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Bild 1: Aufbau einer Magnetkupplung
Wachsendes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung hat dazu geführt, dass verfahrenstechnische Anlagen nach strengen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften betrachtet werden. Die EU bzw. die nationale Gesetzgebung trägt dem Rechnung und hat durch die IPPC-Direktive 96/61/EC bzw. der TA-Luft 2002 die Anforderungen an die Luftreinhaltung verschärft. Unter die geforderten technisch dichten Pumpen fallen auch magnetgekuppelte Kreiselpumpen.

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Konrad

Die Betriebssicherheit beim Einsatz der hermetisch dichten Pumpen mit Magnetkupplung und damit die Vermeidung unvorhergesehener Störungen hängt im Wesentlichen vom konstruktiven Aufbau ab. Bild 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer Magnetkupplung. Das Fördermedium wird durch den Spalttopf hermetisch gegen die Atmosphäre abgedichtet, d. h. es ist keine Wellendurchführung nach außen vorhanden. Die erforderliche Antriebsleistung wird vom Motor, durch die magnetischen Kraftlinien, über die Außenmagnete auf die innere Magnetkupplung und damit auf das Laufrad übertragen. Die inneren und äußeren Magnete sind durch Feldlinien kraftschlüssig verbunden und laufen synchron zueinander. Es ist kein Schlupf vorhanden, die Motordrehzahl entspricht der Kupplungsdrehzahl.
Dadurch, dass die magnetischen Feldlinien den üblicherweise metallischen Spalttopf schneiden, entstehen durch die elektrische Leitfähigkeit des Materials Wirbelstromverluste, die sich in Wärme umsetzen und zu einem Anstieg der Temperatur des Fördermediums führen. Diese Temperaturerhöhung muss durch einen geführten Zirkulationsstrom abgeführt werden und ist besonders dann kritisch, wenn Medien nahe dem Siedepunkt gefördert werden sollen und es zu einer Verdampfung im Spalttopfraum kommen kann. Dies hat den Abriss des Zirkulationsstromes zur Folge. Es kommt zum Trockenlauf, der, wenn keine Spalttopftemperaturüberwachung vorgesehen ist, innerhalb weniger Minuten eine Temperaturerhöhung von mehr als 300 °C bewirkt und zur Entmagnetisierung der Dauermagnete sowie zum Totalschaden der Gleitlagerung führt, da der Achsschubausgleich nicht mehr gewährleistet ist.
Nicht leitfähige Werkstoffe
Um die Wirbelströme zu vermeiden, sollte der Spalttopfwerkstoff am besten gar keine elektrische Leitfähigkeit besitzen. Dies ist bei den bisher technisch umgesetzten Kunststoff- und Keramikspalttöpfen der Fall. Der Nachteil dieser Konstruktionen liegt in dem großen Abstand zwischen Innen- und Außenmagnet, der aufgrund der Materialstärke entweder aus fertigungstechnischen Gründen – wegen des mehrlagigen Aufbaus des Kunststoffes – oder aus betriebstechnischen Gründen – wegen der bisher notwendig geglaubten Druckfestigkeit des zylindrischen Teils der Keramik – erforderlich ist bzw. war. Das übertragbare Drehmoment ist stark abhängig vom Luftspalt zwischen Innen- und Außenmagnet bzw. vom Verhältnis Luftspalt zum Durchmesser des Innenmagnetes. Zu berücksichtigen sind weiterhin die Reibungsverluste zwischen Spalttopf und Innenmagnet. Je geringer der Spalt, desto höher die Verluste. Die konstruktive Ideallösung wäre ein wahlweiser Einbau eines verlustfreien Keramikspalttopfes oder eines metallischen Spalttopfes, abhängig von den Einsatzbedingungen, unter Beibehaltung der Innen- und Außenmagnete sowie der umliegenden Gehäuseteile.
Weiterentwickelte Konstruktion
Die Firmen Dickow und Friatec, beide mittlerweile marktführend in der Anwendung und Herstellung keramischer Spalttöpfe für Kreiselpumpen, haben gemeinsam die bestehende Konstruktion so überarbeitet, dass ein problemloser Austausch beider Werkstoffvarianten möglich ist. Als Werkstoff wird ein mit MgO teilstabilisierter Zirkoniumdioxid (ZrO2), umgangssprachlich Zirkonoxid, aus der Gruppe der Oxidkeramiken eingesetzt. Für ZrO2 spricht seine hohe Bruchzähigkeit, Verschleißfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit, die niedrige Wärmeleitfähigkeit und gute Temperaturwechselbeständigkeit, die dem Gusseisen ähnliche Wärmedehnung und das stahlähnliche E-Modul.
