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Homogenkatalysatoren im Industriemaßstab

Maßgeschneiderte Ligandensysteme vereinfachen die Synthese von Feinchemikalien
Homogenkatalysatoren im Industriemaßstab

Die Herstellung von Homogenkatalysatoren erfordert eine aufwändige und komplexe Chemie. Dies ist der Hauptgrund dafür, dass bislang kaum Liganden bzw. Homogenkatalysatoren für Spezialchemie-Anwendungen in kommerziellen Mengen zur Verfügung stehen. Das neugegründete interne Start-up Degussa Homogeneous Catalysts vermarktet jetzt eine Reihe von Produkten und Technologien, die im Degussa-Projekthaus Katalyse entwickelt wurden.

Antje Gerber

Effiziente großtechnische katalytische Prozesse sind vor allem im Bereich der Erdölverarbeitung sowie bei der Herstellung von Basischemikalien im großtechnischen Maßstab etabliert. Bei der Produktion von Feinchemikalien, von denen in Summe weltweit jährlich mehr als zehn Millionen Tonnen hergestellt werden, sind sie dagegen bislang eher noch selten. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass Time to market in diesem Segment ein größeres Gewicht hat als die bis ins Detail optimierten Herstellungsverfahren, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer möglichst hohen Ausbeute. Feinchemikalien finden aufgrund ihrer Funktionalität Anwendung als Polymeradditive und -stabilisatoren, werden als Farbstoffe, Vitamine oder Aromastoffe genutzt und sind wichtige Bausteine sowie die Wirkstoffe in allen synthetisch hergestellten Pflanzenschutzmittel und Pharmazeutika.
Großer Bedarf in der Feinchemie
Auch heute noch werden viele Synthesen von Feinchemikalien mittels klassischer organischer Reaktionen durchgeführt, die zum Teil seit über 100 Jahren etabliert sind. Dazu gehören Nitrierungen, Hydrolysen, Friedel-Crafts-Reaktionen und Halogenierungen. Nachteilig an diesen Wegen ist der Anfall von stöchiometrischen – häufig sogar überstöchiometrischen – Mengen von Salzen, die abgetrennt und entsorgt werden müssen. Zudem sind häufig umständliche Schutzgruppentechniken notwendig, wie z. B. Halogenierungen und Dehalogenierungen, die zur chemo- und regiospezifischen Einführung einer Funktionalität gebraucht werden. Daher führen diese konventionellen Produktionsprozesse oft zu mehreren Tonnen Abfall pro Tonne Zielprodukt. Bei Wirkstoffen für Medikamente oder Pflanzenschutzmitteln fällt im Vergleich zum Zielprodukt mitunter das Hundertfache an Abfall an. Vor diesem Hintergrund und unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit gibt es einen großen Bedarf an innovativen und möglichst universell einsetzbaren katalytischen Methoden für neue umweltfreundliche Feinchemikalienprozesse (Green Chemistry). Insbesondere enantioselektive Verfahren für die Herstellung enantiomerenreiner Substanzen sind ein wesentliches Ziel, da die mehr als 80 % der derzeit in der Entwicklung befindlichen pharmazeutischen Wirkstoffe chirale Verbindungen sind.
Unter verschiedenen Synthesemöglichkeiten ist die asymmetrische Katalyse in vielen Fällen das ökonomisch und ökologisch vorteilhafteste Verfahren. In diesem Bereich dominieren derzeit homogene chemo- und biokatalytische Methoden. In industriellen Prozessen kommen sie aber noch viel zu wenig zum Einsatz – trotz intensiver Forschung (Bild 1). Grund ist zum einen die mangelnde kommerzielle Verfügbarkeit der für die Homogenkatalyse erforderlichen Liganden. Zum anderen genügt die Mehrzahl der bekannten asymmetrischen Reaktionen hinsichtlich Katalysatorproduktivitäten (TON) und -aktivitäten (TOF) noch nicht den industriellen Ansprüchen.
Umfangreiche Produktpalette
