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Funktionsintegration schafft neue Möglichkeiten

Proportionalventile als interessante Alternative
Funktionsintegration schafft neue Möglichkeiten

Neue Automatisierungsprodukte ermöglichen auch die Umsetzung von bekannten Prozessschritten z. B. in der Biotech-/Pharmaproduktion durch Funktionsintegration. Dadurch können signifikante Einsparungen bei der Erstinstallation, bei Umrüstungen, aber auch im laufenden Betrieb der Anlagen erzielt werden. Und dies nicht nur in der eigentlichen technischen Umsetzung, sondern auch durch reduzierte Anforderungen an die für die Produktion erforderliche Infrastruktur. Das von einem führenden Pharmaunternehmen in Zusammenarbeit mit Festo entwickelte Konzept ist ein eindrucksvolles Beispiel hierfür.

Oftmals besteht in chemischen, pharmazeutischen oder biotechnologischen Produktionsanlagen die Notwendigkeit, Tanks, Reaktoren, Fermenter, Mischer und andere Prozessapparate zu inertisieren und darüber hinaus verschiedene Funktionen bis hin zum Transfer des Materials durch Überdruck in nachfolgende Verarbeitungsschritte umzusetzen. Die damit verbundenen Anforderungen an Einrichtungen zur Druck- und Durchflussregelung sind

