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Korrosion gummierter Bauteile verzögern

Thermische Isolierung schützt die Schutzschicht
Korrosion gummierter Bauteile verzögern

Bei Chemieanlagen schützen innere Gummierungen auf Kautschukbasis viele Bauteile gegen aggressive Medien. Hohe Temperaturgefälle zwischen Betriebsmedium und Außenluft können jedoch die Mediendiffusion im Gummi beschleunigen, sodass das Bauteil trotzdem frühzeitig korrodiert. Dem beugt nur die thermische Isolierung der Komponenten vor. Experimente von TÜV Süd geben Hinweise zur optimalen Dimensionierung der Isolierschicht.

Der Autor: Helmut Zimmermann Institut für Kunststoffe, TÜV Süd Industrie Service

Bereits in den 1950er-Jahren schrieben die Konstruktionsleitlinien großer Chemieunternehmen die thermische Isolierung gummierter Rohrleitungen, Behälter und Apparate vor. Denn langjährige Erfahrungen aus Betrieb und Instandhaltung zeigten, dass sich die Schutzschichten im Bereich von Wärmebrücken frühzeitig ablösen – noch bevor die anvisierte Lebensdauer erreicht werden konnte. Aufwendige und kostenintensive Ausbesserungen waren dann die Folge, weil das Trägermaterial des Bauteils bereits korrodiert und in seiner Funktion beeinträchtigt war. Doch das Wissen um die Zusammenhänge ist in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend in Vergessenheit geraten. Aus Kostengründen wurde vielfach auf die thermische Isolierung verzichtet, was beschleunigten Korrosionsprozessen den Weg ebnete.
Denn die Ursache liegt in den Gesetzen der Thermodynamik: Im Laufe der Zeit nimmt jede Gummierung Wasser auf, wobei die Wassermoleküle in die Zwischenräume der Polymerketten eindringen. Gleichzeitig quillt das Material auf. Mit der Zeit diffundieren die Moleküle entlang ihres Konzentrationsgradienten und durchdringen so das Material. Erste Korrosionsprozesse setzen ein, wenn eine kritische Menge Wasser die Schicht passiert und die Oberfläche des Bauteils erreicht hat. Wie bei einem Stein, der an einem Abhang ins Rollen kommt, ist die Geschwindigkeit jedoch abhängig von dem Gefälle – in diesem Fall dem Temperaturunterschied zwischen dem Betriebsmedium im Inneren und der Außentemperatur der Luft. In der chemischen Industrie können hier leicht Temperaturdifferenzen von über 30 °C auftreten, wenn die Rohrleitungen für heiße Medien im Freien verlegt sind.
Erfahrungswerte quantifiziert
Bis heute ist der Diffusionsprozess in Abhängigkeit der Temperaturdifferenz jedoch nicht hinreichend untersucht worden. Auch die damaligen Konstruktionsleitlinien der Chemieunternehmen enthalten keine konkreten Angaben zu Geschwindigkeit, weitere Einflussparameter und erforderliche Schichtdicken der Isolierung. Am TÜV-Süd-Institut für Kunststoffe haben die Ingenieure deshalb drei verschiedene Kautschuksorten analysiert und die Wasseraufnahme bei unterschiedlichen Temperaturgradienten ermittelt. Die Untersuchungsergebnisse wurden Ende November 2012 bei der zweiten Fachtagung „schwerer Korrosionsschutz“ in München präsentiert. Sie quantifizieren erstmals die allgemeinen Erfahrungswerte. Bei den Experimenten haben die Kunststoffexperten fünf Temperaturgradienten im Bereich von 0 bis 42 °C zugrunde gelegt und das Diffusionsverhalten von Wasser bei Gummierungen aus Brombutyl-, Chlorbutyl- und Reinbutylkautschuk analysiert. Dazu wurden die 3,5 mm dicken Proben bis zu 66 Tage in einer modifizierten Atlaszelle installiert und konstant mit 80 °C warmem Wasser beaufschlagt. Die Testkammer wurde nur halb gefüllt, sodass die Einwirkungen der Flüssigphase und der Dampfphase unterschieden werden konnten. Nach Ablauf der Testzeiten wurden die Proben in einzelne, dünne Schichten geschnitten. Von diesen wurde dann der prozentuale Wassergehalt durch Rücktrocknung bestimmt.
Wasseraufnahme im Vergleich
Die Ergebnisse sind hier exemplarisch für die Experimente mit Chlorbutylkautschuk dargestellt. Die Diagramme zeigen die Wasseraufnahme im Verlauf der Zeit. Im Vergleich zu geringen Temperaturdifferenzen von 2 °C ist die Wasseraufnahme bei größeren Unterschieden von 42 °C medienseitig erhöht. An der Grenzschicht beträgt der prozentuale Wassergehalt nach 66 Tagen nahezu 40 %. Gleichzeitig dringen die Wassermoleküle schneller in tiefere Schichten vor. Am Trägermaterial steigt der Wassergehalt auf etwa 7 %. Das ist rund doppelt so hoch wie bei einem Temperaturgefälle von 2 °C. Hier wird ein Wasseranteil von etwa 3 % gemessen.
Doch schon bei einer Temperaturdifferenz von etwa 20 °C ist die Wasseraufnahme maximal und der Diffusionsprozess läuft mit größtmöglicher Geschwindigkeit. Ein Diagramm zeigt den Wassergehalt der tiefsten Gummischicht nach 66 Tagen. Größere Unterschiede bewirken keine beschleunigte Diffusion mehr. Dabei wirken Flüssigkeits- und Dampfphase unterschiedlich auf Chlorbutylkautschuk ein, denn der Wassergehalt ist in der Flüssigphase leicht erhöht (6,5 % zu 5 %). Dieser Effekt konnte bei den anderen Gummiqualitäten nicht beobachtet werden.
Optimierte Isolierung
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Temperaturdifferenz zwischen Betriebsmedium und Außenluft auf maximal 2 °C begrenzt werden muss, um die optimale Lebensdauer der Innengummierung zu erreichen. Das kann in der Praxis nur mit einer Isolierung des Bauteils erreicht werden. Doch wie viel Isoliermaterial ist notwendig, um diese enge Grenze einzuhalten? Die Ingenieure von TÜV Süd haben exemplarisch die erforderliche Schichtdicke für Steinwolle berechnet, die für den Anlagenbetrieb mit 80 °C heißem Medium notwendig ist.
In einem Szenario wird die Anlage bei Raumtemperatur betrieben (T1=20 °C). In einem weiteren Freilandszenario sind die Anlagenkomponenten Wind und Frost ausgesetzt (T2=-10 °C). Im ersten Fall müssen die Anlagenkomponenten mit einer ca. 50 mm starken Schicht aus Steinwolle isoliert werden, um das Temperaturgefälle auf 2 °C zu begrenzen. Im zweiten Fall ist eine 100 mm starke Isolierschicht erforderlich, um die Wasseraufnahme der Gummierung zu minimieren. So kann die Lebensdauer des Korrosionsschutzes verlängert werden: bei Betrieb in temperierten Räumen um ca. 50 % und bei Betrieb im Freien um ca. 100 %.
prozesstechnik-online.de/cav0813419
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