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Sicheres und langes Leben

Entwicklungen und Trends bei Prozessarmaturen
Sicheres und langes Leben

Die Entwicklung und Diversifizierung der Prozessarmaturen zu ihrer heutigen Vielfalt hat erst im Gleichschritt mit dem Aufbau der chemischen Industrie so richtig an Fahrt gewonnen. Für die nächsten 5 bis 10 Jahre zählen die Prozessautomation, die Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit und -sicherheit, die Reduzierung der Betriebskosten sowie die verstärkte Hinwendung zu anwendungsspezifischen Lösungen zu den wichtigsten Trends.

Thomas Schulz, Kurt Weidner, Werner Flögel, Jochen Hofmann

In den letzten 15 bis 20 Jahren ist durch die zunehmende Prozessautomatisierung die Instrumentierung von Armaturen immer wichtiger geworden. Elektrische Stellungsrückmelder und mechanische Regler waren die ersten Geräte auf dem Markt. Mit der Fortentwicklung der Elektronik und ihrer zunehmenden Miniaturisierung sowie dem verstärkten Einsatz von Feldbussystemen kamen Feldbusinterfaces, Ventil-anschaltungen sowie elektropneumatische Stellungs- und Prozessregler hinzu. Diese Geräte werden heute in der Regel über Adapter und Anbausätze mechanisch mit den Ventilantrieben verbunden. Ein Trend, der sich aus dieser Entwicklung ergibt, ist die zunehmende Integration von Automatisierungskomponenten- und -funktionen direkt in die Ventilantriebe. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Entwicklung des Ventilantriebes Gemü 651 für Edelstahlmembranventile. In der alten Version wurde an den Antrieb Gemü 650 Biostar ein Vorsteuerventil Gemü 324 mittels Hohlschraube angebaut. Auf den Steuerkopf wurde die Ventilanschaltung Gemü 4221 über einen Adapter angeschraubt. Die Steuerluftleitungen wurden extern verlegt.
Der Antrieb Gemü 651 ist mit einem voll integrierten Automationsmodul ausgestattet. Es beinhaltet die notwendigen Vorsteuerventile, eine optische Stellungsanzeige sowie die elektrische Stellungsrückmeldung über AS-Interface. Die Steuerluftleitungen werden intern geführt. Zur Initialisierung des Antriebs bei der Inbetriebnahme oder nach einem Membranwechsel genügt ein Stromsignal. Die Initialisierung des Stellungsrückmelders läuft dank des integrierten SpeedAP-Systems vollautomatisch ab. Die Zeitersparnis bei der Montage und bei Wartungsarbeiten schlägt sich schon bei kleinen Anlagen mit wenigen Antrieben deutlich nieder. Daneben wurden bei der Entwicklung auch im Hinblick auf Hygienic Design und der Abreinigbarkeit des Antriebs von außen deutliche Verbesserungen erzielt.
Durch die immer kleiner werdende Elektronik bieten sich ständig neue Lösungsansätze. Die Integration des Stellungsreglers Gemü 1434 in den gleichen Antrieb ist bereits deutlich über das Prototypenstadium hinaus. Die ersten Antriebe mit voll integriertem Stellungsregler werden bereits in 2007 ausgeliefert. Die integrierten Automationsmodule sind optimal auf das Ventil abgestimmt. Die Möglichkeit, applikationsspezifische Funktionen einzufügen, hilft dabei, Anwendungsschnittstellen zu vereinfachen. „Wir arbeiten daran, den Kunden mit applikationsspezifischen Funktionen zu unterstützen, um je nach Anwendungsfall z. B. die Verarbeitungsgeschwindigkeit zu erhöhen, die Montage zu vereinfachen, die Inbetriebnahme schneller und sicherer zu gestalten“, ergänzt Werner Flögel, Produktmanager Mess-, Steuer- und Regeltechnik. Moderne innovative Schnittstellen wie z. B. Bluetooth übertragen Daten in die Automatisierungsgeräte, um Prozesswerte, Diagnosedaten und Parametersätze zu verarbeiten. Diesem Trend wird Gemü weiter folgen.
