Als Anfang 1998 bei Cerestar die Entscheidung fiel, die bestehende Anlage zur Stärkeverarbeitung zu modernisieren und zwei völlig neue Anlagenteile hinzuzufügen, setzte das Projektteam bei der Automatisierung der Anlagen auf das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 und den Feldbus Profibus-PA. Nach Abschluss der Projektierungsphase konnten im Juli 1999 die Anlagen ohne nennenswerte Schwierigkeiten in Betrieb genommen werden. Dabei überzeugte das neue Prozessleitsystem durch sein einfaches und übersichtliches Handling.
Dipl.-Ing (FH) Rüdiger Selig, Dipl.-Ing. (FH) Rainer-Markus Schmitz
Cerestar, führender Hersteller von Stärke und Stärkederivaten in Europa, betreibt in Deutschland an drei Standorten Stärkefabriken, in denen aus Weizen- und Maisstärke eine breite Palette hochwertiger Produkte hergestellt wird. Am Standort Krefeld, an dem ausschließlich Mais verarbeitet wird, sollten zwei bestehende Anlagenteile modernisiert werden. Zusätzlich plante Cerestar, in Krefeld zwei neue Fermentationsanlagen zur Gewinnung weiterer Veredelungsprodukte in Betrieb zu nehmen. Insbesondere bei einer der Fermentationsanlagen betrat Cerestar Neuland, da dieser Prozess bis dahin nur im Labormaßstab betrieben worden war. Das Scale-Up des Verfahrens auf den großtechnischen Maßstab der Anlage in Krefeld stellte alle beteiligten Unternehmen vor eine Reihe großer Herausforderungen.
Ziel der Umbaumaßnahmen und der Erweiterungen in Krefeld war, die Prozessführung flexibler und effizienter zu gestalten. Durch die Erweiterung der Produktion um zwei Fermentationsanlagen wollte Cerestar seine Kapazitäten auf dem wichtigen Markt der Stärkeveredelungsprodukte deutlich ausbauen. Darüber hinaus war die Erweiterung der Anlage in Krefeld ein Pilotprojekt, in dem die technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der neuen Fermentationsanlage untersucht werden sollte.
Da es sich bei den beiden Neuanlagen um biotechnologische Prozesse handelt, musste nicht nur die verfahrenstechnische Ausrüstung der Fermentation, sondern auch die Prozessautomatisierung an die spezifischen Anforderungen des Prozesses angepasst werden. Erschwerend kam hinzu, dass die optimalen Parameter für den Betrieb der Fermenter noch nicht bekannt waren. Aus diesem Grund musste die Prozessautomatisierung ein Maximum an Flexibilität bieten, um eine individuelle Anpassung aller Parameter zu ermöglichen. Zudem sollte die Automatisierung schon jetzt die nötigen Voraussetzungen für eine mögliche Kapazitätserweiterung mitbringen.
Bewährte Systeme und neue Technologien
Bei der Suche nach einem geeigneten Prozessleitsystem entschied sich Cerestar für Simatic PCS 7 als das Nachfolgesystem des bewährten und vielfach bei Cerestar eingesetzten Leitsystems Teleperm M. Überzeugend war dabei vor allem die durchgängige Migrationsstrategie von Teleperm M zu Simatic PCS 7. Da Cerestar schon in anderen Anlagen gute Erfahrungen mit Profibus-DP gesammelt hatte, sollte das robuste Feldbussystem auch bei der Erweiterung der Produktion in Krefeld zum Einsatz kommen. Darüber hinaus entschied sich Cerestar für AS-Interface, zum einfachen und kostengünstigen Anschluss der binären Aktoren und Sensoren in der Feldebene und für das Bussystem Profibus-PA, um die intelligenten Feldgeräte vor Ort mit dem Prozessleitsystem zu verbinden.
Wirtschaftlich durch Standardisierung
Wie eine sorgfältige und individuelle Planung zu wirtschaftlichen und einfachen Systemen führt, lässt sich gut am Beispiel der standardisierten Feldkästen zeigen, die speziell für Cerestar entwickelt wurden. Über diese dezentral angeordneten Feldkästen, die über Profibus-DP in Lichtwellenleitertechnik an die Automatisierungssysteme angebunden sind, werden sämtliche Feld- und Peripheriegeräte über die Feldbussysteme Profibus-PA und AS-Interface angeschlossen. Um eine möglichst kostengünstige Lösung für diese Aufgaben zu haben, entwickelte Siemens zusammen mit Cerestar einen standardisierten Feldkasten, der im wesentlichen aus identischen Komponenten aufgebaut ist und dennoch allen Anforderungen gerecht wird. Dieser Feldkasten besteht aus einem Simatic ET 200M-Peripheriegerät, auf dem bis zu vier AS-Interface-Anschaltmodule sitzen. Des weiteren können bis zu drei Profibus-PA-Koppler an einen DP/PA-Link angeschlossen werden. Außerdem stehen für eine eventuelle Erweiterung des Systems mit konventioneller Peripherie auch die entsprechenden digitalen und analogen I/O-Baugruppen bereit.
