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Mit Wasserstoffperoxid

Wirtschaftliche und sichere Abwasseraufbereitung
Mit Wasserstoffperoxid

Das Abkat-Verfahren eignet sich nicht nur für die Reinigung von industriellen Abwässern, sondern lässt sich auch für Grundwasser, Deponiesickerwasser und andere Problemabwässer einsetzen. Durch die Verwendung von Wasserstoffperoxid als Oxidationsmittel kann der Abbauprozess bereits bei moderaten Prozesstemperaturen von 140 bis 180 °C und Drücken bis 30 bar durchgeführt werden. Die Behandlungskosten lassen sich so deutlich senken.

Dr.-Ing. Lothar Günther, Dr. Jörg Hofmann, Dr. Mike Wecks

Unter dem öffentlichen Druck der ungelösten Grundwasserprobleme an den ehemaligen Industriestandorten in Ostdeutschland und den steigenden Abwasserkosten wurden im letzten Jahrzehnt die oxidativ-chemischen Technologien zu leistungsfähigen Verfahren weiterentwickelt. Die sogenannten advanced oxidation technologies (AOT) nutzen als Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid und/oder Ozon, wobei zu deren Aktivierung Katalysatoren oder UV-Strahlung eingesetzt werden.
Nassoxidation oder Verbrennung
Für die Behandlung von hoch mit organischen Schadstoffen belasteten Abwässern bestehen mit der Nassoxidation und der Verbrennung zwei Alternativen. Für eine wirtschaftliche Verbrennung muss die organische Fracht jedoch so hoch sein, dass durch die exotherme Verbrennungsreaktion die Energie für das Aufheizen und das Verdampfen aufgebracht wird. Die organischen Anteile müssen dazu mindestens bei 10 % liegen. Bei geringeren Konzentrationen an organischen Inhaltsstoffen (CSB-Werten von 500 bis 10 000 mg/l) kann die Nassoxidation erfolgreich eingesetzt werden. Als Oxidationsmittel sind Sauerstoff und Wasserstoffperoxid möglich. Bei der Verwendung von Sauerstoff wird bei Temperaturen über 250 °C und Drücken über 200 bar gearbeitet. Die Folge sind erhebliche Korrosionsprobleme. Zudem ist die Steuer- und Regeltechnik anfällig und teuer. Das Abkat-Verfahren (Bild 1) setzt daher auf H2O2. Dieses ist in jedem beliebigen Verhältnis mit Wasser mischbar und leicht lager- und dosierbar. Nach dem Oxidationsprozess verursacht es zudem keine organischen oder anorganischen Rückstände im Abwasser. Der Prozess kann bei moderaten Bedingungen, Temperaturen von 140 bis 180 °C und Drücken bis 30 bar, durchgeführt werden. Der einfache und robuste Anlagenaufbau ermöglicht einen sicheren Betrieb ohne hohen Regelungs- und Wartungsaufwand. Auch schwebstofffreie und dunkel gefärbte Abwässer, die elektrochemische Verfahren und UV-Oxidationstechnologien limitieren, können mit der Nassoxidation mit Wasserstoffperoxid erfolgreich behandelt werden.
Teure Grundwasserreinigung
Extrem hohe organische Belastungen weisen Grundwässer an den ehemaligen Standorten der chemischen Großbetriebe in den neuen Bundesländern und im EU-Beitrittsgebiet auf. Für die Reinigung dieser Grundwässer werden im Allgemeinen mehrstufige Prozesse mit Eisen- und Manganfällung, Strippung und nachgeschalteter thermischer oder katalytischer Nachverbrennung und Adsorption eingesetzt. Bei komplizierten Grundwässern mit hohen Schadstoffmengen und z. T. toxischen Inhaltsstoffen sind zusätzliche Verfahrensstufen notwendig. Vor allem mehrfach chlorierte Halogenkohlenwasserstoffe wie Tetrachlorethan und Chlorphenole können mit herkömmlichen Techniken nur sehr schlecht entfernt werden. Chlorkohlenwasserstoffe bereiten beim Ausstrippen Schwierigkeiten aufgrund ihrer niedrigen Dampfdrücke. Adsorption ist aufgrund der ungünstigen Lage des Verteilungsgleichgewichtes Aktivkohle/Wasser nicht effektiv. Oxidationsverfahren mit Wasserstoffperoxid und/oder Ozon wurden bisher nur bei geringen Schadstofffrachten von <100 mg/l erprobt. Das breite Schadstoffspektrum in den Grundwässern führt so sehr schnell zu enormen Reinigungskosten (30 Euro/m3 und mehr).
Teilströme behandeln
