Startseite » Chemie »

Schwarzes Gold aus Bayern

Wintershall unternimmt Erdölbohrungen im Alpenvorland
Schwarzes Gold aus Bayern

Wenn es um Erdölförderung geht, denkt man zunächst an die großen Lagerstätten im arabischen Raum, im Golf von Mexiko oder in Russland. Dass auch direkt vor der eigenen Haustür nicht unansehnliche Erdölvorkommen liegen, ist vielen unbekannt. Wird Bayern bald ein ernst zu nehmender Erdölproduzent? Die cav-Redaktion sprach mit Dr. Thomas Ruttmann, Leiter der Abteilung Operations bei Wintershall Deutschland, über die aktuellen Probebohrungen im Alpenvorland.

Autorin Daniela Held Redakteurin, cav chemie anlagen verfahren

Beflügelt von dem Erfolg der Schiefergas- und Ölförderung in den USA und Kanada, suchen die europäischen Länder ebenfalls nach Wegen, ihren Energiebedarf zumindest zu einem Teil durch heimische Öl- und Gasvorkommen abzudecken. In Deutschland wird seit Jahrzehnten Erdgas gefördert, das momentan über 10 % des jährlichen Erdgasbedarfs ausmacht. Das entspricht dem Jahresverbrauch von mehr als 6 Mio. Einfamilienhäusern. Dazu trägt auch Wintershall, der größte deutsche Erdöl- und Erdgasproduzent, bei. Doch die deutsche Erdgasförderung geht immer stärker zurück. Und auch die geförderte Erdölmenge betrug im Jahr 2012 nur noch die Hälfte der Fördermenge von 1970.
Es besteht also Handlungsbedarf, will man nicht komplett vom Energieimport abhängig sein. Seit mehreren Jahren ist insbesondere die Schiefergasförderung, das sogenannte Fracking, in der Diskussion. Hier gilt es, Umweltrisiken gegenüber dem wirtschaftlichen Nutzen abzuwägen. In Deutschland gelten diesbezüglich sehr strenge Auflagen. Unter anderem aus diesem Grund könnte eventuell eine Wiederbelebung der Erdölförderung eine Alternative darstellen. Deutschland verfügt über viele Erdgas- und Erdöllagerstätten, die größten liegen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Doch auch im Alpenvorland, in der Nordsee, im Oberrheintal oder im Thüringer Becken gibt es Vorkommen. Die komplexen geologischen Verhältnisse der deutschen Erdgas- und Erdöllagerstätten setzen qualitativ hochwertige Technologien voraus, mit denen sich die wertvollen Rohstoffe fördern lassen. Erdöl und Erdgas lagern in den Poren tiefer Gesteinsschichten, wo die beiden Kohlenwasserstoffe wie in einem Schwamm gespeichert sind. Durch den aktuellen Öl- und Gaspreisrückgang stellt sich allerdings die Frage, ob eine heimische Förderung unter diesen erschwerten Bedingungen in Zukunft konkurrenzfähig ist.
Zeichen für die heimische Förderung
Mit der Meldung „O´zapft is! Wintershall baut traditionelle Erdölförderung in Bayern aus“ setzte die 100%ige Tochter der BASF AG ein Zeichen für die heimische Förderung. Pünktlich zum Start des Oktoberfestes 2014 hat Wintershall zwei Probebohrungen im Allgäu abgeschlossen. Die Bohrungen sollen zeigen, ob es sich lohnt, nach einer Pause von mehreren Jahrzehnten die traditionelle Ölproduktion in der Region wiederzubeleben. Das Unternehmen investiert in Bedernau und Lauben mehrere Millionen Euro. Die Ergebnisse der beiden Probebohrungen in Lauben und dem benachbarten Bedernau wurden bis Ende 2014 untersucht. Dann soll die Entscheidung fallen, ob Wintershall ab 2016 im Allgäu wieder Erdöl fördert.
Bedernau gehört wie das Erdölfeld Lauben zu einer Perlenkette von älteren Lagerstätten im Alpenvorland. So liegt Bedernau im ehemals bedeutendsten Ölfeld Bayerns, dem Feld Arlesried. Hier hat Wintershall innerhalb von drei Jahrzehnten insgesamt fast 2 Mio. t Erdöl gefördert. Aufgrund des niedrigen Ölpreises hatte das Unternehmen Mitte der 90er-Jahre die Produktion eingestellt. Die Erdölförderung in Lauben wurde in den 80er-Jahren beendet. Geologische Untersuchungen haben für Bedernau und Lauben jetzt neue Potenziale ergeben. Partner der beiden Erkundungsbohrungen der Wintershall ist Rhein Petroleum.
prozesstechnik-online.de/cav0215417