Mithilfe einer numerischen Beanspruchungsermittlung an verschiedenen Kons-truktionsvarianten unter vorgegebener Last- und Randbedingungen konnten die idealen Abmessungen ermittelt und umgesetzt werden. Dabei stellte sich heraus, dass zwar die Wandstärke des zylindrischen Teils des Spalttopfes in die maximale Druckbelastung mit einfließt, aber nicht ausschlaggebend ist. Viel wichtiger sind die konstruktiven Ausführungen der Übergänge zum Klöpperboden und Flanschansatz (Bild 2). Eine praktische Überprüfung der rechnerisch ermittelten Daten wurde durch eine Druckprüfung mit und ohne Temperatureinfluss von Raumtemperatur bis 250 °C und durch Beaufschlagung unterschiedlich hoher Druckstöße durchgeführt. Der Bestdruck lag bei allen Versuchen oberhalb von 40 bar.
Keramische Bauteile setzen keramikgerecht konstruierte Verbindungsstellen voraus. Nur dann lassen sich die Vorteile komplett ausnutzen und eine lange Lebensdauer ist gewährleistet. Wichtige Kriterien gemäß Bild 3 sind:
  • Die Montagevorspannkräfte der Schrauben sollten über eine indirekte Krafteinleitung in den Keramikspalttopf übertragen werden.
  • Stoß- und Schlagbeanspruchungen während der Montage und Demontage der Lagerträgereinheit sollten vermieden werden. Dies gewährleisten die Führungsbolzen (S4 < S1).
  • Große Kontaktflächen ohne spitze Kanten und schroffe Querschnittsübergänge, unterstützt durch beidseitig eingelegte elastische Dichtungen.
  • Unterschiedliche fertigungsbedingte Oberflächenrauigkeiten werden durch elastische Zwischenlagen ausgeglichen.
Weites Einsatzgebiet
Mittlerweile sind weit über 700 Keramikspalttöpfe in zwei Durchmesserstufen und drei Längen (Bild 4) für die unterschiedlichsten Fördermedien, z. B. Wärmeträgeröl bis 350 °C, Schweröl bis 160 °C, Methanol, Acrylamid, Propan, Ethylenoxid, Salpetersäure, Phenol usw. im Einsatz. Der maximale Betriebsdruck beträgt 16 bar, der Temperatureinsatzbereich liegt zwischen -30 und +250 °C. Jeder Spalttopf wird vor der Auslieferung mit einem Prüfdruck von 24 bar abgedrückt. Seinen großen Vorteil spielt der keramische Spalttopf bei Wärmeträgerumwälzpumpen in Blockausführung (Bild 5) aus. Zwischen dem Spiralgehäuse und der Magnetkupplung ist ein Kühlstück angeordnet, das durch Wärmeabstrahlung an die Umgebung dafür sorgt, dass die Temperatur im Spalttopfbereich unterhalb von 250 °C liegt. Durch die fehlende innere Zirkulation können auch keine Feststoffe aus dem Rohrleitungssystem, z. B. Zunder oder Schweißperlen, in den Magnetraum gelangen. Wie oben schon erklärt, muss die beim Einsatz von metallischen Spalttöpfen entstehende Temperaturerhöhung abgeführt werden. Bei kleineren magnetischen Verlustleistungen reicht die Abstrahlung an die Atmosphäre aus, ansonsten muss diese durch eine geführte Zirkulation, über einen extern angeordneten Etagenkühler, abgeführt werden. Die Anordnung des Etagenkühlers ist bei Pumpen in Blockausführung, wegen der beengten Platzverhältnisse, nur mit großem Aufwand möglich. Der Einsatz eines Keramikspalttopfes schöpft alle Vorteile der Blockausführung im Thermalölbereich kostengünstig und montagefreundlich für den Betreiber aus.
Ein weiteres Plus für den Keramikspalttopfes ist seine Verschleißbeständigkeit. Nach zweijähriger Betriebszeit wurden mehrere Pumpen zur Revision ins Werk geschickt. Fördermedium war 110 °C heißes Öl mit ca. 5 % Bleicherdeanteil. Sämtliche strömungsführenden Bauteile, internen Zirkulationskanäle und enge Spalte waren mehr oder weniger ausgespült oder ausgeschliffen. Am Keramikspalttopf konnten keinerlei Verschleißspuren festgestellt werden. Er konnte in die instandgesetzte Pumpe wieder eingebaut werden.
Auch hinsichtlich der Explosionsschutzrichtlinie 94/9/EG gibt es keine Einschränkungen, den Keramikspalttopf in ein Gerät der Gruppe II, Kategorie 2 für den Einsatz in Zone 1 einzubauen. Der günstige E-Modul von 2 x 105 N/mm2 bewirkt, dass eine gewisse Elastizität vorhanden ist. Dass durch eine ausgeschlagene Wälzlagerung der Außenmagnet am Keramikspalttopf anläuft, wird durch den Anlaufring und der Spaltgeometrie S3 << S1 (Bild 3) abgefangen. Durch den Oberflächenwiderstand Ro von 2,5 x 1015 Ω sind Maßnahmen zur Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladung notwendig. Durch die konstruktive Gestaltung der Verbindungsstellen ist eine Ableitfähigkeit des Keramikspalttopfes gewährleistet.
cav 438

Weitere Informationen zum Pumpenprogramm von Dickow
Harry Schommer: Sealless magnetic driven Centrifugal- and Side channel Pumps
Magnetkupplungspumpen von Friatec
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