Startseite » Chemie »

Leere Versprechungen und heiße Luft?

Nanotechnologie, Klima und Energie
Leere Versprechungen und heiße Luft?

Leere Versprechungen und heiße Luft?
Die Produktion von Nanomaterialien ist sehr energieintensiv Quelle: ag visuell – Fotolia.com
Die Nanotechnologie ist eine leistungsstarke Technologie, die uns prinzipiell neue Möglichkeiten zur Energiegewinnung, -nutzung und -speicherung bietet. Nichtsdestotrotz warnt Friends of the Earth vor den immensen Energie- und Umweltkosten, die die Nanotechnologie mit sich bringt und weist auf mögliche Gefahren der neuen Technologie hin.

Nanotechnologie wird in einer Welt, die zunehmend von Klimawandel, Ressourcenverbrauch, Umweltverschmutzung und Wasserknappheit bedroht ist, gerne als die Lösung aller Probleme angepriesen. Ihre Befürworter sind der Überzeugung, dass diese Technologie in Zukunft effiziente, wirtschaftliche und umweltschonende Energietechnologien hervorbringen wird. Sie prophezeien, dass mit Hilfe der äußerst präzisen Nanoproduktion und des geringeren Verbrauchs an leistungsfähigen Nanomaterialien die unliebsame Verknüpfung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch überwunden werden kann. Kurz gesagt: Nanotechnologie soll stetiges Wirtschaftswachstum und steigenden Konsum ermöglichen und dabei deutlich weniger die Umwelt belasten.

