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Flexible Projektabwicklung in der Automatisierung

Entkopplung von Hard- und Softwareapplikation
Flexible Projektabwicklung in der Automatisierung

In Automatisierungsprojekten kommen in der Regel Leitsystemarchitekturen mit zentralem Controller und direkt an diesen angebundenen I/O-Modulen zum Einsatz. Dadurch entstehen beim Projektengineering Abhängigkeiten, die spätere Änderungen erschweren. ABB-Select-I/O-Module kommunizieren über ein redundantes Industrial-Ethernet-I/O-Netzwerk mit dem System und ermöglichen so die Inbetriebnahme parallel zu anderen Engineering-Aufgaben.

Bei der Planung großer Projekte in der Industrie wird häufig das Design in einer relativ frühen Phase „eingefroren“ (Design Freeze). Danach können Automatisierungsingenieure ihr Design fertigstellen, die erforderliche Hardware – Controller, I/Os usw. – bestellen und mit der Anwendungsprogrammierung beginnen. Änderungen, die nach dem Design Freeze erfolgen, führen dann zu Nacharbeiten, und je später die Änderungen vorgenommen werden, desto höher sind die Kosten für die Nacharbeiten und die Wahrscheinlichkeit einer Verzögerung im Zeitplan. Für Unternehmen, die mehrere große Investitionsprojekte gleichzeitig abwickeln, an denen möglicherweise Dutzende von Unterauftragnehmern und Lieferanten beteiligt sind, können sich durch Budgetüberschreitungen und Verzögerungen erhebliche Kosten summieren.

Aus diesem Grund haben sich die Unternehmen mit Automatisierungstechnikanbietern zusammengeschlossen, um Projektdaten mit intelligenter Instrumentierung, digitalen Feldbustechnologien und ethernetbasierten I/O-Lösungen zu kombinieren, um eine automatische Konfiguration, Validierung und Prüfung von Leitsystemen einschließlich Erstellung der entsprechenden Dokumentation zu ermöglichen. Ein solcher Ansatz fördert die Entkopplung von wechselseitigen Abhängigkeiten innerhalb eines Projekts und erleichtert die parallele Ausführung von Aufgaben. Eine parallele Ausführung mit mehreren Arbeitssträngen wiederum ermöglicht einen flexibleren Umgang mit Änderungen. So kann insbesondere die I/O-Inbetriebnahme parallel zur Anwendungsentwicklung erfolgen.

Redundantes Netzwerk

Um die Inbetriebnahme von I/Os parallel zu anderen Engineering-Aufgaben zu ermöglichen, hat ABB eine Ergänzung zu den I/O-Lösungen der 800xA-Familie entwickelt. Select I/O ist eine Einkanal-I/O-Lösung für Prozess- und Sicherheitsanwendungen, die über ein redundantes Industrial-Ethernet-I/O-Netzwerk mit dem System kommuniziert. Das redundante Netzwerk hat die Eigenschaft, dass es nicht an einen bestimmten Controller gebunden ist. Select I/O bietet also mehrere Vorteile:

  • Anschlüsse können in einer frühen Projektphase vor Ort installiert und verdrahtet werden, sodass keine sperrigen Rangierschränke notwendig sind
  • viele Aspekte von Select I/O sind standardisiert, was den Testaufwand reduziert
  • die Hardware, I/Os und die Anwendung können in der Software simuliert werden

Bei traditionellen Automatisierungsprojekten wurden die Mehrkanal-I/O-Module unmittelbar nach dem Design Freeze beim Lieferanten bestellt, sodass die Schaltschrankbauer mit dem Montageprozess beginnen konnten. Späte Änderungen würden zu Nacharbeiten führen. Mit Select I/O können die Signaltypen (AI, AO, DI, DO für analoge und digitale Ein- und Ausgänge) viel später durch Hinzufügen einzelner Signalaufbereitungsmodule (Signal Conditioning Modules, SCMs) definiert werden, was die Bedeutung des Design Freeze und die finanziellen Auswirkungen von späten Änderungen mindert. Dies alles ermöglicht den Bau von standardisierten und kompakten Select-I/O-Schränken, die vorprojektiert und vorgeprüft an den Standort verschickt werden können, wo sie viel früher im Projekt installiert und verdrahtet werden können als herkömmliche Schränke.

Digitales Rangieren

Wird eine I/O in einem Ethernet-Netzwerk bereitgestellt, können alle Controller darauf zugreifen. Daher kann die I/O statt physisch mit Rangierschränken oder Querverdrahtung digital rangiert werden. Wird eine Regelanwendung, die eine Anbindung an bestimmte I/O-Signale erfordert, von einem Controller auf einen anderen verlegt, ist keine Nacharbeit erforderlich, da die I/O-Konnektivität automatisch rangiert wird, wenn der Controller seine Anwendungssoftware „kompiliert“. Dieses Konzept minimiert die Notwendigkeit von Änderungsaufträgen für den Endnutzer oder Anlagenbauer.

