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Online-Massen- spektrometrie

Verfahrensoptimierung bei hohen Temperaturen in reaktiven Strömungen
Online-Massen- spektrometrie

Im Geschäftsbereich Specialities der Wacker-Chemie ist die katalytische Spaltung von Essigsäure zu Keten eine Schlüsseltechnologie. Um in diesem Bereich weitere Optimierungspotenziale zu erschließen, setzte man auf Methoden der Simulation und Modellbildung, hier speziell auf das übergeordnete Prozessmodell Vali und das Simulationsprogramm Ketsim, und auf präzise Konzentrationswerte aus der Massenspektrometrie.

Thomas List, Dominik Dempf, Michael Brudel

Basierend auf Bilanzgleichungen im gesamten Ketenprozess liefert Vali konsistente Messwerte zur detaillierten Berechnung des Ketenreaktors und der Ketenkondensation durch das Simulationsprogramm Ketsim. Zur Justierung der Modellparameter, insbesondere für die Reaktionskinetik waren Online-Messungen der Substanzkonzentrationen an verschiedenen Stellen im Reaktor erforderlich. Hierzu setzte die Wacker-Chemie eine spezielle Probenaufbereitung in Kombination mit einem Massenspektrometer ein.
Mit Hilfe des parametrisierten Simulationsmodells führten Simulationsrechnungen und Versuche am Reaktions- und Kondensationssystem zu Modifikationen an der verfahrenstechnischen Apparatur, wodurch die Effizienz der Anlage deutlich gesteigert wurde.
Ketenprozess und Gesamtbilanzierung
In einem gasbeheizten Spaltofen wird dampfförmige Essigsäure zu Keten und Wasser gespalten. Die Spaltung ist endotherm (In einem gasbeheizten Spaltofen wird dampfförmige Essigsäure zu Keten und Wasser gespalten. Die Spaltung ist endotherm (H = 140 kJ/mol) und findet bei 700 °C und 500 mbar Pa statt. Das Reaktionsprodukt enthält nicht umgesetzte Essigsäure, Essigsäureanhydrid, Kohlendioxid, Methan, Propadien, Wasserstoff, Diketen, Kohlenmonoxid und Ethylen sowie Umsetzungsprodukte des Katalysators und des Inhibitors. Das aufgeheizte Spaltgas verlässt den Reaktor mit hoher Geschwindigkeit und wird zur Abtrennung des gewünschten Zielproduktes Keten abgekühlt. Im Kondensat finden sich hauptsächlich nicht umgesetzte Essigsäure und das entstandene Wasser wieder. Diese Dünnsäure wird nach Aufarbeitung dem Prozess wieder zugeführt.
Als Bilanzraum wurde die komplette Ketenanlage bestehend aus Reaktion, Destillation und Hydrolyse gewählt. Der Bilanzraum wurde mit den Massenbilanzgleichungen einzelner Apparate und Apparategruppen beschrieben (Vali). Die Minimierung der Summe aller Abweichungen zwischen gemessenen Ein- und Ausgangströmen unter der Randbedingung der Erhaltung der Gesamtmasse liefert validierte (massenbilanzkonsistente) Messwerte für weitere Simulationsrechnungen und zentrierte Werte für die zu erwartenden mittleren Konzentrationen am Ausgang vom Reaktor.
Anpassung des Reaktormodells an reale Prozessdaten
Ein mathematisches Modell zur dynamischen Simulation des Reaktorverhaltens und zur Optimierung der Reaktorgeometrie (Ketsim) erforderte Betriebsversuche mit einer Online-Aufnahme der Konzentrationswerte am Reaktoreingang (vor und nach der Katalysatordosierung), in der Reaktormitte und am Reaktorausgang. Für die Modellierung der Kondensation waren Messungen am Ausgang der Kondensationsstufe erforderlich. Die ablaufenden Reaktionen stehen in einem temperatur- und druckabhängigen Gleichgewicht miteinander, welches durch die hohe Reaktivität des Ketens überlagert wird. Die Parametrierung des Reaktor- und Kondensationsmodells erfolgte durch eine Reihe von dynamischen Betriebsversuchen und systematischen manuellen Auswertungen der Konzentrationszeitreihen.
Die hohe Reaktivität des Produkts, die geforderte Messdynamik und die Probenbedingungen erforderten den Einsatz eines Prozessmassenspektrometers mit entsprechender Probenahmetechnik und -aufbereitung, um Messwertverfälschungen durch Rückreaktionen zu minimieren. Andere spektrometrische Online-Analysemethoden erwiesen sich als nicht brauchbar.
Online-Analysentechnik mit Massenspektrometer
