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Ganz ohne Draht

Zuverlässige und sichere Funktechnik für das industrielle Umfeld
Ganz ohne Draht

Bei Anlagen in der Prozesstechnik sind Nutzungszeiten von 25 oder 30 Jahren keine Seltenheit. Dadurch sind Anlagenerweiterungen und Instandhaltungen an der Tagesordnung. Die Erfassung entfernter Sensoren ist oft nur mit hohem Aufwand möglich. Lange Kabelwege, diverse Hindernisse sowie schwieriges Gelände verursachen hohe Installationskosten. Die unflexiblen Verdrahtungen sowie die unzureichende Mobilität sind weitere Gründe, die das Thema Funk für viele Anwender interessant machen.

Dipl.-Ing. Frank Hakemeyer

In bewegten Applikationen, zum Beispiel rotierenden Anlagen oder fahrenden Objekten, kann eine Funkstrecke die Signalübertragung auf einfache Art und Weise lösen. Schleifringe und Schleppketten hingegen sind aufwendig, teuer und wartungsintensiv. Auch Messwerte, die nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend benötigt werden, lassen sich mit geringem wirtschaftlichem und zeitlichem Aufwand mit einer Funkstrecke erfassen. Obwohl die Funktechnik ein hohes Einsparpotenzial für Anlagen der Prozesstechnik bietet, sind viele Anwender noch skeptisch. Vorbehalte in Bezug auf Funktionstüchtigkeit und Zuverlässigkeit sind nicht zuletzt durch die unsichtbare Wirkungsweise der Funkwelle tief verwurzelt. Erste Anlagenteile werden daher versuchsweise oder in Einzelanwendungen bei diversen Endanwendern getestet. Hier sind Kabelersatzsysteme – wie die RAD-Line I/O-Famile von Phoenix Contact – einfache und wirkungsvolle Problemlöser. Viele Anlagenbetreiber sammeln zurzeit erste Erfahrungen mit industrieller Funktechnik und machen sich mit den Besonderheiten dieser neuen Technologie vertraut. Ähnlich wie bei der Lichtwellenleitertechnik (LWL-Technik) müssen die Anwender den richtigen Umgang mit der Technologie erst erlernen. Als Beispiel seien hier die besonderen Verlegevorschriften einer LWL-Leitung genannt, wie Mindestbiegeradien einhalten und Faser-enden polieren. So ist bei der Funktechnik zum Beispiel der Umgang mit der Reichweite eine Besonderheit. Die effektive Reichweite eines Funksystems ist abhängig von zahlreichen Applikationsparametern, so dass eine Interpretation durch den Endanwender häufig aufgrund mangelnder Erfahrungen nicht möglich ist. Eine Funktechnik kann unter optimalen Bedingungen bis zu einer Reichweite von 10 km zuverlässig funktionieren. Dasselbe System kann aber auch nach 100 m schon an seine Grenzen stoßen. Diese extreme Bandbreite, die für einen technischen Parameter ungewöhnlich ist, ist physikalisch bedingt. Umgebungsbedingungen wie Sichtverbindung, Ausprägung der Fresnel-Zone, Dämpfung durch Reflektionen sowie Streuungen und Beugungen sind Faktoren, die die erzielbare Reichweite beeinflussen. Eine sichere Aussage zur Machbarkeit einer Funkstrecke kann daher nicht in jedem Falle getroffen werden. Erst ein Feldtest liefert die Messparameter und damit eine verlässliche Aussage zur Qualität der Funkstrecke. Dieser Unsicherheitsfaktor, der für viele Anwender ein Problem darstellt, ist immanenter Bestandteil der Funktechnik. Hat der Anwender hingegen seine ersten Erfahrungen gemacht, lernt er mit den Randbedingungen schnell die zahlreichen Vorzüge der Funktechnik kennen und schätzen.
Ist die Zukunft wireless?
