um das Produkt zu konvertieren.
  • Örtliche Begrenzung: Die Verteilung der Messpunkte ist begrenzt. Sie beschränkt sich auf eine lineare Anordnung im Schutzrohr. In wesentlichen Bereichen des Reaktors kann also keine Temperatur gemessen werden. Nicht detektierte Hitzenester (Hot Spots) können aber die Einsatzdauer des Katalysators reduzieren oder ein thermisches Durchgehen auslösen.
Als Antwort auf diese komplexen Anforderungen beginnt Gayesco (heute ein Unternehmen der Wika-Gruppe), flexible Thermoelementsysteme zu entwickeln. Unter dem Label Flex-R werden sie seitdem den aktuellen Bedürfnissen der petrochemischen Industrie in unterschiedlichen Anwendungen in Einfach- und Mehrbettreaktoren angepasst.
Das Funktionsprinzip ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit Prozessingenieuren, Anwendern und Lizenzgebern: Eine speziell entwickelte mineralisolierte und damit sehr langlebige Mantelleitung ersetzt nicht nur das Schutzrohr, sondern ermöglicht auch eine freie räumliche Anordnung der Messpunkte. Das Ergebnis ist eine radiale Temperaturprofilmessung mit sehr kurzen Ansprechzeiten von etwa 4 bis 8 s (anstatt 3 min beim vorher üblichen Schutzrohr). Somit hat der Betreiber ausreichend Spielraum, um selbst bei drohendem Runaway die erforderlichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das System arbeitet mit einer hohen Messstellendichte.
Ohne signifikante Beeinträchtigung
Flex-R-Thermometer werden mit einer platzsparenden Hochdruck-Schraubverbindung (Radial Tap) oder einem Flansch an den Reaktor angeschlossen. Das Handling nach der Installation erfolgt ohne signifikante Beeinträchtigung des Prozesses und kommt dem Ökonomisierungsstreben der Raffineriebetreiber entge-gen. So verbleibt das Messsystem zum Beispiel bei einem Katalysatoraustausch während eines Turnarounds im Reaktor. Das Servicepersonal kann dabei die Kalibrierung des Thermoelements vor Ort vornehmen, ebenso eine evtl. nötige Reparatur der MI-Leitung im Fall einer Beschädigung der Mantelleitung im Rahmen der Katalysatorentleerung.
Wie stabil das Flex-R-System arbeitet, zeigt das erste Stufenthermometer dieser Serie, das von Gayesco 1988 im Reaktor der Shell-Raffinerie Woodriver im US-Bundesstaat Illinois installiert wurde: Alle 260 Messstellen, die auf mehreren Ebenen der Katalysatorbetten verteilt sind, arbeiten seitdem trotz mehrfachem Katalysatorwechsel ohne Probleme oder Ausfälle.
Der Nutzen radialer Temperaturmessung in einem Reaktor reicht über die Erfassung von Hot Spots – dem ursprünglichen Hauptziel des neuen Messsystems – weit hinaus. Dieselbe Instrumentierung gibt gleichzeitig Aufschluss über eine Fehlverteilung des Katalysators im Reaktor und damit über dessen Nutzungsdauer. Flexible Stufenthermometer können außerdem zur Bewertung der „Top-of-bed-peformance“ des Reaktors herangezogen gezogen werden.
Angesichts ihres Potenzials lässt sich die von Gayesco entwickelte Multipoint-Lösung auch auf andere Anwendungsbereiche in einer Raffinerie übertragen. So wird sie zum Beispiel zur Katalysatorüberwachung in Phenylethylen-Prozessen und Destillationskolonnen, zur Kontrolle der Katalysatorregeneration in Reforming-Einheiten (FCR) oder beim Fluid Catalytic Cracking (FCC) zur Temperaturmessung in Diplegs und Zyklonen installiert.
Sicherheit integriert
Seit einigen Jahren gelten weltweit verschärfte Abgasvorschriften mit entsprechenden Auswirkungen auf Qualität und Sauberkeit der Kraftstoffe – vor allem des Schwefelgehalts. Um diese Anforderungen einzuhalten, ist die Anzahl flexibler Stufenthermometer in Hydrocrackern und -treatern drastisch angestiegen. Eine solche Häufung an Messtechnik in einem Reaktor kann allerdings den Durchfluss und die Verteilung des Prozessmediums und damit die Qualität des Endprodukts Kraftstoff beeinträchtigen. Um negative Einflüsse auf die Verfahren im Reaktor zu minimieren, hat Gayesco für die Multipoint-Thermometer spezielle Montageträger mit niedrigen Bauhöhen entwickelt. Kombiniert wird dies mit dem Gayesco-eigenen Wissen bzgl. einer optimierten Verlegung der Thermoelemente im Reaktor.
Der Aufbau von Stufenthermometern zur radialen Temperaturmessung schreitet weiter voran. Aktueller Stand der Technik sind Stufenthermometer, die mit Primär- und Sekundärsicherheitssystemen am Thermoelement ausgestattet sind. Darüber hinaus werden sie mit einer Sicherheitsdruckkammer aufgebaut, die optional mit einer Drucküberwachung ausgerüstet werden kann – für den Fall eines Bruches der zuvor beschriebenen Systeme. Zusätzliche Dichtungssysteme für die Thermoelementdurchführungen sind Standard bei Gayesco. Aufgrund der unterschiedlichen Abmessungen der Thermoelemente bleibt die Langlebigkeit ein wichtiges Kriterium. Aus diesem Grund werden auf die Anwendung hin entwickelte spezielle MI-Leitungen vor Standardware bevorzugt.
prozesstechnik-online.de/cav1014451
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