Im Bereich der Analyse verfolgt Endress+ Hauser eine Strategie mit zwei Stoßrichtungen. „Zum einen möchten wir uns den Markt der Laboranalyse erschließen und
damit die Grundlage unseres Geschäfts
verbreitern. Zum anderen ist es unser Ziel,
moderne analytische Verfahren verstärkt in die verfahrenstechnischen Anlagen unserer Kunden hineinzubringen, also unser angestammtes Geschäft zu vertiefen“, betont
Dr. Manfred Jagiella, Vorstandsmitglied der Endress+Hauser-Gruppe und CEO von
Endress+Hauser Conducta. Jagiella weiter: „Die Übernahme von Analytik Jena verschafft uns Zugang zur Welt der Laboranalyse oder zur „roten Welt“, von der wir in Anlehnung an die dominierende Hausfarbe häufig sprechen – im Unterschied zur „blauen Welt“ von Endress+Hauser. Im
Laborgeschäft treffen wir häufig auf die gleichen Kunden wie in der Prozesstechnik. Künftig wollen wir sie vom Labor bis in den Prozess begleiten, von der Forschung über die Produkt- und Verfahrensentwicklung
bis zur Produktion. In den Life Sciences
beispielsweise ist es entscheidend, dass wir frühzeitig einbezogen sind, da bereits im Zulassungsverfahren Vorgaben für die Instrumentierung in der Wirkstoffherstellung gemacht werden.“
Strukturen des Laborgeschäfts
Das Laborgeschäft erfordert einen hochgradig spezialisierten Vertrieb. „Deshalb halten wir hier an den eigenständigen Strukturen von Analytik Jena fest, die wir weltweit ausbauen wollen, denn mit Ausnahme von Deutschland und China sind die Marktanteile von Analytik Jena gering. Wir erwarten, dass roter und blauer Vertrieb sich austauschen, gegenseitig unterstützen und einander die Türen öffnen“, erläutert Ulrich Krauss, CEO der Analytik Jena AG.
Endress+Hauser hat Analytik Jena in einer für das Unternehmen entscheidenden Phase übernommen. Die Firmengründer haben nach einer Möglichkeit gesucht, ihr Lebenswerk und ihre Aufbauarbeit zu sichern. Zugleich waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kritisch. So hatte Analytik Jena zuvor den Versuch einer feindlichen Übernahme abwehren müssen. Endress+Hauser kann Analytik Jena den strukturellen und
finanziellen Rahmen bieten, um sich als international führender Anbieter zu etablieren. Krauss hierzu: „Für uns bieten sich durch die Zugehörigkeit zur Endress+Hauser-Gruppe große Wachstumspotenziale und Chancen für die Zukunft und zudem die Sicherheit, uns auch als kleines Unternehmen langfristig und dauerhaft entwickeln zu können. Wir werden die Strukturen von Analytik Jena an jene von Endress+Hauser anpassen und auf vielen Ebenen eng zusammenarbeiten. Eine in vielen Punkten ähnliche Firmenkultur, geprägt durch die jeweiligen Gründer, wird das Zusammenwachsen erleichtern.“
Die blaue Welt der Analyse
Zur Analysestrategie von Endress+Hauser gehört auch die Stärkung der Prozessanalyse. Die Betreiber verfahrenstechnischer Anlagen wollen jederzeit umfassend darüber im Bilde sein, was im Prozess vor sich geht. Sie wollen Klarheit nicht allein über Prozessbedingungen, sondern auch über Materialeigenschaften, und dies ohne Zeitverzug und ohne Einfluss auf die Produktion. Vor allem Fortschritte auf dem Gebiet der optischen Analyseverfahren eröffnen vielfältige Möglichkeiten, Stoffe berührungslos und schnell zu untersuchen.
Die modernen Analyseverfahren arbeiten schnell, zuverlässig und hochgenau. Und sie senken die Kosten, denn sie sind günstig in der Anwendung. Sie kommen ohne Verbrauchsmaterialien aus, sind wartungsarm oder sogar wartungsfrei. Nicht zuletzt eröffnen moderne Analyseverfahren Anwendungen, für die es bisher keine technische
Lösung gegeben hat.
Das Ziel von Endress+Hauser ist, diese neuen Technologien einfacher und besser für die Welt der Verfahrenstechnik nutzbar zu machen und so den Kunden einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dazu hat sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren durch Akquisitionen gezielt verstärkt:
- 2012 ist Spectrasensors zu Endress+Hauser gestoßen. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben führend in der laserbasierten Gasanalyse mit Absorptionsspektroskopie. Mit ihr lassen sich im laufenden Prozess selbst kleinste Konzentrationen einzelner Substanzen hochgenau bestimmen. Die Gasanalysatoren kommen sowohl in Erdgaspipelines als auch in petrochemischen Raffinerien und chemischen Betrieben zum Einsatz.
