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Online-Messung: Auf den Punkt genau

Temperierung hochviskoser Flüssigkeiten
Online-Messung: Auf den Punkt genau

Was für den Produzenten niedrigviskoser Flüssigkeiten als Selbstverständlichkeit gilt, stellt für den Hersteller hochviskoser Medien die Ausnahme dar. Die Rede ist von der Online-Überwachung des Produktes während der Herstellung ohne Zeitverzug durch Laboruntersuchungen. Sie stellt die Voraussetzung für die Umstellung eines Batchbetriebs auf einen kontinuierlichen Betrieb unter Aufrechterhaltung hoher Qualitätsstandards dar.

Ralf Schmidt, Dr. Tim Koeckritz

Die Herstellung hochviskoser Flüssigkeiten wie Silikone, Harze, Klebstoffe, Schweröle etc. zeichnet sich im Allgemeinen dadurch aus, dass die Produktionstemperatur weitaus höher ist als die Anwendungstemperatur. Dies ist nicht nur der chemischen Reaktionskinetik, sondern auch der Tatsache geschuldet, dass die Produkte bei niedrigen Temperaturen kaum noch misch- oder pumpfähig sind und somit durch Temperierung fließfähig gehalten werden müssen. Die Voraussetzung für eine korrespondierende In- bzw. Online-Messung bei niedrigeren Temperaturen ist demnach eine kontinuierliche Kühlung mit hoher Genauigkeit und Präzision. Diese muss den Ansprüchen hoher Viskositäten mechanisch wie thermodynamisch ebenso gewachsen sein wie das dazugehörige Messinstrument.
Mit keinem geringeren Anspruch ging Proserve mit dem Sensorexperten Endress & Hauser in den Wettbewerb zur Online-Viskositätsmessung eines Schweröls. Die Viskosität von Schwerölen wird nach internationaler Normung bei +50 °C gemessen und die Produkte anhand der Viskosität entsprechend klassifiziert. Die präzise Einstellung der Viskosität durch Additive erfolgt jedoch nicht bei +50 °C, sondern bei Temperaturen oberhalb von +90 °C mit dem Resultat, dass der Erfolg der Additivdosierung bisher nur unter hohem Aufwand überwacht werden konnte.
Eine kontinuierliche Durchflusskühlung auf +50 ± 0,1°C ist bereits für eine Kühlung niedrigviskoser Flüssigkeiten wie Wasser nicht banal, wenn die Zulauftemperaturen, wie in diesem Fall von 73 bis 96 °C schwanken und eine kontinuierliche Kühlung im Durchfluss erreicht werden soll. Die Durchflusskühlung zeichnet sich im Gegensatz zur Umlaufkühlung dadurch aus, dass die Temperierung nur ein einziges Mal erfolgt und ein ungenügendes Temperierergebnis nicht durch einen erneuten Temperierdurchgang korrigiert werden kann. Um diesem hohen Anspruch gerecht werden zu können, wurde das Präzisionsziel in der Kühlerentwicklung auf ±0,02 °C festgelegt. Auf diese Weise lässt sich die Anwendervorgabe von ±0,1 °C sicher erreichen. Zur Kühlung wurde ein neues Verfahren zur Wärmeübertragung Öl-Wasser entwickelt, in dem die dynamischen Änderungen der Öltemperatur und der Ölviskosität in ein thermodynamisches Gleichgewicht bei +50 °C gezwungen werden.
Das Kühlsystem
Die Wärmeabgabe des Öls erfolgt über zwei kommunizierende Wasserkühlungen, die einen geordneten Wärmegradienten aufrechterhalten. Der Kühler ist mit einer eigenen Pumpe ausgestattet, der die drucklose Ölübergabe gleichwohl wie die Förderung bei einem hohen Vordruck gestattet. Um die Praxistauglichkeit der Anlage zu gewährleisten, wurden Maßnahmen gegen das Verblocken der Anlage getroffen. Diese Gefahr besteht immer im Falle eines zunehmenden Viskositätsanstiegs durch Produktauskühlung unterhalb des Stockpunktes, der für das getestete Schweröl mit ca. +45 °C nahe am Temperierpunkt von +50 °C lag.
Zur Bestimmung der Ölviskosität wurde ein Proline Promass 83I von Endress & Hauser eingesetzt. Der Coriolis-Durchflussmesser ist in der Lage, neben dem Durchsatz, der Temperatur und der Dichte auch die Viskosität eines Mediums zu bestimmen. Durch die berührungslose Messung in einem freidurchgängigen Rohr ist das Modul praktisch wartungsfrei, benötigt keine Vorfiltration des Produktes und kann mit organischen wie anorganischen Chemikalien gereinigt bzw. gespült werden. Mit diesen Eigenschaften stand der Promass auch Vorbild für das innere Design des Kühlaggregates, das ebenfalls eine sehr hohe Leistungsfähigkeit mit einer robusten Bauweise verbindet, gleichsam wie der Promass CIP-fähig ist und damit auch den hohen Hygienestandards der Lebensmittelindustrie gerecht wird.