Die Lösung des Problems besteht in der Teilstrombehandlung. Dabei werden die hochbelasteten Abwässer der Nassoxidation zugeführt und so die enthaltenen Schadstoffmengen um ein bis zwei Zehnerpotenzen reduziert. Die vorbehandelten Wässer können dann mit den geringer belasteten Wässern zusammengeführt oder direkt in die biologische Nachbehandlung eingeleitet werden. Bei Untersuchungen an drei unterschiedlichen Grundwässern (obere Tabelle) wurden die Temperatur, die Reaktionszeit und die Menge an zudosiertem Oxidationsmittel variiert. Ziel der Optimierung war die Ermittlung der höchsten Raum-Zeit-Ausbeute für die Oxidationstechnologie. Die Ergebnisse zum CSB-Abbau der Grundwässer 1 und 3 zeigen, dass für die optimale Nutzung des Oxidationsmittels eine Reaktionstemperatur von 140 °C und Verweilzeiten von 20 Minuten notwendig sind. Höhere Temperaturen und Reaktionszeiten steigern die Abbauwirkung nicht signifikant. Bei niedrigeren Temperaturen wird das Oxidationsmittel nicht vollständig umgesetzt. Bei Grundwasser 3 lag eine hohe Belastung an Chlorkohlenwasserstoffen vor. Aus dem organisch gebundenen Chlor entsteht durch die Nassoxidation HCl. Um Korrosionseffekte zu vermeiden, ist der Oxidationsprozess schrittweise durchzuführen.
Prozesswasseraufbereitung
Industrielle Prozessabwässer aus der chemischen und pharmazeutischen Produktion sind sehr oft mit extrem hohen Beladungen an schwer biologisch abbaubaren organischen Substanzen, Salzen oder Farbstoffen belastet. Die Probeabwässer stammen aus zwei Chemiefirmen. Die Zielstellung bei Abwasser 1 bestand darin, die organischen Inhaltstoffe, gemessen mit Hilfe des CSB-Wertes, von ca. 6,5 auf unter 1 g/l zu reduzieren. Das entspricht einem Abbau von ca. 85 %. Dabei sollten auch die toxischen aromatischen Kohlenwasserstoffe in biologisch abbaubare Verbindungen überführt werden. Bei Abwasser 2 bestand das Hauptziel darin, den AOX-Wert von 50 auf unter 2 mg/l abzusenken. Der hohe CSB-Wert von 17 000 mg/l sollte auch so weit wie möglich reduziert werden.
Entsprechend der unterschiedlichen Aufgabenstellungen wurden Vorversuche im Labormaßstab bei verschiedenen Temperaturen und Prozessführungen durchgeführt. Dafür erfolgte die Zugabe des Oxidationsmittels einmal so, dass die gesamte Menge vor dem Aufheizen zugegeben wurde und im zweiten Fall 50 % vor dem Aufheizen und die restlichen 50 % nach 20 Minuten Reaktionszeit. Der Vergleich von Versuch 1 und 3 mit Abwasser 1 zeigt die gute Reproduzierbarkeit der Ergebnisse (untere Tabelle); es wurden unter identischen Prozessbedingungen Abbaurraten von 65 bzw. 66 % erzielt. Durch Erhöhung der Reaktionstemperatur von 140 auf 180 °C kann der Umsatz bei gleicher Oxidationsmittelmenge um 10 % gesteigert werden. Das tiefbraune Wasser hat sich nach der oxidativen Behandlung deutlich entfärbt, ist aber immer noch gelblich. Das Abbauziel, ein CSB-Wert unter 1 g/l, konnte jedoch noch nicht erreicht werden. Erst durch die Verdopplung der Wasserstoffperoxidmenge wird ein CSB-Wert von 1,1 g/l erzielt. Dosiert man das Oxidationsmittel in zwei Stufen – 50 % vor der Reaktion und 50 % nach 20 Minuten Reaktionszeit – kann bei gleichem Oxidationsmitteleinsatz eine deutlich höhere Wirkung und, mit einem CSB-Wert von 0,7 g/l, das Abbauziel erreicht werden (Bild 2). Als Produkt fällt schwebstofffreies klares Wasser an.
Bei Abwasser 2 bestand das Hauptziel in der Reduzierung des AOX-Wertes auf unter 2 mg/l. Dabei mussten aufgrund der geringen Selektivität des Oxidationsprozesses nicht nur die halogenierten organischen Inhaltsstoffe oxidiert, sondern auch die im Überschuss vorhandenen Kohlenwasserstoffe abgebaut werden. Der Ausgangs-CSB lag mit 17,7 g/l vergleichsweise hoch. Die Untersuchung der Temperaturabhängigkeit zeigte wie bei Abwasser 1, dass durch die Temperaturerhöhung von 140 auf 170 °C der CSB-Abbaugrad um ca. 20 % erhöht wird. Beim AOX-Wert ist der Effekt weniger deutlich. Da der Schwerpunkt auf dem AOX-Abbau liegt, könnte bei der niedrigeren Prozesstemperatur gearbeitet werden. Vergleicht man den AOX-Abbau bei einmaliger bzw. zweistufiger Dosierung des Oxidationsmittels, bestätigen sich die mit Abwasser 1 erzielten Ergebnisse. Bei einmaliger Zugabe liegt der AOX-Wert bei 4,3 mg/l, dosiert man jedoch in zwei Stufen, 50 % vor der Reaktion und 50 % nach 20 Minuten Reaktionszeit, lässt sich der Zielwert von 2,0 mg/l mit 1,6 mg/l deutlich unterschreiten (Bild 3). Eine dreistufige Dosierung des Oxidationsmittels führt hingegen zu keiner weiteren Verbesserung der Abbauergebnisse.
Die in den Tabellen zusammengestellten Werte sind bei Abgasströmen von 10 bis 100 m³/h erreichbar. Die heutigen Erkenntnisse ermöglichen, die erforderlichen Druck- und Temperaturbedingungen sowie die notwendige Reaktorgröße vorauszuberechnen und damit die Betriebs- und Investitionskosten abzuschätzen.
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