Erdöl aus Bayern hat eine hohe Qualität

3698104

Nachgefragt

cav: Herr Ruttmann, wie groß schätzen Sie die deutschen Ölvorräte?
Ruttmann: Deutschland verfügt nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe derzeit über etwa 32 Mio. Tonnen Erdölreserven, die als sicher oder wahrscheinlich förderbar gelten. Tatsächlich machen diese Reserven aber nur einen geringen Teil des insgesamt vorhandenen Potenzials aus. Denn es kommen Ressourcen dazu, die momentan noch nicht wirtschaftlich förderbar oder geologisch noch nicht exakt erfasst sind. So werden beispielsweise in den Küstengewässern der Nordsee Erdölvorkommen in einer Größenordnung von etwa 20 Mio. Tonnen erwartet.
cav: Welcher Anteil des deutschen Erdölbedarfs lässt sich durch heimische Förderung decken?
Ruttmann: Die heimische Erdölförderung ist Versorgungssicherheit vor der eigenen Haustür. Zwar deckt die Produktion aus heimischen Quellen mit etwa 2,6 Mio. Tonnen Erdöl pro Jahr die Nachfrage in Deutschland nur zu etwa 3 %. Aber dennoch: Das entspricht der Menge, die Deutschland jedes Jahr aus Saudi-Arabien importiert. Und das ist beachtlich!
cav: Warum haben Sie gerade in Bayern Probebohrungen durchgeführt?
Ruttmann: Jede Tonne Erdöl aus Bayern und Deutschland trägt nicht nur zur Energieversorgung bei. Es hat auch meist eine hohe Qualität. Damit lohnt sich die heimische Förderung doppelt. Wintershall fördert ja bereits seit 1979 erfolgreich Erdöl in Aitingen bei Augsburg. Unsere beiden Erkundungsbohrungen im Allgäu, die wir im Herbst abgeschlossen haben, sollen zeigen, ob es sich lohnt, nach einer jahrzehntelangen Pause die traditionelle Ölproduktion in der Region wiederzubeleben. Wir müssen nun die Ergebnisse abwarten.
cav: Wie hat die Bevölkerung das Vorhaben aufgenommen?
Ruttmann: Bei den Bürgern im Allgäu sind die Probebohrungen in Bedernau und Lauben auf reges Interesse gestoßen. An beiden Standorten hatten wir die Anwohner eingeladen, die Bohranlage zu besichtigen. Mit großem Erfolg: Es waren mehr als 500 Besucher da. Und die Resonanz auf unsere Pläne war sehr positiv.
cav: Welche Vorteile versprechen Sie sich von der heimischen Erdölförderung, insbesondere auch im Hinblick auf den aktuell fallenden Ölpreis?
Ruttmann: Die heimische Erdölförderung macht uns ein Stück unabhängiger von Energieimporten aus dem Ausland und unterstützt die regionale Wirtschaft. Aber noch etwas ist sehr wichtig: Gegenüber Standorten im Ausland ist die Produktion in Deutschland anspruchsvoller. Sie zu meistern, heißt für uns, technologisches Know-how zu gewinnen. Das wiederum macht uns als Partner bei Förderprojekten im Ausland interessanter. Zudem bilden wir hier in Deutschland junge Menschen für Einsätze weltweit aus.
cav: Welche Rolle spielen die strengen Fracking- Auflagen? Wollen Sie deshalb verstärkt auf Öl ausweichen?
Ruttmann: In der Erdölförderung spielen gesetzliche Auflagen beim Hydraulic Fracturing praktisch keine Rolle. Wir fördern Erdöl traditionell. Und bei Erdgasförderung müssen wir unterscheiden: Bei sehr durchlässigem Gestein ist der Einsatz von Fracking ebenfalls nicht notwendig, hier wird konventionell Erdgas gefördert. In dichterem Sandstein, so genanntem Tight Gas, wiederum wurde die Technologie in Deutschland schon seit drei Jahrzehnten ohne Umweltschäden angewendet. Dieses konventionelle Fracking hat nichts mit dem in Amerika praktizierten unkonventionellen Fracking in der Schiefergasförderung zu tun, was auch in Deutschland umstritten ist. Also Fracking ist nicht gleich Fracking.
cav: Welche Technik ist nötig, um aus deutschen Lagerstätten vernünftige Mengen Öl zu fördern?
Ruttmann: Eine spannende Frage. Denn es gibt interessante Technologien, aus alten Lagerstätten mehr Erdöl herauszuholen. Hierzu zählt zum Beispiel das Dampffluten, das Wintershall erfolgreich in Emlichheim an der deutsch-niederländischen Grenze anwendet. Eine andere Methode der verbesserten Ölgewinnung ist die Verwendung von Verdickungsmitteln, sogenannten Polymeren. Wintershall forscht derzeit in Bockstedt bei Barnstorf daran, das Polymer Schizophyllan einzusetzen. Der Clou: Das biologisch abbaubare Produkt wird von einem Pilz, dem Gemeinen Spaltblättling, produziert.
cav: Kann aus bayerischen Lagerstätten auch Erdgas gefördert werden?
Ruttmann: Wintershall fördert in Bayern nur Erdöl.
cav: Viele Manager sehen durch den Schiefergas- und Ölboom in Nordamerika besonders die Petrochemie und energieintensive Chemie bedroht. Wie schätzen Sie das Risiko einer Abwanderung der chemischen Industrie aus Deutschland ein? Kann deutsches Erdöl und Erdgas hier helfen?
Ruttmann: Erdgas spielt für die Energieversorgung Deutschlands und Europas im Energiemix eine entscheidende Rolle. Wir brauchen heimisches Erdgas, um unabhängiger von Importen zu sein. Allerdings geht die Erdgasförderung in Deutschland zurück. Blicken wir in die USA, sehen wir, dass die Förderung von Schiefergas dort zu niedrigen Energiepreisen und einem Wettbewerbsvorteil für energieintensive Industrien geführt hat. Um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhalten und die Energieversorgung sicherzustellen, sollten wir daher auch das Potenzial von neuen Erdgasreserven prüfen.
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de