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Mehr Produktivität durch reinen Sauerstoff

Sichere Prozessführung bei aeroben Fermentationen
Mehr Produktivität durch reinen Sauerstoff

Qualität und Effizienz aerober Fermentationsprozesse lassen sich durch die Anreicherung der Brutluft mit reinem Sauerstoff steigern. Diesen positiven Effekten steht jedoch die grundsätzliche Gefahr einer Selbstentzündung von Ablagerungen gegenüber. Eine experimentell fundierte Untersuchungsreihe von Linde zeigt, dass sich solche Prozessintensivierungen selbst im großen Maßstab sicher durchführen lassen. Die Voraussetzung dafür bilden jedoch individuell angepasste Anlagenhardware sowie begleitende Wartungs- und Sicherheitsmaßnahmen.

Autor: Dr. Bernhard Schreiner Zentrale Anwendungstechnik Chemie, Linde

Aerobe Fermentationen kommen in zahlreichen Anwendungen der pharmazeutischen und der Spezialchemie-Industrie zum Einsatz. Ein Grund dafür ist, dass aus nachwachsenden und leicht verfügbaren Rohstoffen isolierte Edukte einen eleganten Zugang zu mitunter recht komplex aufgebauten Produkten ermöglichen. Vorwiegend auf der Basis von Kohlenhydraten als Nährstoff spielen aerobe Fermentationen auch bei der Herstellung einer ganzen Reihe von Massenprodukten eine zentrale Rolle. Neben großvolumigen Arzneimitteln wie Antibiotika sind dies Biopolymere oder organische Säuren. Dazu gehören Polysaccharide, Aminosäuren sowie Mono-, Di- sowie Tricarbonsäuren.
Erhöhung des Sauerstoffgehaltes
Die für die aerobe Fermentation benötigte Brutluft wird klassisch bereitgestellt, indem Umgebungsluft dem Fermenter zugeführt und darin effektiv verteilt wird. Der natürliche Sauerstoffgehalt von Luft ist mit knapp 21 Vol.-Prozent jedoch vielfach zu gering, um über alle Phasen des Fermentationsvorganges eine genügend hohe Konzentration gelöster und damit für die eingesetzten Mikroorganismen verwertbarer Sauerstoffmoleküle bereitzustellen. Die Gründe für eine derartige Limitierung sind vielfältig. So können die charakteristischen Eigenschaften der jeweiligen Fermenterbrühe – z. B. ein besonders hoher Bedarf an Sauerstoff oder steigende Viskosität des Produktes – zu Sauerstoffmangel in der wässrigen Phase beitragen. Darüber hinaus sind Engpässe bei der Bereitstellung der Luft oder apparativ bedingte Limitierungen beim Fermenterbetrieb denkbar, z. B. eine begrenzte Rührerdrehzah.
Eine naheliegende und auch häufig angewandte Maßnahme zur Erhöhung des Gehaltes an gelöstem Sauerstoff in der Brühe ist die Erhöhung des Sauerstoffpartialdrucks in der Brutluft. Unter Normalbedingungen liegt dieser wenig über 0,21 bar, kann jedoch durch Zugabe von technischem Sauerstoff flexibel – und damit den Erfordernissen der jeweiligen Fermentationsphase angepasst – erhöht werden. Diese Form der Prozessintensivierung kann im Extremfall bis hin zur ausschließlichen Anwendung von reinem Sauerstoff reichen.
Da sich durch diese Verfahrensmodifikation die Effizienz des Fermentationsprozesses häufig deutlich steigern lässt, stellt die gezielte Anreicherung der Brutluft mit reinem Sauerstoff eine interessante Ergänzung der klassisch angewandten, luftbasierten Aerobfermentation dar. Im Gegensatz zum klassischen Verfahren ist dann jedoch nicht nur in der Brutluftzuführung mit höheren Sauerstoffgehalten als beim ausschließlichen Betrieb mit Luft zu rechnen, sondern unter Umständen auch im Fermenterkopfraum sowie in der Abgasleitung.
Aufgrund dieser erweiterten Rahmenbedingungen ist die Sicherheit der Prozessführung nicht mehr automatisch gegeben, was grundsätzliche Überlegungen und besondere Maßnahmen zur Risikoeinschätzung sowie zur sicheren Betriebsweise unabdingbar macht.
Um die Parameter für einen sicheren Sauerstoffeinsatz bei aeroben Fermentationen zuverlässig festlegen zu können, führte Linde eine umfassende, experimentell hinterlegte Studie durch. Darin wurde das sicherheitsrelevante Verhalten eines typischerweise als Nährstoff eingesetzten Zuckers verglichen mit einem natürlich vorkommenden Öl, welches ebenfalls bei Fermentationen Einsatz findet.