Optimierung von Armaturen
Ein weiterer Trend, der auf den ersten Blick eher unspektakulär erscheint, ist die zunehmende Anwendung von immer leistungsfähigeren Simulationstools bei der Auslegung und Optimierung von Armaturen. Oft genügen bei Strömungskörpern schon kleinste Veränderungen, um die Strömungseigenschaften zu verbessern und damit den KV-Wert zu erhöhen bzw. Geräuschemissionen zu senken. Bei einer durchgängigen Anwendung auf die Komponenten einer Anlage kann das bedeuten, dass bestimmte Armaturen oder Abschnitte einer Anlage geringer dimensioniert werden und damit Kosten gespart werden können. Geringere Nennweiten für automatisierte Armaturen bedeuten gleichzeitig auch geringere Antriebskräfte. Kleinere Pneumatikantriebe verbrauchen weniger Druckluft, das senkt die Betriebskosten. Bei der Neuentwicklung des pneumatischen Edelstahl-Schrägsitzventils Gemü 550 wurden sechs verschiedene Antriebsgrößen spezifiziert. Diese können in bestimmten sich überschneidenden Variationen auf die Ventilkörper von DN 8 bis DN 80 aufgebaut werden. Je nach Betriebsdruck ist so eine sehr feine und energiesparende Abstimmung von Antrieb und Ventilkörper möglich. Ältere Baureihen weisen für den gleichen Nennweitenbereich teilweise lediglich drei Antriebsgrößen auf. Dadurch müssen besonders in den Übergangsbereichen oftmals überdimensionierte Antriebe eingesetzt werden, die mehr Druckluft verbrauchen, als eigentlich notwendig wäre.
Eine Entwicklung, die in die gleiche Richtung zielt, ist die ständige Verbesserung der Ventilantriebe. Ziel ist es, die Lebensdauer der Antriebe, die Zuverlässigkeit und damit die Anlagenverfügbarkeit für den Anlagenbetreiber immer weiter zu erhöhen. Bei hochautomatisierten Prozessen kann schon der Ausfall eines Ventiles zu Komplikationen und gegebenenfalls hohen Ausfallkosten führen. In einigen Applikationen erreichen Membranventile von Gemü heute schon über zehn Millionen Schaltwechsel. Die betroffenen Kunden betreiben ihre Anlagen in der Regel mehrschichtig und müssen sich insbesondere in der Hauptsaison 24 Stunden lang und sieben Tage die Woche auf die Anlagen verlassen können. Durch die deutliche Lebensdauersteigerung der Antriebe und der Absperrmembranen konnten die Wartungsintervalle auf 12 bis 24 Monate ausgedehnt werden, bei gleichzeitig voller Anlagenverfügbarkeit. Gemü sieht in diesen Entwicklungsaufwendungen einen Beitrag, sich von Marktbegleitern abzugrenzen, die versuchen, mit einer Niedrigpreisstrategie hinsichtlich der Anschaffungskosten Marktanteile zu erobern. „Wir versuchen die Anlagenbetreiber unter TCO-Gesichtspunkten dazu zu bewegen, nicht nur die Anschaffungskosten eines Ventils sondern die gesamten Kosten bis zur Entsorgung der Anlage zu betrachten“, erklärt der Produktmanager Steriltechnik Jochen Hofmann. Ein Beispiel hierfür ist das Abfüllventil Gemü 660. Es wurde in enger Zusammenarbeit mit einem der führenden Hersteller von Getränkeabfüllanlagen entwickelt und auf die Bedürfnisse dieser Anwendung zugeschnitten. Der Antrieb wurde in Bezug auf Schalthäufigkeit, Hub, Reproduzierbarkeit sowie Genauigkeit des Abfüllvorgangs optimiert. Der Antrieb wurde wiederum eng auf einen kundenspezifischen Ventilkörper abgestimmt. Das Resultat ist eine deutlich erhöhte Lebensdauer des Antriebs, der Verschleißteile sowie eine verbesserte Anlagenverfügbarkeit bei hoher Betriebssicherheit. Und so ganz nebenbei braucht der Antrieb erheblich weniger Druckluft als ein vergleichbarer Standardantrieb.
Betriebskosten senken
Wie bereits mehrfach angesprochen, wird die Reduzierung des Energiebedarfs in Form von Druckluft und elektrischer Energie immer stärker thematisiert. Dabei geht es nicht darum, die eine durch die andere zu ersetzten, sondern verstärkt und für jeden Einzelfall zu prüfen, ob sich durch den Einsatz von elektrisch betätigten Armaturen die Energiekosten senken lassen. Die hängen im Wesentlichen von der Dimensionierung, den Prozessparametern und dem Layout der Anlage ab. Weiterhin spielt die Dimensionierung des Antriebs, die Abstimmung auf den Ventilkörper und die Betätigungshäufigkeit eine große Rolle. Gemü versucht einerseits, durch die Antriebsoptimierung und eine verbesserte Abstimmung den Druckluftverbrauch pneumatisch betätigter Armaturen zu senken, gleichzeitig wird verstärkt an der Entwicklung kleiner und leistungsfähiger elektrischer Antriebe gearbeitet. Ein Trend, der übrigens auch in der Fertigungsautomatisierung zu beobachten ist.
