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Mit Katalysatoren neue Rohstoffquellen erschließen

TU München forscht an alternativen Technologien
Mit Katalysatoren neue Rohstoffquellen erschließen

Noch beruht ein großer Teil chemischer Verfahren auf Erdöl. Die schwindenden Mineralölreserven machen jedoch zukünftig auch andere Rohstoffquellen interessant. Das erste Beispiel zeigt im Folgenden ein Verfahren, das Erdgas aus kleineren, dezentralen Quellen als Kohlenstoffquelle nutzbar machen könnte. Alternativ kommt bei vielen Zwischenprodukten auch die Produktion durch Algen und Bakterien infrage. Durch geschickte Prozessführung können sogar einfache Produkte wie Alkohol zu konkurrenzfähigen Kosten produziert werden.

Steigende Energiekosten und knapper werdende Ressourcen verursachen neue Trends im Bereich der katalytischen Verfahren. Eine Auswahl aktueller Projekte der Technischen Universität München (TUM) macht dies deutlich. Schwindende Reserven an Mineralöl lassen Erdgas als Kohlenstoffressource interessant werden. Doch das Gas ist schwieriger zu transportieren und nicht leicht in die bestehende industrielle Infrastruktur zu integrieren. Eine Lösung dafür sind Gas-to-Liquid-Technologien. Diese wandeln Methan, den Hauptbestandteil von Erdgas, zu Synthesegas um, aus dem anschließend Methanol und Kohlenwasserstoffe hergestellt werden.Das erste Beispiel zeigt wie ein biomimetischer Katalysator den Weg zu diesen Technologien ebnen kann.