Besondere Beachtung fanden dabei Ablagerungen, die sich insbesondere während der Fermentation aufbauen können und mit deren Auftreten auch in der Peripherie des Fermenters zu rechnen ist. Sie können austrocknen, was vor allem bei mehrere Tage andauernden Fermentationen nicht auszuschließen ist. Grundsätzlich haben solche Ablagerungen das Potenzial, sich zu entzünden, was mit steigendem Sauerstoffpartialdruck in der umgebenden Atmosphäre immer wahrscheinlicher wird. Der in Bild 1 gezeigte Versuchsaufbau wurde gewählt, um das Langzeitverhalten von trockenem Substrat zu untersuchen. Bild 2 zeigt das Verhalten der in Probe bei deutlich erhöhtem Sauerstoffpartialdruck sowie bei einer Temperatur, die oberhalb der bei Fermentationen typischerweise auftretenden Temperaturen liegt und die über einen längeren Zeitraum hinweg konstant gehalten wurde. Die Bedingungen wurden hier sowie bei weiteren Experimenten so eingestellt, dass die Ergebnisse als fundierte Datengrundlage für weitergehende, individuell angepasste Sicherheitsanalysen dienen können.
Die Untersuchungen bestätigten die Tendenz, dass sich bei erhöhtem Sauerstoffpartialdruck die Wechselwirkung von molekularem Sauerstoff mit organischen Ablagerungen intensiviert. Dies führt vermehrt zur Bildung thermisch instabiler Sauerstoffverbindungen. Als besonders kritisch gilt, wenn stark ausgeprägte Ablagerungen (Schichtdicke) über einen längeren Zeitraum hinweg bei hohem Sauerstoffpartialdruck erhöhten Temperaturen ausge-setzt sind. Dann können schlagartig Zersetzungsreaktion auftreten, die mit einem rapiden Druck- und Temperaturanstieg einhergehen.
Die Untersuchungen haben ebenso ergeben, dass der (zusätzliche) Einsatz von reinem Sauerstoff bei Fermentationen auch im technischen Maßstab sicher beherrscht werden kann. Die Voraussetzung hierfür bilden einige grundlegende Maßnahmen zur Anpassung des ursprünglich luftbasierten Fermentationsprozesses: Insbesondere durch Überwachung – unter Umständen können auch kleinere konstruktive Veränderungen notwendig sein – und nicht zuletzt durch regelmäßige Inspektionen kann die Gefahr einer Selbstentzündung von Ablagerungen ausgeschlossen werden. Dieser vergleichsweise geringe Aufwand steht dabei einer deutlich gesteigerten Fermentationsleistung gegenüber.
Anlagentechnische Voraussetzungen
Linde verfügt – auch unter Einbeziehung des auf biotechnologische Projekte spezialisierten Anlagenbauers Linde-KCA in Dresden – über das Know-how, um eine Prozessintensivierung auf Basis von Sauerstoffanreicherung erfolgreich realisieren zu können. Hierzu zählt neben Hardware zur Sauerstoffversorgung – z. B. zur Realisierung von Versuchen im technischen Maßstab – auch eine über die Fermentationsabläufe hinausgehende Sicherheitskompetenz.
Die Injektion des zusätzlichen Sauerstoffs in das bestehende Versorgungssystem erfolgt über den Oxymix-Mischer (Bild3). Sein Düsensystem ist in einem Lochkreis angeordnet und so ausgelegt, dass das Gas entgegen der Luftströmung in die Leitung eingebracht wird. Dadurch werden die beiden Komponenten innerhalb kürzester Zeit vollständig vermischt. So ist eine homogene Sauerstoffverteilung in der Luftleitung ohne wesentlichen Druckverlust sichergestellt; d. h. Zonen mit hoher Sauerstoffkonzentration, sogenannte Hotspots, werden zuverlässig vermieden. Damit gewährleistet Oxymix auch hohe Betriebssicherheit.
Die sehr kompakt konstruierte Komponente kann über einen Flanschanschluss ohne großen technischen Aufwand in eine bestehende Luftleitung eingebaut werden, zum Beispiel während eines geplanten Anlagenstillstands. Da das System keine beweglichen Bauteile enthält, arbeitet es wartungsfrei. Konstruktion und Einbau des Sauerstoffinjektors realisiert Linde abgestimmt auf Geometrie und Betriebsbedingungen der Luftleitung. Neben Edelstahl 1.4571 sind auch andere für Sauerstoff geeignete Werkstoffe verfügbar. Die individuelle Auslegung basiert auf CFD-Simulationen (Computation Fluid Dynamics).
Die Mess- und Regelstrecke Flowtrain ermöglicht die punktgenaue Sauerstoffanreicherung per Touchpanel. Über eine speicherprogrammierbare Steuerung dosiert das System gasförmigen Sauerstoff exakt bis zur gewünschten Konzentration in die Prozessluft. Dabei regelt Flowtrain den genauen Grad der Sauerstoffanreicherung in Abhängigkeit von der Prozessluftmenge.
Oxymix und Flowtrain sind Bestandteile eines umfassenden Linde-Portfolios an Systemen zur Sauerstoffanreicherung. Der anwendungsspezifische Einsatz der Sauerstoffanreicherung ermöglicht nicht nur eine flexiblere Prozessführung. Neben einer Erhöhung von Produktivität und Effizienz unterstützt sie Unternehmen auch bei der Umsetzung von höheren Umwelt- und Energiestandards.
Online-Info: www.cav.de/0711401
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