Diese Feldkästen, von denen in der gesamten Anlage rund 70 Stück montiert wurden, konnten schon vorab komplett vorverdrahtet und getestet werden, so dass sie bei der Montage vor Ort nur noch an die entsprechenden Buskabel angeschlossen werden mussten. So ließ sich bei der Inbetriebnahme ein Großteil des Aufwandes für Montage und Verkabelung reduzieren. Zudem ergibt sich durch den Einsatz standardisierter Komponenten ein zusätzliches Einsparpotenzial durch den geringeren Aufwand bei Wartung und Ersatzteilhaltung.
Kommunikation über optische Bussysteme
Insgesamt besteht die neue Automatisierungs- und Kommunikationsstruktur bei Cerestar aus zwei anlagenübergreifenden optischen Fast Ethernet-Ringen, die die werksweite Planung und Datenhaltung ermöglichen. Der erste Ring, der sogenannte zentrale System-Bus, verbindet sämtliche Automatisierungssysteme der einzelnen Anlagenteile. Der zentrale Terminal-Bus ermöglicht auf die gleiche Weise den Zugriff auf alle Visualisierungssysteme in den Anlagenteilen.
Die Automatisierung der beiden modernisierten und der zwei neuen Anlagen setzt sich wiederum jeweils aus zwei optischen Fast Ethernet-Ringen zusammen, die die Operator Stations und die Engineering Station (Terminal-Bus) sowie die Simatic S7-400-Automatisierungssysteme (System-Bus) eines Bereiches miteinander verbinden. Als Brücke zwischen diesen Ringen fungieren die redundanten Server.
Unterhalb der einzelnen Automatisierungssysteme sind die Geräte in der Feldebene über zwei optische Profibus-DP-Ringe an die übergeordnete Automatisierungsebene angebunden. Ein Profibus-Ring ist für die Anbindung der Sivacon-Schaltanlagen zuständig, die bei Cerestar als Motor Control Center (MCCs) ausgeführt wurden. In den MCCs sorgen Simocode DP-Motorschutz- und Steuergeräte dank ihrer umfangreichen Diagnosefunktionen dafür, dass sich die Anlagenstillstände auf ein absolutes Minimum reduzieren. Da die gesamte Antriebstechnik, bestehend aus Simocode-Geräten und Micro-/Midimaster-Umrichtern, über Profibus-DP an das PCS 7-System angebunden ist, kann von den Bedienterminals in der Leitwarte aus eine komplette Funktionsdiagnose durchgeführt werden. Auf diese Weise lässt sich auch erfassen, wie oft und warum ein bestimmter Antrieb gestört ist. So können Schwachstellen leichter identifiziert und behoben werden. Am zweiten optischen Profibus-DP-Ring befinden sich die standardisierten Feldkästen, die als Brücke zu den Geräten am Profibus-PA und AS-Interface fungieren.
Siemens übernahm im Rahmen des Projektes nicht nur die Projektierung und Inbetriebnahmen der PCS 7 Hardware, sondern lieferte auch die komplette Anwendersoftware. So wurde die Visualisierung des Prozesses nach den Vorgaben des Kunden gestaltet. Dazu wurden für einzelne Komponenten maßgeschneiderte grafische Bausteine entwickelt und in eine Anwender-Bibliothek abgelegt.
Um bei der Projektierung und Programmierung des Systems möglichst viel Zeit und Aufwand zu sparen, wurde die gesamte Software aus den entsprechenden Softwarebausteinen zusammengestellt. Dabei hat man darauf geachtet, dass weitestgehend standardisierte Bausteine verwendet wurden, die auf den Standardbibliotheken des Prozessleitsystems PCS 7 aufsetzen. Um dennoch auf die spezifischen Anforderungen des Prozesses eingehen zu können, wurden die Bausteine gegebenenfalls modifiziert und durch anlagenspezifische Module ergänzt. So entstand eine Bibliothek wiederverwendbarer Softwarebausteine.
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