Erwartungen noch nicht erfüllt
In einer Studie von Friends of the Earth werden diese grünen Thesen der Branche genauer unter die Lupe genommen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis: Die Nanotechnologie-Industrie hat die von ihr geweckten hohen Erwartungen bisher nicht erfüllt. Viele Behauptungen zur Umweltbilanz von Nanotechnologie stimmen mit der Realität nicht überein. Das gleiche gilt für die vermeintlichen Erfolge, die von angeblich marktnahen Unternehmen verkündet wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Energie- und Umweltkosten der wachsenden Nano-Branche als wesentlich höher als erwartet herausstellen. Die Studie zeigt außerdem, dass Regierungen in den USA, Australien, UK, Mexiko, Japan und Saudi-Arabien – trotz aller ‚grünen‘ Reden – öffentliche Gelder in Nanotechnologie-Projekte zur Intensivierung der Erdöl- und Erdgasförderung stecken. Die weltgrößten Petrochemiefirmen, unter anderem Halliburton, Shell, BP Amerika, Exxon Mobil und Petrobas haben ein Konsortium gegründet, um Forschungsprojekte zu finanzieren, die die Erdölgewinnung weiter steigern sollen.
Bei den Erneuerbaren Energien blieben Nanotechnologien bisher hinter den Erwartungen zurück. Der Wirkungsgrad von Nano-Solarzellen bei der Umwandlung von Sonnenenergie in Strom ist sogar um 10 % schlechter als der von herkömmlichen Siliziumzellen. Die technischen Herausforderungen sind in vielen Fällen einfach zu groß, um die Laborerfolge bei den Erneuerbaren Energien auch zur Marktreife zu bringen.
Der US-Rat für Wissenschaft und Technik des US-Amerikanischen Präsidenten schätzt, dass 2009 nur etwa 1 % der weltweit eingesetzten Nanoprodukte im Energie- und Umweltsektor eingesetzt wurden. Der Energieaufwand und die Umweltbelastung bei der Herstellung von Nanomaterialien sind ebenfalls höher als erwartet. Zur Herstellung von Kohlenstoff-Nanofasern wird 13 bis 50 mal mehr Energie benötigt, als für die Aluminiumschmelze und 95 bis 360 mal mehr als für die Stahlerzeugung (bei gleicher Massenbilanz). Ein US-Forscherteam kommt zu dem Schluss, dass einwandige Kohlenstoff-Nanoröhren vermutlich „eines der energieintensivsten Materialien der Menschheitsgeschichte“ sind.
Energieintensive Herstellung
Wenn man den hohen Energiebedarfs zur Herstellung von Nanomaterialien berücksichtigt, führen viele ‚energiesparende‘ Nano-Anwendungen unterm Strich sogar zu einem erhöhten Energieverbrauch. Ein Beispiel aus der Windkraft: Der Einsatz von Kohlenstoff-Nanofasern in Rotorblättern macht diese zwar leichter. Da die Produktion dieser Nanoblätter allerdings sehr energieaufwändig ist, halten erste Ökobilanzen es für energieeffizienter, weiter auf herkömmliche Rotorblätter zu setzen. Auch die Nano-Entwicklungen im Wasserstoff-Sektor stecken noch in den Kinderschuhen. Ob und wann Wasserstoff-Autos auf der Basis Erneuerbarer Energien auf unseren Straßen zu sehen sein werden, ist ungewiss – wohl kaum in den nächsten Jahren, einem Zeitraum, in dem wir die Treibhausgasemissionen entscheidend senken müssen.
Hinzu kommen die vielen Nanoprodukte, die nicht für den Energiesektor entwickelt werden und die unterm Strich zu einem steigenden Energieverbrauch führen. Super-belastbare Golfschläger, Antifalten-Kosmetika und brillantere Farbdisplays müssen unter hohem Energieaufwand hergestellt werden und bringen dabei keinerlei Nutzen für die Umwelt. Im Vergleich zu den ‚energiesparenden‘ Nanoprodukten sind diese Anwendungen in der großen Überzahl.
Hoher Wasser- und Lösemittelverbrauch
Die Umweltbelastungen bei der Nanoproduktion sind zudem größer als bei herkömmlichen Materialien. So ist die Nanoproduktion gekennzeichnet durch einen immensen Bedarf an Wasser und Lösemitteln. Für die Produktion werden erhebliche Mengen an gefährlichen Substanzen verbraucht oder entstehen als Nebenprodukte. Nur 0,1 % des Materials, das für die Produktion von Nanoprodukten in Computern und Elektrogeräten benötigt wird, findet sich auch im fertigen Produkt wieder – das heißt, dass 99,9 % des für die Herstellung verwendeten Materials letztlich als Müll enden. Bei aller Unsicherheit gibt es mehr und mehr Studien, die nahe legen, dass einige der Nanomaterialien für die Gewinnung, Speicherung und Effizienzsteigerung von Energie ein Risiko für Umwelt und Gesundheit darstellen können. So werden beispielsweise Kohlenstoff-Röhren wegen ihrer Einsatzmöglichkeiten in Elektronikgeräten, im Energiebereich und in Spezialteilen für Autos und Flugzeuge gepriesen. Erste Untersuchungen zeigen aber, dass manche Nanoröhren zu Mesotheliomen führen können – einer tödlichen Krebserkrankung, die häufig mit Asbest in Verbindung gebracht wird. Die Freisetzung von Nanomaterialien in die Umwelt könnte zudem zu einer verstärkten Bildung von Treibhausgasen führen. Antibakteriell wirksames Nanosilber ist bereits allgegenwärtig in Kleidung, Textilien, Reinigungsmitteln, Pflegeprodukten und Oberflächenbeschichtungen. Jetzt zeigen erste Studien, dass mit Nanosilber versetzter Schlamm, der in seiner Zusammensetzung herkömmlichem Klärschlamm ähnelt, viermal mehr klimawirksames Lachgas freisetzt.
Die Nanotechnologie ist weder der uneingeschränkte Heilsbringer für die Umwelt, noch wird uns der umfassende Einsatz von Nanomaterialien in allen möglichen Konsumprodukten – von Socken bis hin zu Gesichtscremes – ermöglichen, `business as usual` zu betreiben und gleichzeitig unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Im besten Fall sind solche Behauptungen übertriebenes Wunschdenken der Befürworter; schlimmstenfalls sind sie irreführend. Die Nanotechnologie ist eine leistungsstarke Technologie, die uns prinzipiell neue Möglichkeiten zur Energiegewinnung, -nutzung und -speicherung bietet. Nichtsdestotrotz warnt Friends of the Earth vor den immensen Energie- und Umweltkosten, die diese Technologie mit sich bringt. Zudem macht und die Nanotechnologie auch weiterhin vom Erdöl und gefährlichen Chemikalien abhängig. Zudem birgt die Technologie ihre eigenen neuen Gefahren.
Der vollständige Bericht „Nanotechnology, climate and energie: over-heated promises and hot air?“ von Ian Illuminato von Friends of the Earth U.S. und Georgia Miller von Friends of the Earth Australia. ist unter http://www.foeeurope.org/publications/2010/nano_climate_energy_nov2010.pdfzu finden.
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de