Welche Technologie für die Abdichtung von Anlagen in der Verfahrenstechnik die beste ist, hängt vom konkreten Anwendungsfall ab. Entscheidend sind Druck, Temperatur und Drehzahl. Auch die Einbausituation, Laufeigenschaften der Welle, chemische Belastungen sowie Betriebssicherheit, Anschaffungs- und Betriebskosten sind relevante Größen für die Auswahl der optimalen Dichtung.
Trockenlaufende Lippendichtungen arbeiten ohne Sperrmedium. Ein wartungsintensives Versorgungssystem ist verzichtbar, Störungen durch Sperr- oder Spülmedium und der Aufwand für die Auswahl des geeigneten Sperrmediums entfallen. Im Vergleich zu flüssigkeits- oder gasgeschmierten Gleitringdichtungen mit Versorgungssystem sind Investitions- und Betriebskosten deutlich niedriger. Allerdings beanspruchen starke radiale Wellenbewegungen die Dichtungssysteme enorm. Dies kann zu erhöhter Leckage, starkem Verschleiß oder Ausfall führen. Herkömmliche Lippendichtungen können diese Bewegungen in der Regel nur mit zusätzlichen Kompensationselementen wie O-Ringen, Dehnscheiben oder Metallfaltenbälgen ausgleichen. Kompensationselemente bedeuten aber einen zusätzlichen Kostenfaktor und erhöhen das Ausfallrisiko. Zudem ist für viele Anwendungen ein kompaktes Dichtungsdesign gefragt und Kompensationselemente bedeuten zusätzliche Bauhöhe – unter Umständen zu viel.
Wellenauslenkungen ausgeglichen
Diese Nachteile wurden mit der Lippendichtung Seccolip beseitigt, da sie Wellenauslenkungen ohne Kompensationselemente unmittelbar und sicher ausgleicht. Dafür wird auf der rotierenden Welle eine Wellenhülse befestigt, auf deren Oberfläche die „schwimmenden“ Dichtlippen anliegen. Die Anpresskraft resultiert in erster Linie aus der Elastizität des Dichtelements und der Druckkraft des Prozessmediums auf die Lippe. Die modular aufgebaute Lippendichtung ermöglicht eine große Variantenvielfalt mit zwei, drei oder vier Dichtlippen. Diese lassen sich entweder in Richtung Prozess oder in Richtung Atmosphäre platzieren.
Neben dem Vorteil, auf Kompensationselemente verzichten zu können, ist das Besondere an der Seccolip die Kombination aus Dichtlippe und Gleitlager in einem Bauteil. Das Gleitlager führt das komplette Dichtelement den Wellenbewegungen nach. Deshalb ist der Dichtspalt zwischen Welle und Dichtlippe nahezu konstant und die Dichtung langfristig dicht. Da zugleich die Kontaktkraft der Lippe auf die Hülse minimiert wurde, bleiben Temperaturentwicklung, Verschleiß und Leckage gering.
Chemisch und thermisch beständig
Das Material der Dichtlippe muss vielseitigen Anforderungen gerecht werden. Dazu zählen die chemische Beständigkeit gegen möglichst viele Substanzen und eine hohe Hitzetoleranz. Gleichzeitig muss das Material niedrige Verschleißwerte mit langer Lebensdauer und geringem Wartungsaufwand vereinen. Steifigkeit und Fließverhalten müssen so zusammenwirken, dass die Lippenkontur stets verlässlich an der taumelnden Welle anliegt.
Für trockenlaufende Dichtungen eignet sich PTFE – einer der bekanntesten fluorisierten teilkristallinen Kunststoffe. Seine besonders starke Verbindung zwischen Kohlenstoff- und Fluoratomen sorgt für die gewünschte chemische Reaktionsträgheit und Beständigkeit. Der Schmelzpunkt der Kunststoffverbindung liegt bei 327 °C. Nicht zuletzt kommt der sehr niedrige Reibungskoeffizient den Anforderungen der Dichtungstechnik entgegen. PTFE hat keinen Haftgleiteffekt (Stick-Slip-Effekt). Damit scheint der optimale Werkstoff für die Lippendichtung gefunden. Allerdings ist reines PTFE mit seinen schlechten Festigkeits- und Verschleißeigenschaften nur bedingt in der Lage, die Wellenbewegungen über lange Betriebszeiten adäquat aufzunehmen. Deshalb wird PTFE mit Füllstoffen zu PTFE-Compounds ergänzt, um Druck- und Verschleißfestigkeit zu erhöhen. Als Füllstoffe eignen sich Kohle, Kunststoffe, Glasfaser, Bronze, Graphit, Edelstahl oder Kombinationen dieser Substanzen – meist in Form von Partikeln, Plättchen oder Fasern. Für die Gegenlauffläche sind Beschichtungen üblich, die auf die Wellenhülse appliziert werden. Beispiele sind Keramik, Hartmetall oder DLC-Beschichtungen (DLC = Diamond-like Carbon).
Tribologie als Rahmen für Testläufe
Für die Entwicklung der passenden Werkstoffpaarung greifen Experten auf die Tribologie zurück. Mit ihr lassen sich die Wechselwirkungen zwischen den Körpern als Gesamtsystem untersuchen und erklären. Dafür verändern die Entwickler über viele Testläufe Druck, Drehzahl und Temperatur und messen die Auswirkungen auf die Reibpaarung PTFE-Compound/beschichtete Wellenhülse. Für die Ermittlung eines optimalen Reibverhaltens ist zusätzlich die Geometrie der Dichtlippe relevant. Im Rahmen der Seccolip-Entwicklung variierten die Produktentwickler mithilfe von FEM-Simulationen Parameter wie Länge, Breite und Kontur. Zusätzlich ermittelten sie rund zwei Jahre lang das optimale Verhältnis aus reduzierter Kontaktkraft und Dichtfunktion.
Nach Tests mit diversen PTFE-Compounds und Beschichtungen für die Gegenlauffläche wurde eine optimale Werkstoffpaarung aus hellem, chemisch hochbeständigem PTFE-Compound und spezieller Wellenhülse ermittelt. In zahlreichen Tests wurde der sehr geringe Verschleiß bestätigt. Funktionsbedingt entsteht während des Einlaufvorgangs der meiste Abrieb, der allerdings notwendig ist, um das tribologische System aufzubauen. Danach ist nur ein sehr geringer Abrieb festzustellen. Von Vorteil ist zudem der einfache Dichtungsaufbau, dieser erlaubt einen unkomplizierten und schnellen Service. Der Anwender kann die Dichtungselemente bei Bedarf vor Ort selbst wechseln.
Eagleburgmann Germany GmbH & Co. KG, Wolfratshausen
Autor: Markus Stefan Schmidt
Produktmanager Gleitringdichtungen für Rührer, Mischer & Kneter,
Eagleburgmann Germany
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