Der Energieeinsatz bei industriellen Prozessen der Polymerisation zählt meist zu den zentralen Kostenfaktoren. Wie Einsparpotenziale bei einer Hochdruck-Polymerisationsanlage erschlossen werden konnten, zeigt das Beispiel von Innospec Leuna. Der Spezialchemie-Hersteller hat TÜV SÜD Industrie Service mit einer detaillierten Studie zum Energiebezug beauftragt und führt derzeit ein hochmodernes Energiemanagementsystem für seine Produktion ein.
Die Autoren: Dr. Michael Bunk Leiter Energiesysteme, TÜV SÜD Industrie Service Dr. Silvio Kammer Prokurist und Leiter Technik, Innospec Leuna
Allein die erhöhte EEG-Umlage bedeutet für die chemische Industrie Deutschlands 2011 Zusatzaufwendungen von rund 320 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Einsparpotenziale beim Energiebedarf bringen nicht nur ökologische Vorteile, sondern werden zunehmend wettbewerbsrelevant. Der erste Schritt auf diesem Weg sind umfangreiche Analysen zu Energiebezug und -einsatz sowie ein modernes Energiemanagement, das Abläufe optimiert und die Ressourcen schont. Um wirtschaftliche Maßnahmen für Optimierungen zu entwickeln und umzusetzen, ist der Blick auf den individuellen Prozess unumgänglich. Dabei hilft branchenübergreifendes Expertenwissen.
Fallbeispiel Innospec Leuna
TÜV SÜD Industrie Service hat die Innospec Leuna GmbH bei der Steigerung ihrer Energieeffizienz unterstützt und maßgeschneiderte Optimierungen für die betriebseigene Hochdruck-Polymerisationsanlage konzipiert. Innospec Leuna gehört zur internationalen Innospec Specialty Chemicals Inc., die in 23 Ländern mit insgesamt 800 Mitarbeitern vertreten ist. Am Standort Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt betreibt das Spezialchemie-Unternehmen u. a. eine Hochdruck-Polymerisationsanlage zur Herstellung von Produkten auf Ethylen-Basis: PE-Wachse, EVA und Dieseladditive. Mehr als 20 Millionen Euro wurden seit 2000 in die erhöhte Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit investiert. Produktionsanlagen und -prozesse müssen mit der technisch fortschreitenden Entwicklung kontinuierlich modernisiert und optimiert werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Fast jede Anlage bietet bei genauerer Analyse Ansatzpunkte zur Erschließung von Einsparpotenzialen. Die Polymerisationsanlage in Leuna weist einen erhöhten Bedarf an elektrischer Energie und Dampf auf. Folge waren im Branchenvergleich leicht überdurchschnittliche Energiekosten. In enger Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von Innospec haben die TÜV-SÜD-Experten die zeitabhängige Lastaufnahme und auch die Netzqualität untersucht. Einzelne Anlagen mit auffälligen Verbrauchsspitzen und der Dampfhaushalt wurden einer Detailbetrachtung unterzogen.
Screening je Prozessstufe
Für die einzelnen Prozessstufen haben die Experten zunächst umfangreiche Screening-Analysen zu Energiebezug und -einsatz vorgenommen. Zu den vier Hauptverbrauchern der Polymerisationsanlage von Innospec Leuna zählt der Höchstdruckverdichter. Er wird zur ersten Aufbereitung der Ausgangsstoffe eingesetzt und benötigt mit über 50 % den Großteil der Energie. Es folgen der Zwischendruckverdichter, die Kühlkreisläufe und diverse Einzelverbraucher mit mehr als 10 kW Anschlussleistung, die für die Untersuchung zusammengefasst wurden.
In einem zweiten Schritt und ausgehend von den erhobenen Daten wurden mögliche Einsparpotenziale ermittelt und Maßnahmen für Optimierungen vorgeschlagen. Dazu zählten neue besonders energieeffiziente Antriebe und Motoren. Weitere Maßnahmen beinhalten die Volumenstrom- bzw. Druckregelung von Kühlkreislaufpumpen sowie die Nutzung von überschüssigem Niederdruckdampf. Für langfristig und systematisch gesenkte Betriebskosten ist zudem ein Energiemanagementsystem von zentraler Bedeutung, das aktuell bereits implementiert wird. Dadurch sind künftig Online-Messungen des Energieverbrauchs möglich, deren Auswertung zudem als Basis von Kosten-Nutzen-Rechnungen dienen kann.
Wirtschaftliche Umsetzung
Bevor ein individuelles Umsetzungskonzept erarbeitet werden konnte, kamen die Einzelmaßnahmen auf den Prüfstand. Sind diese technisch und wirtschaftlich umsetzbar? In der Praxis konnte der Großteil der Maßnahmen vollständig oder teilweise implementiert werden – mit überschaubaren Investitionskosten von rund 200 000 Euro.
Zu den umgesetzten Maßnahmen zählt, dass bei Produktionsunterbrechungen nun sämtliche Nebenaggregate vollständig abgeschaltet werden. Bei der Instandhaltung und eventuell anfallenden Ersatz- und Neuinvestitionen werden die einzelnen Geräte wie Antriebe und Motoren systematisch durch energieeffizientere ersetzt. Auch wird das vorhandene Prozessleitsystem zusätzlich so genutzt, dass sich die einzelnen Geräte verbrauchsabhängig ansteuern lassen. Die TÜV-SÜD-Experten prüfen darüber hinaus, wie sich die Qualität des ohnehin erzeugten Niederdruckdampfs so verbessern lässt, dass dieser sinnvoll weiterverwendet werden kann.
Das Ergebnis: Ein optimierter Produktionsprozess spart jährlich gut 5 % der Energiekosten ein. Das hochmoderne Energiemanagementsystem, das derzeit implementiert wird, ermöglicht künftig, weiteres Einsparpotenzial zu erschließen. Die TÜV-SÜD-Experten rechnen mit 3 bis 5 %. Mit steigenden Energiekosten sind auch kleinere Einsparungen wichtig, wenn diese wirtschaftlich umgesetzt werden können. So lässt sich nicht nur der Energieverbrauch nachhaltig senken, sondern auch die Ressourcen-Effizienz steigern.
Online-Info: www.cav.de/0211439
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