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Störungsursachen im Vorfeld entfernen

Anlagenverfügbarkeit optimieren mit Simulation
Störungsursachen im Vorfeld entfernen

In der chemischen Industrie ist die Verfügbarkeit bei Wartung und Störungen ein sensibles Problem. Fällt eine Produktionseinheit aus, stehen oft die vor- und nachliegenden Prozessbereiche still, im Extremfall gar der ganze Betrieb. Um gegen solche Risiken Abhilfe zu schaffen, wird bereits im Planungsstadium Simulationstechnologie genutzt. Simulation als zentrales Element des Instandhaltungsmanagements ermöglicht das Design und den Betrieb störungsminimierter Anlagen.

Der Autor: Torsten Hellenkamp Bereichsleiter Consulting, Inosim Consulting

Ein Global Player der chemischen Industrie plante den Bau einer neuen Produktionsanlage für eine Feinchemikalie. Die geplante Anlage war einsträngig und enthielt verschiedene, aufeinander folgende Reaktions- und Aufreinigungsschritte im absatzweisen und semikontinuierlichen Betrieb. Da innerhalb der Anlage nur wenig Pufferkapazität zur Verfügung stehen würde und eine strikte Trennung der einzelnen Chargen gewährleistet werden musste, war von vornherein absehbar, dass die Anlage besonders anfällig für Störungen sein würde: Ein Störungsereignis auf wenigen Anlagenteilen würde den gesamten Betrieb beeinflussen und ins Stocken bringen. Erfahrungsgemäß lassen sich solche dynamischen Einflüsse nicht mittels statischer Betrachtung der Einzelverfügbarkeiten analysieren, sondern nur mit einer ganzheitlichen Betrachtung der geplanten Anlage. Diese lässt sich angesichts der Komplexität, Dynamik und Interdependenz moderner Anlagen nur durch den Einsatz von Prozesssimulationssoftware gewährleisten.
Das Unternehmen, das die Anlage plante, beauftragte daher einen externen Dienstleister, mithilfe der Standardsoftware Inosim Professional vorab eine ganzheitliche Analyse des zu erwartenden Störungs- und Wartungsverhaltens vorzunehmen. Ziel der Simulation war die Ermittlung der möglichen Ausbringungsmenge unter Einfluss der zu erwartenden Störungen, des Wartungsaufwands und der Reinigungszeiten. Des Weiteren sollten im Bereich von Wartung und Störung verschiedene Randbedingungen, (beispielsweise die maximale Anzahl gleichzeitiger Störungen) zur Bestimmung der erforderlichen Wartungsteams analysiert werden.
Implementierung des Modells
Zunächst galt es, mit Inosim Professional ein möglichst realistisches Simulationsmodell der geplanten Anlage und ihres Verhaltens zu erstellen. Basierend auf den Planungsunterlagen für die reale Anlage wurde zunächst das Simulationsfließbild mit den Haupt- und Nebenapparaten erstellt. Anschließend wurden die vorhandenen Transferrestriktionen im Fließbild erfasst. Schließlich wurden auch alle benötigten Utilities des Prozesses implementiert, da diese naturgemäß mit Störeinflüssen behaftet sind und hier grundsätzlich ein Einfluss auf die Prozessperfomance zu erwarten ist.
Anhand der bestehenden Betriebsvorschriften für die einzelnen Prozessschritte wurden im grafischen Rezepteditor von Inosim Professional die Grundrezepte für die Simulation erstellt. Dabei wurden die Betriebsvorschriften auf den für die Simulation notwendigen Detailgrad reduziert, um den Arbeitsaufwand für die Rezepterstellung im Modell minimal zu halten. Sehr viel höhere Genauigkeit wurde dagegen bei der Erfassung der prozesstechnischen Wechselwirkungen angesetzt. Denn hier war zu ermitteln, wie sich Störungen auf den Gesamtbetrieb der geplanten Anlage auswirken würden, und welche Konsequenzen dadurch entstehen würden.
