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Sensibel im Bad

Hydrogelsensoren zur Prozessüberwachung
Sensibel im Bad

Für eine wirtschaftliche und ökologische Prozessführung in der Oberflächentechnik fehlt eine praktikable Messtechnik zum Überwachen der Konzentration von Chemikalien in Prozessflüssigkeiten. Die derzeit praktizierten Überwachungstechniken wie z. B. die Titration, die Chromatografie oder die Spekt-roskopie sind fehleranfällige Labormethoden bzw. erfordern teure Spezialgeräte. Abhilfe schafft hier eine veränderte Prozessmesstechnik auf der Basis von Hydrogelsensoren.

Dipl.-Ing. André Lohse , Lars Schümann

Zum Optimieren der Fertigungsprozesse für das Behandeln und Beschichten von Teilen durch nass- und elektrochemische Verfahren ist ein kontinuierliches Überwachen der Konzentration qualitätsbestimmender Badinhaltsstoffe notwendig. Ziel ist das strikte Einhalten vorgegebener Bereiche der Konzentration von Prozesschemikalien wie z. B. Ionen, Säuren, Basen oder organische Stoffe. Durch die Entwicklung und den Einsatz einer neuen Generation von Prozessmesstechnik auf der Basis von Hydrogelsensoren wird dies möglich. Mit ihnen wird erstmalig eine direkte Konzentrationsmessung und eine einfache Online-Überwachung von Prozessbädern in der Oberflächentechnik ermöglicht.
Polymernetzwerke
Hydrogele sind auf die zu erfassende Stoffkonzentration speziell sensibilisierte Polymernetzwerke, denen Wasser als Quellmittel dient. Die einzelnen Komponenten des Hydrogels haben das Bestreben in Wasser in Lösung zu gehen. Durch die Vernetzung der Komponenten des Hydrogels kommt es zu Wasseraufnahmen in Form eines Quellprozesses. Die Menge an Wasser, die in das Hydrogel eingelagert wird, ist abhängig von den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Lösung. Bedingt wird das Quellen durch einen osmotischen Druck, dessen Ursache eine chemische Potenzialdifferenz zwischen der Flüssigkeit im Hydrogel und der umgebenden Flüssigkeit ist. Zum Stillstand kommt der Quellprozess, wenn sich ein Kräftegleichgewicht zwischen Quelldruck und Rückstellkraft, die durch die elastische Dehnung der Polymerketten gebildet wird, einstellt. Eine geringe Änderung der Konzentration verschiedener Salze, Säuren, Basen oder des Gehalts an organischen Lösemitteln ändert die chemische Potenzialdifferenz und beeinflusst damit den Quellprozess. Diese Empfindlichkeit auf verschiedene physikalische Größen und der stofflichen Zusammensetzung der Flüssigkeit machen das Hydrogel als sensorische Schicht interessant. Bild 1 zeigt das Quellverhalten eines Hydrogels in Abhängigkeit der Stoffkonzentration, z. B. eines Salzes in der wässrigen Lösung. Neben dem Volumen ändert sich auch die Masse, die Dichte und die Viskosität des Hydrogels in Abhängigkeit des Quellgrades. Diese Änderungen der mechanischen Eigenschaften des Hydrogels lassen sich mithilfe eines Messwertwandlers in ein elektrisches Signal abbilden.
Im Rahmen eines von der Europäischen Union und vom Freistaat Sachsen geförderten Verbundprojektes zwischen Chemikern und Feinwerktechnikern der Technischen Universität Dresden sowie Entwicklern der Dresdener Sita Messtechnik werden die physikalisch-technischen Grundlagen für das Umsetzen dieses Wandlerprinzips in gerätetechnische Lösungen erarbeitet. Schwerpunkt der Forschungsarbeiten ist derzeit das Konzipieren von Prinziplösungen und deren Erprobung an ausgewählten Messaufgaben.
Die Professur Spezielle Physikalische Chemie/Physikalische Chemie der Polymere der TU Dresden besitzt durch langjährige Forschung Erfahrung zum Verhalten von Hydrogelen und deren Optimierung. Die Sita Messtechnik hat die Messgröße Oberflächenspannung mit einem Tensiometerprogramm für die Prozessüberwachung in zahlreichen Applikationen eingeführt. Am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden erarbeitet die Arbeitsgruppe Prozessmesstechnik zur Badüberwachung in der Oberflächentechnik physikalisch-technische Grundlagen der Tensiometrie sowie zur Entwicklung von Sensorik und Online-Messtechnik.
Ziel des gemeinsamen Forschungsprojektes zu Hydrogelsensoren ist das Gewinnen von Erkenntnissen über optimale Prinziplösungen für die neue Prozessmesstechnik als Grundlage für die nachfolgende Produktentwicklung und Markteinführung.