- 2013 hat die Firmengruppe Kaiser Optical Systems erworben, Vorreiter auf dem Gebiet der Raman-Spektroskopie. Die Geräte geben Auskunft über Stoffzusammensetzung und Materialeigenschaften. Sie lassen sich im laufenden Prozess einsetzen, ebenso im Labor.
Die neuen Gruppenfirmen ergänzen das
angestammte Geschäft der Prozessanalyse. Auch Endress+Hauser Conducta, das Kompetenzzentrum für Flüssigkeitsanalyse, ist längst in den Bereich der modernen Analyse vorgestoßen. Ionenselektive Elektroden, die den Ammonium- und Nitratgehalt in Kläranlagen bestimmen, fallen in diese Kategorie, ebenso Multiparametersysteme mit Sensoren, die im ultravioletten und sichtbaren Bereich des Spektrums arbeiten.
Spectrasensors wie auch Kaiser Optical Systems werden als eigenständige Kompetenzzentren weitergeführt. Da die Analysatoren und Probenehmer ein umfassendes Verständnis für die Anwendung und die chemischen Vorgänge im Prozess erfordern, baut Endress+Hauser hierfür eine spezialisierte Vertriebs- und Serviceorganisation auf.
Diese erweitert zunächst die vorhandenen Strukturen von Spectrasensors und Kaiser Optical Systems.
Blue Ocean Nova ergänzt Angebot
Mit der Übernahme von Blue Ocean Nova zum 31. Oktober 2017 hat Endress+Hauser das Portfolio an Produkten, Lösungen und Dienstleistungen zur Prozessanalytik weiter ausgebaut. „Die Prozesssensoren von Blue Ocean Nova umfassen die für optische Spektroskopie relevanten Bereiche (UV/VIS, NIR und MIR) zur Inline-Analyse von Flüssigkeiten, Gasen und Feststoffen“, betont
Dr. Monika Heisterkamp, Director Marketing bei Endress+Hauser Conducta. Die Technologie ermöglicht die Integration des Spektrometers direkt in die Messsonde – auch in explosionsgefährdeten Bereichen. Darüber hinaus können die Sensoren automatisch gereinigt und direkt in Prozessleitsysteme eingebunden werden. Die Systeme von Blue Ocean Nova werden in der Lebensmittelindustrie, der Öl- und Gas-Branche, der chemischen Industrie sowie in den Life Sciences unter anderem zur Konzentrations- und Feuchtemessung sowie zur Bestimmung relevanter Qualitätsparameter eingesetzt.
Blue Ocean Nova rückt unter das Dach des Endress+Hauser Kompetenzzentrums für Flüssigkeitsanalyse mit Sitz in Gerlingen bei Stuttgart. „Die von Blue Ocean Nova entwickelten intelligenten Prozesssensoren erweitern unser bisheriges Angebot im Bereich der Prozessanalytik um einen strategisch wichtigen Baustein“, sagt Dr. Manfred Jagiella. Alle derzeit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im baden-württembergischen Aalen werden weiter beschäftigt.
Zukünftige Planungen
„Selbstverständlich wollen wir in der blauen Welt der Analyse ebenfalls Synergien nutzen, die sich aus den Gemeinsamkeiten ergeben, ebenso zwischen blauer und roter Welt. So soll Know-how in Sachen Lasertechnologie und Optik geteilt und gemeinsam vermehrt werden“, betont Jagiella. „Beschaffung und Fertigungstechnologie bieten ebenfalls Anknüpfungspunkte“, führt Jagiella weiter aus. „Für künftige Produkte sind gemeinsame technologische Plattformen denkbar. Noch offen ist, wie wir künftig die Laborprodukte von Kaiser Optical Systems vertreiben werden. Denkbar ist, dass wir versuchen, diesen Markt unter dem Dach von Analytik Jena zu bearbeiten. Eine Entscheidung hierzu ist noch nicht gefallen. Überhaupt ist unsere Analysestrategie nicht abschließend. Sie muss zwangsläufig viele Fragen offenlassen, die sich erst im Laufe der Umsetzung beantworten lassen. Die grobe Richtung aber ist vorgegeben. Keine Zweifel haben wir daran, dass das Thema Analyse im Labor wie auch im Prozess riesiges Potenzial birgt. Sie kann für Endress+Hauser zum großen Wachstumstreiber für die nächsten ein, zwei
Dekaden werden.“
Suchwort: cav0318endress, dei0318endress, phpro0218endress
Halle A1, Stand 310
Günter Eckhardt
Chefredakteur