Nach intensiver Prüfung des Gerätes im Technikum mit Flüssigkeiten unterschiedlicher Viskositäten bis 1500 cSt konnte die Zieltemperatur von +50 °C mit der zum Ziel gesetzten Genauigkeit von +0,02 °C erfolgreich erreicht werden. Da das Gerät keine zusätzliche Heizung besitzt, sondern allein die thermische Energie des zu kühlenden Mediums nutzt, muss die Vorlauftemperatur mindestens +70 °C betragen. Die getestete Obergrenze von +120 °C Öltemperatur im Anlagenzulauf wurde hingegen mühelos absolviert, sodass das obere Limit des Kühlers einer von vielen Inhalten der weiteren Entwicklung sein wird.
Der Praxisbetrieb
Die Jungfernfahrt des neuen Kühlsystems auf einer Raffinerie bestritt der Kühler im stabilen Dauerbetrieb im Produktionsbypass. Ursprünglich installierte Filtersysteme, die für den sicheren Betrieb anderer, sensiblerer Geräte notwendig waren, stellten sich für das Kühlsystem als hinderlich dar. Die Filtersysteme verzögern aufgrund ihres Eigenvolumens nicht nur die Online-Abbildung des Prozesses, die in ihnen stattfindenden Filtrations- und Kühlprozesse können die Wahrscheinlichkeit einer Systemverblockung dramatisch ansteigen lassen.
Die Entfernung von Filtersystemen verlangt im Gegenzug den analytischen Nachweis, dass die Entfernung keinen Einfluss auf die Messgenauigkeit hat. Dies wurde anhand zweier weiterer Temperaturfühler realisiert, die direkt vor und hinter dem Promass installiert wurden. Sie besaßen die Aufgabe, die Öltemperatur direkt im Produktstrom zu messen und mit der internen Temperaturmessung des Promass zu vergleichen. Zu diesem Zweck wurden die Sensoren gegen geeichte Thermometer auf 0,02 °C kalibriert. Die Temperaturmessung findet im Promass nicht im Produktstrom, sondern auf dem Messrohr statt und trägt zur Temperaturkompensation der Viskositätsmessung bei. Der Unterschied beider Temperatursysteme war zu Beginn wie nach drei Monaten Projektlaufzeit konstant. Es kann dementsprechend davon ausgegangen werden, das die Filterentfernung keine Ablagerungen im System zur Folge hatte, zumal dessen gelegentliche Spülung mit Dieselkraftstoff durchgeführt wurde.
Zum Ende der Testphase wurde innerhalb eines Tages die Viskosität des Öls von 200 auf 600 cSt gesteigert. Über einen Probenahmehahn hinter dem Promass wurden regelmäßig Proben entnommen und im werkseigenen Labor untersucht.
Diskussion
Die Viskositätsmessung eines Schweröls bei +50 °C hat demonstriert, dass auch hochviskose Medien zuverlässig temperiert und ihre Viskositäten bestimmt werden können. Die Besonderheit in der beschriebenen Anlagenkonfiguration liegt neben der hohen Viskosität des Mediums in dem Umstand begründet, dass die Kühlung im einfachen Durchlauf bei 5 bis 20 l/h erfolgte. Dieser Durchsatz ist für ein Analysengerät als hoch zu bezeichnen, anderseits besitzt die Online-Analyse auch die Aufgabe zur Abbildung der Messdaten anhand repräsentativer Probenahmemengen. Die hier präsentierte Messtechnik zeigte in den Versuchen der Entwicklungsphase deutlich, dass die Viskositätsmessung mit der Zulauftemperatur schwankte, obwohl die Messung zuverlässig bei +50 ±0,1 °C erfolgte. Bei einem simulierten Temperatursturz im Anlagenzulauf von +110 °C auf +80 °C innerhalb von 10 Minuten veränderte sich die Viskosität um 10 %. Diese Abhängigkeit zeigte sich, wenn auch weniger gravierend, im Dauerversuch auf der Raffinerie.
Der dargestellte Zusammenhang, wonach höhere Temperaturen mit höheren Viskositäten korrelieren, steht im Widerspruch zum chemischen Viskositätsverhalten. Es gilt demnach zu diskutieren, ob beispielsweise die Förderung höherer Viskositäten zu einer Erwärmung des Mediums beim Pumpen oder andere produktionsseitige Einstellungen zu den Temperaturänderungen führen. Dementsprechend muss auch für dieses Messverfahren der Anspruch erhoben werden, dass die Messung zeit- und ortsnah an der Abfüllung, Misch-, Dosierstation oder anderen zentralen Produktionseinheiten erfolgt.
Online-Info www.cav.de/1010400
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