Waren Gas-to-Liquid-Technologien bisher nur in sehr großen Anlagen effizient durchführbar, könnte ein Verfahren, das die enzymatische Umwandlung in einem Protein nachahmt, zur Alternative für die Verarbeitung von Methan aus kleineren Quellen an entfernten Standorten werden. Nach einem in der Arbeitsgruppe von Prof. Johannes Lercher an der TU München entwickelten Verfahren werden in einem modifizierten Zeolith Kupfer-atome eingebaut. Die hochporösen Materialien besitzen eine Mordenitstruktur und imitieren die Reaktivität des Enzyms Methan-Monooxygenase, das Methan effizient und selektiv zu Methanol oxidiert.
Indem sie kinetische Untersuchungen, spektroskopische Analysen und theoretische Modellierungen kombinierten, konnten Forscher der TU München, der TU Eindhoven und der Universität Amsterdam zeigen, dass die Mikroporen des Zeoliths eine perfekte Umgebung für die selektive Stabilisierung des aktiven Kupferzentrums bieten. Sie identifizierten dreikernige Kupfer-Oxo-Cluster, die die Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen in Methan lockern und damit dessen Umwandlung in Methanol fördern. „Der entwickelte Zeolith ist eines der wenigen Beispiele eines Katalysators mit klar definierten aktiven Zentren, die gleichmäßig im Zeolith-Gerüst verteilt sind“, sagt Professor Johannes Lercher. „Dies ermöglicht eine wesentlich höhere Effizienz bei der Umwandlung von Methan in Methanol, als es bisher mit Zeolith-Katalysatoren möglich war.“ Darüber hinaus zeigt die Forschungsarbeit die eindeutige Verknüpfung der Struktur der aktiven Zentren mit ihrer katalytischen Aktivität. Dies macht den Zeolith zu einem sehr vielversprechenden Material, um das Ziel einer mit enzymatischen Systemen vergleichbaren katalytischen Aktivität und Selektivität zu erreichen.
Flugkraftstoff aus Algen
Wissenschaftler schätzen, dass es etwa 150 000 Algenarten gibt. Rund 5000 davon sind bisher ansatzweise charakterisiert. Doch nur etwa zehn Arten haben es bisher bis zu einer kommerziellen Nutzung gebracht. Weltweit arbeiten Forscher daran, weitere Einsatzmöglichkeiten von Algen zu identifizieren. Airbus beispielsweise engagiert sich in mehreren Projekten, bei denen aus Algen Kerosin gewonnen werden soll. „Während bei der Produktion von Biokraftstoff aus Mais eine problematische Konkurrenz zwischen Teller und Tank besteht“, sagt Thomas Brück, Professor für Industrielle Biokatalyse an der Technischen Universität München, „wachsen Algen auch in Salzwasser; sie brauchen keinen fruchtbaren Boden und keine Pestizide. Trotzdem können sie einen bis zu zehn Mal höheren Ertrag pro Hektar und Jahr liefern.“
In seinen Labors im Chemiegebäude auf dem Campus Garching screenen er und seine Mitarbeiter eine große Zahl von Algenarten. Mit besonders erfolgreichen Arten werden in einem kürzlich in Betrieb genommenen Algentechnikum ökonomisch und ökologisch sinnvolle Prozesse entwickelt. Im Forschungsprojekt „AlgenFlugKraft“ strebt man dabei eine doppelte Ausnutzung der Biomasse an: Im ersten Prozess werden die von den Algen produzierten Energiespeicherstoffe in Kraftstoff umgewandelt. Die Reststoffe sollen in einer Biogasanlage genutzt werden. Primäres Ziel hierbei ist die Produktion von Wasserstoff, der für die Hydrierung der Fettsäureester zu Kerosin gebraucht wird. Das entstehende Kohlendioxid kann dann wieder als Nahrung für die wachsenden Algen eingesetzt werden.
Eine Besonderheit des Algentechnikums ist seine LED-Beleuchtung. Die hocheffizienten LEDs liefern Licht im Wellenlängenbereich zwischen 300 und 800 nm und einer dem Sonnenlicht sehr nahekommenden Intensitätsverteilung. Zusammen mit einer ausgefeilten Klimatisierung können die Forscher damit die Licht- und Klimabedingungen jedes Ortes auf der Welt erzeugen. „Niemand kann voraussagen, ob eine Alge aus der Südsee unter den Lichtbedingungen in Deutschland genauso produktiv ist wie in ihrer Heimat“, sagt Thomas Brück. „Genauso wenig weiß man, ob hier in Bayern erfolgreiche Kandidaten unter den Lichtbedingungen der Sahara noch genauso erfolgreich wären. All dies können wir jetzt in unserem Technikum testen.“
Ethanol aus Stroh
Weltweit wird die Nutzung von Nahrungspflanzen zur Energieerzeugung kritisch gesehen. Neuere Verfahren können aber auch Pflanzenreststoffe wie Holz und Stroh sinnvoll nutzen. Die größte Herausforderung dabei ist der Aufschluss der Gerüststruktur aus Lignin, Hemizellulose und Zellulose. In einer vorkommerziellen Anlage produziert die Clariant AG in Straubing bereits seit 2012 Ethanol aus Agrarreststoffen wie beispielsweise Stroh oder Bagasse. Die Anlage produziert aus rund 4500 t Rohmaterial jährlich bis zu 1000 t Bioethanol.
Während der Ligninanteil in Straubing zum Heizen benutzt wird, werden die Vielfachzucker Hemizellulose und Zellulose durch bakteriellen Abbau zu Einfachzuckern hydrolysiert. Bakterien, die in einem Vorprozess mit einem Teil des eingesetzten Agrarreststoffs angefüttert werden, stellen dabei die benötigten Enzyme prozessintegriert her. Hefen vergären dann die entstandenen Zucker zu Alkohol.
Mitarbeiter des TUM-Lehrstuhls für Mikrobiologie am Wissenschaftszentrum Weihenstephan arbeiten daran die Enzyme so zu modifizieren, dass sie auch bei höheren Alkoholgehalten noch produktiv sind. Auch die Produktion anderer Grundstoffe wie Butanol oder Aceton wird intensiv erforscht. Parallel dazu entwickelt im Wissenschaftszentrum Straubing Prof. Volker Sieber neue Methoden, um auch den Ligninanteil von Agrarreststoffen stofflich nutzen zu können.
Zusammen mit dem Spezialchemikalienhersteller Haltermann Carless und Daimler stellte Clariant 2014 bereits einen E 20-Kraftstoff her, der 20 % Bioethanol aus Stroh enthielt. Erste Flottenversuche mit dem in Straubing gewonnenen Bioalkohol verliefen erfolgreich. Der nächste Schritt wäre nun der Bau einer kommerziellen Produktionsanlage mit einer Kapazität von bis zu 150 000 t pro Jahr.
Die Clariant AG ist sich sicher, dass das Sunliquid-Verfahren in Zukunft die Abhängigkeit vom Erdöl reduzieren könnte. „Zelluloseethanol hat schon heute eine bessere Klimagasbilanz als brasilianisches Zuckerrohrethanol. Auch wirtschaftlich kann es mit konventionellem Ethanol aus der gleichen Region konkurrieren, sowohl in Brasilien als auch in Europa“, sagt Dr. Markus Rarbach, Leiter des Start-upBusiness-Projekts Biofuels & Derivatives der Group Biotechnology von Clariant in München.

Dr. Andreas Battenberg
Pressereferent, TU München
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