Bei US-amerikanischen Anwendern ist die Akzeptanz der Funktechnologie deutlich höher als bei uns. Dies lässt sich anhand von Verkaufszahlen, aber auch durch die Aktivitäten unterschiedlicher Arbeits- und Nutzergruppen belegen. Insbesondere dort, wo sich die Punkt-zu-Punkt-Verbindung von einem Kabelersatz zu einem drahtlosen Netzwerk entwickelt, werden die Ansprüche an das Verhalten solcher Funknetzwerke komplexer und die Forderung nach offenen Standards immer deutlicher. Beispiele dafür sind die ISA SP100 sowie die Wireless Hart Group. Beide Interessengruppen arbeiten unter anderem an der Standardisierung von drahtlosen Sensor-Netzwerken: die SP100 mit starkem Fokus auf die allgemeine Prozesstechnik, die Wireless Hart Group unter Berücksichtigung des weltweiten Hart-Standards. Während der Arbeit dieser Interessengruppen wurde schnell deutlich, dass ein Sensornetzwerk mit Funktechnik nur dann sinnvoll ist, wenn bei der Anbindung des Sensors vollständig auf Kabel verzichtet werden kann. Neben der reinen Funkübertragung muss dann auch die Energieversorgung vom Netz unabhängig sein. Hier werden bereits zahlreiche Forschungen im Bereich des sogenannten „Energy Harvesting“ betrieben. Dabei geht es um das Einsammeln von Energie aus der Prozessumgebung – zum Beispiel durch Solarenergie, Bewegungsenergie, Schwingungsenergie oder auch thermischer Energie. Erste Energieerzeuger, die auf Basis dieser Energiearten arbeiten, sind bereits im Test oder auch schon als Produkt verfügbar.
Mit hoher Reichweite
Die Zeitschlitztechnik des Lizenzfunks sowie die Mobilfunktechnik im GSM-Band konkurrieren mit lizenz- und gebührenfreien Lösungen. Dazu zählen die sogenannten ISM-Bänder (Industrial, Scientific, Medical) mit den Frequenzen 433, 868 und 2400 MHz. Bluetooth und WLAN sind Standardtechnologien, die ihren Ursprung in der Bürowelt haben. Trotz industriespezifischer Verbesserungen decken sie noch lange nicht alle Anforderungen der Prozesstechnik ab. Mit Trusted Wireless hat Phoenix Contact eine spezielle Industriefunktechnologie entwickelt, die für Pro-zessapplikationen optimiert ist. Die in den lizenzfreien Frequenzbändern 900 MHz und 2,4 GHz arbeitende Technik bietet eine hohe Zuverlässigkeit und Robustheit. Sie zeichnet sich weiterhin aus durch hohe Reichweiten, gute Interferenz- und Koexistenzeigenschaften sowie sehr gute Diagnosemöglichkeiten. Die Grundlage der Trusted-Wireless-Funktechnik ist ein Frequenzsprungverfahren (FHSS = frequency hopping spred spectrum). Bei einem solchen Verfahren werden die Funkübertragungen auf verschiedenen, schmalbandigen Funkkanälen durchgeführt. Dabei wechseln Sender und Empfänger kontinuierlich die Übertragungsfrequenz. Die verwendeten Frequenzen und die Reihenfolge, in der sie benutzt werden, bilden das sogenannte Sprungmuster. Dieses Sprungmuster ist pseudozufällig und nur dem Sender und dem Empfänger bekannt. Dadurch lässt sich die Kommunikation zwischen zwei Geräten von außen nicht verfolgen. Durch den ständigen Wechsel der Funkfrequenz können zudem Störungen sehr gut toleriert werden. Ein schmalbandiges Störsignal kann nur eine oder einige wenige benachbarte Frequenzen stören, wodurch möglicherweise ein Kommunikationszyklus behindert wird. Die Funktechnik wechselt beim nächsten Kommunikationszyklus auf eine andere Funkfrequenz und weicht damit dem Störsignal aus. Die Trusted-Wireless-Funktechnik kann dabei je nach Anwendung auf bis zu 830 einzelne Funkfrequenzen zurückgreifen, die pseudozufällig und über das ganze Band verteilt angesprungen werden.
