Die Temperatur ist für die Durchführung der Produktionsprozesse in der chemisch-pharmazeutischen Industrie ein essentiell wichtiger Parameter. Die richtige Temperaturführung entscheidet häufig über die Ausbeute der Prozesse, die Qualität des Produkts und die sichere Durchführung der Prozesse. Will man jedoch die räumliche Temperaturverteilung, beispielsweise in einem Rohrreaktor, wissen, stoßen herkömmliche Temperaturfühler an ihre Grenzen.
Dr. Wolfgang Borchers
Für die Messung der Temperatur werden heute ganz verschiedene physikalische Effekte ausgenutzt. Weit verbreitet, weil einfach, zuverlässig und kostengünstig, sind Widerstandsthermometer und Thermoelemente. Auf der komplexeren Seite sind kontaktlose Infrarot-Strahlungsthermometer für punktförmige bzw. flächenhafte Temperaturmessungen ebenfalls industrieller Standard. Trotz der Vielfalt an Messsystemen gibt es immer noch Lücken, in denen etablierte Temperaturmessgeräte aus prinzipiellen oder wirtschaftlichen Gründen nicht eingesetzt werden können.
Viele Verfahren der Prozessindustrie erfordern, über die punktförmige Temperaturmessung hinaus, die Kenntnis der räumlichen Verteilung der Temperatur in einem Prozess. Typisches Beispiel dafür sind Reaktionen in Rohrreaktoren, bei denen die stoffliche Umsetzung während der Durchströmung eines Reaktionsrohres, eventuell unter Mitwirkung eines Katalysators erfolgt. Hier sind viele Parameter beteiligt, die Einfluss auf das Temperaturprofil haben (Stöchiometrie, Durchflussmenge, lokale Katalysatoraktivität, Wärmeaustausch mit dem Mantel), so dass die Messung der Temperatur an ein oder zwei Punkten zur Charakterisierung des Reaktionsablaufs (z.B. Hot-Spot-Erkennung) nicht ausreicht.
Auch in weiteren Apparaten der Prozessindustrie (Kolonnen, Wärmetauscher, Verdampfer, Kristaller, Mischer) ist eine Prozessoptimierung durch Kenntnis der räumlichen Temperaturverteilung zu erwarten.
Aus diesem Grunde wurde bereits auf der Namur-Hauptsitzung 2003 mit dem Schwerpunktthema Prozess-Sensorik die Bedeutung der Kenntnis von räumlichen Temperaturprofilen für die Prozess- und insbesondere für die Reaktionsführung festgestellt. Im Rahmen einer Kooperation haben Bayer Technology Services GmbH und Advanced Optics Solutions GmbH nun einen völlig neuen Weg zur messtechnischen Erfassung von Temperaturprofilen in chemischen Anlagen verfolgt und die notwendigen Komponenten auf der Sensorseite und auf der apparativen Seite zur Einsatzreife gebracht. Ziel war dabei, die Rückwirkung der Sensoreinbringung auf den Prozess zu minimieren, die Sensorinfrastruktur (Kabel, Versorgung, Informationsübertragung) gering zu halten und den Messumformer passend zur Automatisierungswelt der Branche zu gestalten.
Mehrere Thermometer auf einem Glasfaserstrang
Der für die Temperaturmessung ausgenutzte Effekt beruht auf der Auswertung der Reflexionsspektren von Faser-Bragg-Gittern (FBG) die mit Hilfe einer einmaligen UV-Behandlung in Glasfasern eingeschrieben werden. FBG sind räumlich periodische Strukturen entlang der Faser, die durch einen alternierenden Brechungsindex gekennzeichnet sind. Ein FBG belegt ca. 5 mm des Faserstrangs. Es können je nach Messaufgabe mehrere FBG an vorbestimmten Stellen in einen Glasfaserstrang eingeschrieben werden. Jedes FBG reflektiert aufgrund seiner spezifischen Periodizität eine bestimmte Wellenlänge des einfallenden Lichts. Durch unterschiedliche Periodenlängen der FBG werden diese spektroskopisch unterscheidbar, so dass jedes Thermometer (=FBG) im Spektrum eindeutig zugeordnet werden kann. Die Temperaturabhängigkeit des reflektierten Lichts ergibt sich aus der Temperaturabhängigkeit der effektiven optischen Periodizität. Diese wird durch den temperaturabhängigen Brechungsindex und die temperaturabhängige Lineardimension (Wärmeausdehnung) definiert.
Temperaturprofile messen
Der Temperaturprofilsensor besteht daher aus einem Glasfaserstrang, der individuell für die jeweilige Applikation von AOS mit FBG’s präpariert wird. Die Glasfaser selbst wird durch eine Kapillare vor mechanischen Belastungen und Stoffeinwirkungen geschützt. Die Auslesung der Thermometer erfolgt von nur einer Seite der Glasfaser, so dass die Prozessanbindung über ein Lichtwellenleiterkabel mit minimalem Aufwand erfolgen kann.
Für die spektroskopische Auswertung der Thermometer und die Anbindung an Prozessleitsysteme wurde von BTS auf Basis der proprietären Spektrometerplattform SpectroBay ein Messumformer entwickelt, der über optische Umschalter mehrere Glasfaserstränge simultan auswerten kann. Dieses Gerät bietet neben der Online-Übertragung der Messwerte, Automatisierungsfunktionen, Remote Control, Selbstdiagnose sowie die Statusübermittlung über die bekannten Namur-Signale (z. B. Ausfall). Für die Leitsystemanbindung kann Profibus DP oder verschiedene andere Feldbussysteme eingesetzt werden. Der besondere Vorteil dieses Gerätes ist die Kombinationsfähigkeit der Temperaturprofilmessung mit der NIR-Stoffkonzentrationsmessung. Dadurch ist es möglich, die räumliche Temperaturverteilung und die Stoffkonzentration simultan mit einem Gerät zu messen und zur Überwachung und Regelung einem Prozessleitsystem zur Verfügung zu stellen.
Da die Gerätetechnik, je nach Applikation, die Auswertung von rund 100 Thermometern, verteilt auf mehrere Glasfaserstränge, erlaubt, ist auch eine dreidimensionale Darstellung der Temperaturverteilung in einem Volumen möglich.
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