Als Massenspektrometer wurde ein Quadrupol-Massenspektrometer von InProcess Instruments eingesetzt, mit dem man bis zu 20 verschiedene Komponenten in dieser komplexen Gasmatrix gleichzeitig ermitteln kann. Mit einer entsprechenden Probennahme und Gasumschaltung lassen sich so mit einem Gerät die Konzentrationswerte der gesamten Reaktionsmischung an verschiedenen Punkten des Spaltofens bestimmen.
Probennahmetechnik
Im Massenspektrometer wird die Gaszusammensetzung der Probe unter Vakuumbedingungen bestimmt. Dies ist notwendig, da beim Messprozess die Gasprobe ionisiert wird und anschließend die geladenen Teilchen (Ionen der Moleküle und Molekülbruchstücke) im eigentlichen Trennsystem, dem Quadrupolanalysator, nach ihrer Teilchenmasse sortiert werden. Für die gegebene Aufgabenstellung deckt sich diese Voraussetzung idealerweise mit den Bedingungen zur Probenentnahme.
Eine schnelle Absenkung des Probendruckes ist für die Analyse von hochreaktiven und heißen Gasen wichtig, um Rückreaktionen in den Probeleitungen zu vermeiden. Ferner bewirkt die Druckabsenkung einen schnellen Transport von der Entnahmesonde zum Massenspektrometer und senkt somit die Gefahr unerwünschter Reaktionen. Der Nachweis und die Quantifizierung erfolgen in einem Teilchendetektor (SEV), der ebenfalls im Vakuum betrieben wird, und über eine hoch empfindliche Detektorelektronik mit entsprechender Software. Mit diesem Messverfahren lassen sich somit die einzelnen Komponenten einer Mischung selektiv und über einen weiten Messbereich sehr genau bestimmen.
Die Druckreduktion auf die Vakuumbedingungen im Massenspektrometer erfolgt über dünne Kapillaren und Blenden. Damit ist der eigentliche Gasverbrauch sehr niedrig, die Anforderungen an die Partikelfreiheit des Messgases allerdings sehr hoch. Für eine kontinuierliche Messung ist deshalb die Probennahme von entscheidender Bedeutung. Die Probe sollte sich in Ihrer Zusammensetzung auf dem Weg zum Messsystem nicht verändern und störende Partikel weitgehend entfernt werden.
Die praktische Umsetzung dieser Anforderungen gelingt in diesem Fall mit einer speziellen Niederdruck-Entnahmetechnik. Die Vorteile dieses Verfahrens liegen vor allem im geringen Probenverbrauch, dem schnellen „Abschrecken“ der heißen Reaktionsmischung, der kurzen Ansprechzeit und der Entfernung von störenden Partikeln. Eine genaue Druckregelung im Gaseinlass des Massenspektrometers ermöglicht exakte Messwerte mit einer sehr stabilen Kalibrierung der komplexen Messmatrix.
Die Kalibrierung des Massenspektrometers ist für die quantitative Bestimmung von besonderer Bedeutung. Für diese Messaufgabe müssen einzelne Komponenten im Labor in definierten Mengen erzeugt werden, da kommerzielle Kalibriergase nicht für alle Komponenten verfügbar sind. Das eingesetzte Prozess-Massenspektrometer GAM 300 zeigt nach der Kalibrierung eine sehr gute Langzeitstabilität und eignet sich daher sehr gut für diese produktionsbegleitende Analytik, da die Wiederholung aufwändiger Kalibrierprozeduren entfallen kann. Eine Nachkalibrierung ist nur beim Umsetzen des Gerätes an einen anderen Einsatzort nötig.
Präzise parametriert
Die direkte Online-Analytik an den verschiedenen Messstellen des Spaltofens mit dem Massenspektrometer ermöglicht eine genaue Parametrierung des Simulationsmodells unter Produktionsbedingungen. Damit konnten die Prozessparameter der katalytischen Essigsäurespaltung gezielt verbessert und kontrolliert werden. Durch den Einsatz des Massenspektrometers in Kombination mit Datenvalidierung, Simulation und Betriebsversuchen, wurde damit über die Prozessoptimierung eine Ergebnisverbesserung von bis zu 13 % erreicht.
Die Methodenkombination aus Massenspektrometrie und Probenentnahmetechnik ist die Methode der Wahl, wenn andere spektroskopische Methoden an ihre Grenzen stoßen. Der hohe Aufwand für die Online-Messung von Konzentrationen bei hohen Temperaturen in reaktiven Strömungen lohnt sich besonders, wenn die Messdaten auf Konsistenz geprüft und zur Parametrierung eines Simulationsmodells verwendet werden. Damit lässt sich das Produktivitätspotenzial von Anlagen, die durch Trial and Error bereits nahe an das Optimum gebracht worden sind, um die letzten fünf bis zehn Prozent steigern.
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