Koexistenz mehrerer Systeme
Die Koexistenz mehrerer Trusted-Wireless-Systeme nebeneinander ist hervorragend, da die Systeme nicht alle zur Verfügung stehende Frequenzen, sondern nur ein Subset davon verwenden. Außerdem wird die Reihenfolge der benutzten Frequenzen so variiert, dass das Sprungmuster eines Systems einmalig ist. Dadurch lassen sich sehr viele Systeme parallel in räumlicher Nähe betreiben, ohne einander signifikant zu stören. Die Trusted-Wireless-Funktechnik verhält sich zudem freundlich zu anderen Funksystemen, da sie zum einen sehr schmalbandige Sendefrequenzen nutzt, so dass andere Frequenzspringer (z. B. Bluetooth) problemlos parallel arbeiten können. Zum anderen können Sendefrequenzen oder Frequenzbereiche von der Nutzung ausgeschlossen werden, so dass sich Trusted Wireless auch problemlos zu WLAN-Systemen betreiben lässt. Die Zuverlässigkeit der Funktechnik wird durch spezielle Softwaremechanismen im Protokoll weiter gesteigert. Die Kommunikationspakete werden dazu mit Sende- und Zieladressen versehen, die die Verwendung fälschlich empfangener Pakete verhindern. Die Trusted-Wireless-Funktechnik wurde optimiert für mittlere und große Reichweiten. Erzielbar sind bei Verwendung geeigneter Antennen und unter Einhaltung der jeweils gesetzlichen Richtlinien und Maximalwerte folgende Distanzen: Im 900-MHz-Band bei 1 W Sendeleistung 25 km, im 2,4-GHz-Band bei 10/100 mW 3 km. Diese Werte können je nach Applikation deutlich unter- oder überschritten werden. Bei seinen Funksystemen RAD-ISM-2400 setzt Phoenix Contact auf Trusted Wireless.
Zuverlässige Signalübertragung
Die RAD-ISM-2400-Systeme übertragen analoge und digitale Signale zuverlässig über eine Distanz von einigen hundert Metern bis zu einigen Kilometern – auch im Ex-Bereich für Zone 1 und 2. Das unidirektionale System RAD-ISM-2400-SET-UD-ANT sendet ein analoges Stromsignal sowie zwei digitale Signale zum Empfangsgerät. Das System benötigt weder Programmierung noch Parametrierung und bietet verschiedene Möglichkeiten zur Diagnose der Funkstrecke. Es eignet sich zur Erfassung oder Steuerung entfernt gelegener Sensoren und Aktoren. Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und Mehrempfängersysteme sind ebenfalls möglich. Das bidirektionale System RAD-ISM-2400-SET-BD-BUS-ANT überträgt in beide Richtungen. Einfaches Anreihen von Erweiterungsmodulen über den integrierten Busfuß erhöht die Anzahl übertragbarer Signale. Repeater überwinden Funkhindernisse und vergrößern die Reichweite. Mit dem System können Punkt- zu-Punkt-Verbindungen mit und ohne Repeater so- wie Mehrempfängersysteme aufgebaut werden. Das serielle System RAD-ISM-2400-DATA-BD ermöglicht auch die Übertragung von RS232- und RS422/485- Schnittstellen mit der Trusted Wireless-Technik. Damit können drahtlose Netzwerke mit bis zu 255 Teilnehmern aufgebaut werden.
Die ersten Schritte in Richtung Übertragungsmedium Funk im industriellen Umfeld sind demnach bereits gemacht. Anwender lernen mit der neuen Technik umzugehen und von den Vorzügen zu profitieren. Die Funktechnik wird nicht die kabelgebundenen Installationen vollständig ersetzen. Die Funktechnik wird aber das Kabel dort auf ideale Weise ergänzen, wo sie sich sinnvoll und wirtschaftlich einsetzen lässt.
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