Diese Lücke schließt nun Degussa Homogeneous Catalysts, ein neues internes Start-up der Degussa AG, Düsseldorf, in Hanau-Wolfgang, das die im Degussa-Projekthaus Katalyse entwickelten Produkte und Technologien im Bereich Homogenkatalyse seit Januar 2004 vermarktet. Die Produktpalette umfasst Liganden sowie Metallkomplex-Katalysatoren, die zum Teil schon in kommerziellen Mengen verfügbar sind. Darüber hinaus bietet das interne Start-up Dienstleistungen zum schnellen Aufspüren homogener Katalysatoren an. Interessant sind die Produkte und Services vor allem für die Pharmabranche, da sie unter anderem den Zugang zu enantiomerenreinen Wirkstoffen wesentlich verbessern. Bereits heute ist Degussa einer der führenden Anbieter von heterogenen Katalysatoren und verfügt ebenfalls über weit reichende Erfahrung beim Einsatz von Biokatalysatoren.
Der Bereich Dienstleistungen beinhaltet Screening und Testung von Katalysatoren mit den vom Projekthaus entwickelten Hochdurchsatz- und kombinatorischen Methoden sowie die Nutzung der Degussa-eigenen Katalysatorbibliothek, die mehrere tausend Katalysatoren für das Screening umfasst.
Enantiomerenreine Wirkstoffe durch asymmetrische Katalyse
Im Bereich Liganden vermarktet Degussa Homogeneous Catalysts derzeit zehn patentierte Produktfamilien, unter anderem für asymmetrische Hydrierungen und Palladium-katalysierte Kupplungsreaktionen. Beispiele sind die beiden Liganden cataCXium A und catASium M, (Bild 2), die gemeinsam mit dem Institut für Organische Katalyse an der Universität Rostock (IfOK) entwickelt wurden.
cataCXium A hat sich in zahlreichen Reaktionen beispielsweise für Suzuki-Kupplungen mit Chloraromaten als hervorragender Ligand bewährt. So werden für die Umsetzung von Phenylborsäure mit verschiedenen Chloraromaten Katalysatorumsatzzahlen (TON; mol Produkt/mol Katalysator) von bis zu 20 000 erreicht.
Die catASium M-Liganden erlauben die industrielle Anwendung der asymmetrischen Hydrierung. Sie zeichnen sich durch sehr hohe Aktivitäten und Selektivitäten in zahlreichen asymmetrischen Hydrierungen aus und sind anderen Liganden bei vielen Standardreaktionen überlegen. In der Rhodium-katalysierten asymmetrischen Hydrierung lassen sich mit catASium M bei einem Wasserstoffdruck von nur einer Atmosphäre exzellente Enantioselektivitäten erzielen. So wurde beispielsweise eine TON von 20 000 und eine TOF von 4000 h-1 für die Hydrierung eines Itaconsäurederivats (Bild 3) bei einem Enantiomerenüberschuss von >95 % ee erreicht.
Ein zweites Beispiel ist die einstufige asymmetrische reduktive Aminierung, die Degussa ebenfalls mit dem IfOK entwickelt hat. Diese Reaktion erlaubt die direkte Umsetzung von Ketonen mit Aminen oder Ammoniak zu enantiomerenreinen Aminen mit Hilfe des Liganden catASium D (Bild 4). Da enantiomerenreine Amine zur Herstellung von zahlreichen pharmazeutischen und agrochemischen Wirkstoffen benötigt werden, ist diese neue Reaktion für den Feinchemiemarkt von großem Interesse.
Palladiumkatalysierte C–C-Verknüpfungen
Aber nicht nur in asymmetrischen Prozessen, sondern auch bei palladiumkatalysierten C–C-Kupplungsreaktionen, die vielfach zur Synthese von Wirkstoffen und Wirkstoffintermediaten eingesetzt werden, sind hohe Katalysatorproduktivitäten und –aktivitäten von entscheidender Bedeutung. Auch in diesem Bereich wurden in Zusammenarbeit mit dem IfOK neuartige Ligandensysteme entwickelt (Bild 5). Diese Ligandensysteme, so genannte cataCXium P-(Pyrrol-Aryl-Phosphan)-Liganden erzielen bei der Verwendung von nur 0,005 mol% Palladium TON von bis zu 20 000 und Ausbeuten von >95 % in der Suzuki-Kupplung. Auch diese Liganden sind in kommerziellen Mengen verfügbar.
cav 464

Internes Start-up
Nach Degussa Advanced Nanomaterials ist Degussa Homogeneous Catalysts das zweite interne Start-up, das Forschungsergebnisse eines Projekthauses vermarktet. Degussa hat diese Organisationsform gewählt, weil sie die unternehmerische Flexibilität einer operativen Einheit bietet, aber den organisatorischen und finanziellen Aufwand vermeidet, der mit der Gründung eines rechtlich eigenständigen Unternehmens verbunden ist.
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