  • Inertisieren, d. h. kompletter Austausch des enthaltenen Gasvolumens (ungeregelt, hoher Durchfluss) eines Behälters
  • Drucküberlagerung (Druckregelung)
  • Überströmen in Behältern und Prozessapparaten im laufenden Syntheseprozess (Durchflussregelung)
  • Materialtransfer, z. B. zu einer Zentrifuge
Die Vielfalt der Aufgabe wird weiterhin erhöht, wenn man berücksichtigt, dass u. U. dies noch für verschiedene Druckstufen umzusetzen ist und weiterhin noch unterschiedliche Gase in die Anlage für die verschiedenen Aufgaben eingebracht werden müssen. Traditionell werden hierfür Regelventile direkt am Kessel installiert, für die jeweilige Aufgabe mit der entsprechend erforderlichen Infrastruktur (Rohrleitungen, Regelventile am Kessel, Sensorik, I/Os im jeweiligen Automatisierungssystem).
Kompakt und wirtschaftlich
Die Proportionalventiltechnik stellt eine interessante Alternative für die Regelung von inerten Gasen im Vergleich zur traditionellen Automatisierung dar, vor allem für modular aufgebaute Anlagen, die dezentrale Automatisierungsstrukturen erfordern. Die bisherige Lösung bestand aus klassischen Regelventilen, Durchfluss- und Druckmessgeräten direkt am Reaktor in Ex-Zone 2 oder 1.
In der neuen Lösung, die in enger Abstimmung mit dem Endanwender erarbeitet wurde, werden diese Komponenten dezentral in einem Schaltschrank außerhalb des Ex-Bereiches installiert. So konnte wertvoller Platz im Reinraum des neuen Technikums des Anwenders gespart werden. Statt der bisherigen Regelventile kommen Proportionalventile von Festo zum Einsatz. Da sich jeweils zwei Reaktoren in einem Reaktorraum befinden, wurde aufgrund der räumlichen Nähe eine sogenannte Inertgasstation für jeweils zwei Reaktoren ausgelegt. Pro Behälter sind ein Ventil für Argon und zwei für Stickstoff vorgesehen. Das erste Ventil hat einen Druckbereich von 0 bis 2 bar, das zweite einen Druckbereich von 0 bis 6 bar. Die 0-2-bar-Variante ermöglicht eine genauere Regelung bei kleineren Drücken und Durchflusswerten, während sich mit der 0-6-bar-Variante deutlich höhere Durchflusswerte realisieren lassen. Je nach Funktion können die beiden Ventile auch hintereinander geschaltet werden – erst schnell füllen und danach präzise regeln. Damit kann einerseits die gewünschte Genauigkeit bei der Drucküberlagerung gewährleistet werden, andererseits können ausreichend große Durchflüsse beim Inertisieren erreicht werden, für die höhere Ausgangsdrücke erforderlich sind. Zusätzlich wurde ein Ventil zur Steuerung des Versorgungsdrucks der Gleitringdichtung des Rührwerks installiert. Hier werden oftmals nur manuelle Druckregler eingesetzt.
Alle Komponenten auf einer Backplane
Die Proportionaldruckregelventile sind auf der Ventilinsel MPA integriert. Zusammen mit den Remote-I/O-Baugruppen sitzen alle Komponenten auf einer Backplane und bilden die Automatisierungsplattform CPX. Die Durchflusssensoren sind ebenfalls in dem Schaltschrank integriert und liefern ihre Signale direkt an die Analogmodule der CPX. Ein ebenfalls integriertes Modul zur Druckerfassung übernimmt die Messung der Vordrücke im betreffenden Anlagenteil. Den erreichten Druck erfasst das Proportionalventil direkt und meldet auch bei der Nichterreichung des erforderlichen Ausgangsdruckes dies als Störung zurück. Diese umfassende Überwachung stellt einen deutlichen Gewinn an Diagnosemöglichkeiten gegenüber dem bisherigen Ansatz dar, bei dem nur am zentralen Druckminderer ein Druckschalter für die gesamte Anlage installiert wurde. Gleichzeitig reduziert die Zusammenlegung der Funktionen für zwei Reaktoren auf einer Ventilinsel die Anschaffungs- und Installationskosten erheblich.
Einbindung in das Leitsystem
Im Rahmen des realisierten Projektes sind die Inertgasstationen an ein Siemens-PCS-7-System angebunden. Die Bedienstation wurde als dezentrale Einheit ausgelegt, von der aus sich zwei Reaktoren in einem Reaktorraum bedienen lassen. Proportionalventile, Ventilinseln und die I/O-Module sitzen auf einer Backplane und sind über Profinet an die überlagerte Steuerung angebunden. Für die Integration in das Leitsystem stehen umfangreiche Treiberbibliotheken zur Verfügung. Die Rack- und Modultreiber werden von der Leitsystemsoftware automatisch im Programm eingebaut und verschaltet. Es sind keine Eingriffe durch den Programmersteller erforderlich. Da die Treiberbausteine kostenfrei als Download zur Verfügung stehen, erfordert die Automatisierungsplattform CPX bei der Konfiguration keinen Mehraufwand im Vergleich zu der Konfiguration der herstellereigenen Remote I/Os.
Mehrwert über vollen Lebenszyklus
Bei der Funktionsintegration werden sämtliche o. g. Funktionen, die traditionell über separate Regelventile, Druck- und Durchflussmessungen für einzelne Kessel umgesetzt werden, durch die beschriebenen Inertgasstationen realisiert. Die Vorteile liegen klar auf der Hand:
  • Einsparung der erforderlichen Remote- I/O-Kanäle für Ansteuerung und Rückmeldungen
  • Kompaktere Bauweise, die ein erheblicher Vorteil in beengten Produktionsumgebungen ist und Kosteneinsparungen ermöglicht
  • Reduzierung der erforderlichen Infrastruktur für die Versorgung der Anlage mit verschiedenen Gasarten und Druckstufen
  • Verbesserte Diagnosefähigkeit einzelner Komponenten und des Gesamtsystems
  • Reduzierung der Wartungskosten über den Lebenszyklus der Anlage, da die Anforderungen an die Infrastruktur (z. B. Remote I/Os) deutlich abnehmen
  • Verbesserte Zugänglichkeit der Komponenten im Schaltschrank
  • Verschlauchung statt Verrohrung ist möglich für kleine Nennweiten mit entsprechenden Kosteneinsparungen
Eine quantitative Bewertung der Einsparungen kann ebenfalls erfolgen, z. B. durch das Tool des ZVEI zum Vergleich von Alternativtechnologien in Bezug auf deren Wirtschaftlichkeit und monetäre Auswirkungen. Das Excel-basierte Werkzeug kann kostenfrei auf der Webseite des ZVEI heruntergeladen werden und ermöglicht die Abbildung des gesamten Lebenszyklus einer Anlage und deren betriebswirtschaftlichen Kostenkategorien, wie z. B. Personal, Energie, Material. Der Barwert der gesamten Lebenszykluskosten wird über einen parametrierbaren Diskontierungssatz ermittelt, weiterhin sind Sensitivitätsanalysen (Diskontierungssatz, Anteil der Wartungskosten) einfach möglich.
Verbesserte Betriebsführung
Das Beispiel zeigt deutlich die Vorteile der Funktionsintegration in dieser konservativen Abschätzung. Durch diese neue Anwendung können Einsparungen in Bezug auf die jeweils zu realisierende Funktion von bis zu 50 % der Investitionskosten erzielt werden. In der Regel ergeben sich bei der Funktionsintegration weitere Vorteile wie z. B. geringere Wartungskosten, bessere Diagnosemöglichkeiten und damit eine verbesserte Betriebsführung der Anlagen. Letztere sind nur schwer monetär zu bewerten. Die erforderlichen Eingabedaten des Tools können anwenderspezifisch leicht angepasst werden.

Dr. Eckhard Roos
Leitung KAM und Industry Segment Management Prozessautomation,
Festo
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