Dazu werden die Erfahrungen der Partner synergetisch verknüpft. Die Forschungsarbeiten sind ausgerichtet auf das Gewinnen von Erkenntnissen
  • zur applikationsorientierten Entwicklung und Fertigung von Hydrogelen,
  • zu prozessangepassten Verfahren für das Messen, Überwachen und Steuern von Stoffkonzentrationen mit Hydrogelsensoren in Prozessbädern,
  • zu zuverlässigen, kostengünstigen kons-truktiven Lösungen für die Hydrogelsensoren und einfach handhabbare Prozessmessgeräte.
Prinzip der Quarz-Mikro-Waage
Entwickelt und im Labor erprobt wurde folgendes Messprinzip (Bild 2). Der Messwertwandler basiert auf dem Prinzip der Quarz-Mikro-Waage und ist ein piezo-elektrischer Schwingquarz als frequenzbestimmendes Element in einer speziellen Oszillatorschaltung. Die Einkristall-Quarzscheibe ist dabei ein Dickenscherschwinger mit auf beiden Seiten aufgedampften Elektroden. Daran wird ein elektrisches Wechselfeld mit der Resonanzfrequenz des Schwingquarzes angelegt. Ändern sich die mechanischen Eigenschaften des einseitig aufgebrachten Hydrogels, so verschiebt sich die Resonanzfrequenz des Systems. Dieses Messprinzip ermöglicht das Abbilden der Konzentration eines bestimmten Stoffes in einer Flüssigkeit über die Frequenzverschiebung. Die Vorteile des verwendeten Messwertwandlers gegenüber anderen Wandlerprinzipien sind begründet in einer ausreichenden großen Empfindlichkeit und Auflösung sowie einer geringen Ansprechdauer von wenigen Sekunden.
Aufgrund der hohen Anforderungen an die Empfindlichkeit, Auflösung und Einstelldauer war es notwendig, ein Verfahren zur Herstellung geeigneter Hydrogelschichten auf der Quarzscheibe zu entwickeln. Mithilfe der dazu durchgeführten Forschungsarbeiten wurde die Schichtdicke und der Vernetzungsgrad des Hydrogels optimiert sowie eine zuverlässige Haftung auf der Quarzscheibe sichergestellt.
Anwendungsbeispiel
Ein Einsatzfeld für dieses neue Messprinzip ist das Überwachen der Builderkon-zentration in der industriellen wässrigen Reinigung von Metallteilen. Reinigungssysteme bestehen aus Tensiden und einem anorganischen Gerüst (Builder). Die Konzentration der Tenside wird durch Messen der dynamischen Oberflächenspannung mit Prozesstensiometern überwacht. Übliche Verfahren für das Überwachen der Builderkonzentration sind die Säure-Base-Titration und die fotometrische Farbkomplex-Messung. Typische Fehlerquellen dieser Labormethoden sind die Probenentnahme und -vorbereitung und die Volumenmessung bei manueller Durchführung. Außerdem führt der Eintrag von Verschmutzungen zu deutlichen Messabweichungen. Weitere Nachteile sind der Verbrauch von Chemikalien und der Aufwand für Kalibrierungen.
Der Hydrogelsensor wurde für diese Messaufgabe applikationsspezifisch angepasst und im Labor erprobt. Getestet wurde der Hydrogelsensor mit Builder in einem Konzentrationsbereich von 0 bis 8 Vol.-%. Die Testergebnisse zeigten, dass der Hydrogelsensor in einem Konzentrationsbereich von 0,5 bis 8 Vol.-% mit einer Auflösung von 0,2 Vol.-% zuverlässig arbeitet. Der in Bild 3 abgebildete Demonstrator veranschaulicht die einfache Handhabung. Das kompakte, mobile Messgerät besteht aus dem Grundgerät und einem Sensorkopf mit dem mit Hydrogel beschichteten Wandler. Zur Messung wird der Sensorkopf in die zu analysierende Flüssigkeit eingetaucht. Das Ergebnis steht nach dem Drücken des Startknopfes sofort zur Verfügung. Die Kalibrierung des Hydrogelsensors erfolgt mithilfe von Referenzkonzentrationen automatisch.
Fazit
Mit Hydrogelsensoren lassen sich die Konzentrationen verschiedener Salze, Säuren, Basen oder organischer Stoffe (zum Beispiel Alkohole, Aceton, Hexan und Glucose) in wässrigen Lösungen überwachen. Es ist aber auch möglich, den Wassergehalt in organischen Lösungen zu ermitteln. Die Einsatzmöglichkeiten der Hydrogelsensoren für die Konzentrationsmessung von einzelnen Stoffen in Flüssigkeiten sind sehr vielfältig, da die Hydrogele auf den relevanten Stoff sensibilisiert werden können.
Online-Info www.cav.de/0909426
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