Auf den Anwender zugeschnittene Lösungen
Dem Preisdruck aus den Schwellenländern müssen Anbieter, die in Deutschland und Europa produzieren, mit noch schnellerer Innovation begegnen. Der Trend geht klar zu Systemen sowie anwendungs- und kundenspezifischen Lösungen. Die Beratungsleistung im Vertrieb sowie das geforderte Know-how der Vertriebs- und Anwendungsingenieure bei den Armaturenherstellern werden deutlich zunehmen. Damit einher gehen geringere Losgrößen und eine immer höhere Flexibilität in Organisation und Fertigung der betroffenen Hersteller, idealerweise verbunden mit einer Erhöhung der Produktivität und Reduzierung der Herstellkosten. Zudem werden Leistungen um das Ventil herum und die Übernahme zusätzlicher Aufgaben durch die Armaturenhersteller sowie die Lieferung kompletter Subsysteme immer wichtiger. Gemü liefert heute zum Beispiel komplette dezentrale Regelkreise bestehend aus Armaturen, Sensoren und Reglern aus. Alle Komponenten sind exakt aufeinander abgestimmt, das System ist vorkalibriert, die Schnittstellen deutlich reduziert und vereinfacht. Die prozesstechnische Seite der mechanischen Armaturen wird dabei mit der Automatisierungsseite elektrischer Systeme zu einer Lösung zusammengeführt. Auf Wunsch werden sie als komplett montierte und anschlussfertige Kabinette geliefert.
Vereinheitlichung von Normen und Standards
Anwender beklagen trotz aller Normen immer häufiger die vorherrschenden Unterschiede bei Abmessungen sowie pneumatischen und elektrischen Anschlüssen und Standards. Ingenieure, Anlagenbauer, Komponentenhersteller und Anlagenbetreiber arbeiten heute in kontinent-übergreifenden Projekten zusammen. Dadurch treten die nationalen und internationalen Unterschiede bei der Normung immer deutlicher hervor und werden zunehmend thematisiert. Die Schaffung von einheitlicheren Standards und Schnittstellen zwischen den Systemen wird uns noch lange in Atem halten, denn viele firmenspezifische und nationale Normen und Egoismen wollen überwunden werden.
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cav: Herr Schulz, wie startete Gemü?
Schulz: Fritz Müller erfand 1964 das erste Kunststoffmagnetventil der Welt. Bis dato wurden auch für aggressive Medien Metallventile eingesetzt, deren Lebensdauer zum Teil äußerst beschränkt war. Wie schon so viele andere vor ihm, sah sich der junge Erfinder mit Skepsis und Argwohn konfrontiert. Das änderte sich schnell, als der erste Galvanikbetrieb bereit war, Ventile zu testen und die Vorteile des Kunststoffs für sich entdeckte. Die Firma Gemü (Gebrüder Müller) war geboren.
cav: Danach schritt die Entwicklung bei Gemü allerdings rasant voran.
Schulz: Ja, den Magnetventilen folgten schnell andere Ventilarten. Membranventile in Kunststoff und Metall sowie Sitzventile bildeten lange Zeit das Rückgrat des schnell wachsenden Produktprogramms.
cav: Und wie sieht Ihr Produktpalette heute aus?
Schulz: Gemü hat sich in über 40 Jahren eine sehr breite Produktpalette aufgebaut, die sowohl unterschiedlichste Armaturenarten (Membranventile, Sitzventile, Klappen, Magnetventile, Kugelhähne) abdeckt als auch die verschiedensten Werkstoffe (diverse Kunststoffe wie PP, PVC, PVDF, ABS, PFA und Metalle wie Messing, Rotguss, Gusseisen, Stahlguss und Edelstahl). Die Armaturen werden je nach Typ, Ventilkörper- und Dichtungsmaterial sowie der Antriebsart in der Regel für Temperaturen zwischen -10 und +180 °C und Betriebsdrücken von Vakuum 600 mbar bis 40 bar Überdruck eingesetzt.
cav: Welche Leistungen bietet Gemü neben den eigentlichen Armaturen an?
Schulz: Ergänzt werden unsere Armaturen durch exakt abgestimmte elektronische Produkte zur Automatisierung, wie Ventilsensoren und -schaltgeräte, Prozessmessgeräte, Regelgeräte und industrielle Kommunikationsschnittstellen. Zahlreiche Sondervarianten und anwenderspezifische Lösungen runden das Programm ab und machen einen immer größeren Anteil am Produktportfolio aus.
cav: Gibt es Trends, die Sie speziell verfolgen?
Schulz: In den nächsten Jahren werden verschiedene Dinge eine Rolle spielen. Neben der zunehmend stärkeren Anbindung von Armaturen in moderne Automatisierungskonzepte konzentrieren wir uns auf die Erhöhung der Zuverlässigkeit, die Reduktion der Betriebs- und Lebenszykluskosten, die Reduzierung des Energiebedarfes automatisierter Armaturen und die Optimierung mithilfe von Diagnosefunktionen und modernen Simulationsverfahren. Einige dieser Entwicklungen werden von uns seit einiger Zeit stark forciert, andere Themen werden ihre Dynamik erst in den nächsten Jahren entfalten. Das ist sowohl branchen- als auch länderspezifisch unterschiedlich. Wir haben aber den Willen und die Ressourcen, auch in Zukunft innovativ zu bleiben und Trends zu setzen.
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