Engineering-Konzept

Das xStream-Engineering-Konzept basiert auf der Idee, dass mithilfe von ABB Ability System 800xA mehrere Arbeitsstränge gleichzeitig und unabhängig voneinander erfolgen können. Indem die Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Projektaufgaben reduziert werden und eine Möglichkeit für eine spätere Zusammenführung geschaffen wird, kann das Risiko einer Projektverzögerung erheblich gesenkt und die Wahrscheinlichkeit eines planmäßigen oder frühzeitigen Projektabschlusses deutlich erhöht werden. Herzstück des Konzepts ist der Ethernet I/O Wizard, ein Bestandteil der System-800xA-Engineering-Software. Dieser kann in Verbindung mit jeder Projektabwicklungsmethodik verwendet werden, eignet sich aber am besten zur Konfiguration und Funktionsprüfung von Select I/O vor Ort, und zwar vor – und getrennt von – der Bereitstellung der Projektapplikation.

Veranschaulichung des Konzepts

Zur Veranschaulichung der Funktionsweise von xStream Engineering stelle man sich zwei einfache Arbeitsstränge vor: Der eine Strang umfasst die Aufgaben, die vor Ort durchgeführt werden können, während der andere die Arbeiten an der Projektapplikation beinhaltet, die an einem anderen Standort (häufig bei ABB oder dem Systemintegrator) durchgeführt werden. Während die I/O-Schränke in einer frühen Phase des Projekts an ihren Standort geliefert werden können, werden die Schritte Konfigurieren, Prüfen und Verbinden unabhängig von der Anwendungsentwicklung vor Ort ausgeführt.

Beim Konfigurieren wird an einem bestimmten Select-I/O-Cluster der Select-I/O-Modulsockel mit dem für den I/O-Typ passenden SCM bestückt. Anschließend wird ein sogenanntes Field Kit – bestehend aus einem Laptop mit System-800xA-Engineering – an die Ethernet-I/O-Feldkommunikationsschnittstelle (FCI) angeschlossen. Die Select I/O wird automatisch gescannt und mithilfe von Daten aus der I/O-Signalliste (die u. a. den Signalnamen enthält) und Hart-Konfigurationsdaten, die in vorhandenen Feldgeräten gespeichert sind, konfiguriert. Außerdem wird automatisch eine Testkonfiguration auf der Basis des erkannten I/O-Typs erstellt, um die Funktionsprüfungen des Regelkreises zu unterstützen. Ist z. B. ein SCM vom Typ AI mit einem Hart-Messumformer verbunden, erkennt der Ethernet I/O Wizard dies automatisch, konfiguriert die I/O-Struktur und erstellt ein temporäres AI-Regelmodul für Prüfzwecke.

Prüfen und Verbinden

Nachdem die I/O konfiguriert und eine Testkonfiguration auf den Regler heruntergeladen ist, können intelligente und nicht intelligente Feldgeräte vor Ort auf ihre Funktion hin geprüft werden, während parallel die Anwendungsentwicklung in einem der ABB-Projektzentren erfolgt. Das Erstellen und Speichern der Prüf- und Nachweisdokumentation erfolgt mithilfe der Vorlagen für Loop Checks des System-800xA-Documentation-Managers.

Nach der Funktionsprüfung kann die I/O-Struktur in die Produktanwendung importiert werden, die unter Verwendung der gleichen Signalnamen wie bei der I/O-Konfiguration entwickelt wurde. Bei der Übertragung der I/O-Konfiguration in das Produktsystem werden die Signale automatisch per Soft-Marshalling rangiert, d. h. es ist kein Mapping erforderlich. Mögliche Konflikte oder fehlende I/O-Zuordnungen werden über die Signalübersicht und/oder den Ethernet I/O Wizard gemeldet und schnell korrigiert. Damit ist das System nun bereit für die Inbetriebnahme.

Die oben beschriebenen Schritte werden vor Ort vorgenommen, während der Anwendungscode bei ABB oder dem Systemintegrator konfiguriert und mit simulierter Hardware geprüft wird. Select I/O und die System-800xA-Engineering-Tools unter- stützen die Entkopplung von Aufgaben und bieten die Möglichkeit, dass zwei unabhängige Teams parallel zueinander präzise und effizient an einem gemeinsamen Ziel arbeiten können.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: cav0719abb


Autor: Ralf Jeske

Produktmanager
Prozessleitsysteme und
Instrumentierung,

ABB

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