Ein essenzieller Teil der Modellierung war die Ermittlung realistischer Störungsparameter für die einzelnen Apparate. Doch da die zu untersuchende Anlage ja noch nicht real existierte, konnten hier keine Erfahrungswerte zur Beurteilung herangezogen werden. Die Simulationsexperten verwendeten daher Reparaturprotokolle von vergleichbaren Apparaten und Teilen existierender Anlagen, um für das zu erstellende Simulationsmodell belastbare Störungsparameter zu ermitteln. Diese Werte wurden anschließend im Modell den einzelnen zu simulierenden Teilanlagen zugeordnet. Auf die gleiche Weise wurde bei der Ermittlung von Parametern zur Simulation von Wartungszyklen und -dauer verfahren.
Vorbeugend durch Simulation
Nachdem das Modell vom Dienstleister erstellt worden war, wurde es zunächst von erfahrenen Betriebsingenieuren des Anwenders validiert. Danach wurden die ersten Simulationsläufe durchgeführt. Anhand von Gantt-Diagrammen, die die Software zur grafischen Auswertung der Experimente erzeugte, wurde das zu erwartende Anlagenverhalten analysiert. Hier stand die Korrektheit des Betriebsverhaltens bei Störungen im Vordergrund: Es wurde detailliert analysiert, wie sich jeweils die Störungen eines Apparates auf weitere Anlagenteile auswirken würden. Des Weiteren wurde das Verhalten im Wartungsfall analysiert, wobei explizit darauf geachtet wurde, dass die Anlagenteile nur zu erlaubten Zeitpunkten (Abschluss einer Kampagne) in die Wartung liefen.
Zur Modellanalyse wurde das Softwaremodul „Statistische Analyse“ eingesetzt. Jedes Mal wurden dabei die Zufallszahlen für die Störungs- und Wartungseinflüsse neu gesetzt, wodurch sich jeweils andere mögliche Szenarien ergaben, die in der Realität auftauchen konnten. Mittels einer automatisierten Auswertung der erzeugten Vielzahl von Simulationsergebnissen ergaben sich dann die notwendigen Einblicke in das Anlagenverhalten. So konnte anhand definierter Kennwerte (z. B. Chargenzahl, Ausbringungsmenge, Teilanlagenauslastung und Störungshäufigkeit) ermittelt werden, welche Leistung von der geplanten Anlage in der Realität zu erwarten war. Neben solchen Grunderkenntnissen lieferte die Analyse auch noch Einblicke in die Stabilität der Leistungserbringung. Anhand der statistischen Verteilung der Ausbringungsmenge zeigte sich hier, dass einzelne Störungsszenarien zu nicht ausreichenden Produktionsmengen führen würden. Mittels Detailanalyse dieser Einzelergebnisse im Gantt-Diagramm konnten dann die Ursachen des unerwünschten Anlagenverhaltens näher bestimmt werden. Es stellte sich heraus, dass ganz bestimmte Störungskonstellationen in unterschiedlichen Anlagenteilen zu massiven Problemen im Betriebsablauf führen würden. Als Konsequenz dieser Erkenntnisse erfolgten entsprechende Modifikationen am geplanten Betriebsablauf und an der Anlagenkonfiguration. Die kritischen Störungskonstellationen konnten damit bereits im Planungsstadium entschärft werden. Nach Festlegung der nötigen Modifikationen wurde das Simulationsmodell entsprechend angepasst, und die folgenden Simulationsstudien wiesen ein deutlich verbessertes Anlagenverhalten nach.
Abschließend wurde noch untersucht, wie sich die schnelle Bereitstellung von Ersatzteilen durch Lagerhaltung am Standort auf das Anlagenverhalten auswirkte. Hierbei wurden punktuell die Reparaturzeiten einzelner Teilanlagen reduziert, um zu zeigen, welches Kosten/Nutzen-Verhältnis die Lagerhaltung bestimmter Ersatzteile hatte. Dabei zeigte sich, dass die strategische Lagerhaltung für vorher durch Simulation identifizierte, kritische Anlagenteile bei minimalen Kosten einen immensen Performancegewinn mit sich brachte. So konnten bei der Beauftragung der Anlage die notwendigen Erzsatzteile direkt mitgeordert werden.
Simulation optimiert die Verfügbarkeit
Die Simulation erwarteter Störungen verschiedener Größenordnung erbrachte Verfügbarkeitsdaten und Jahresleistungen, wie sie für eine spätere Produktion realistisch erwartet werden konnten. Die Analyse einzelner Apparate und Prozessschritte führte zu einer strategischen Dimensionierung der Wartungsteams, die sich später auch als angemessen erwies. Nach mittlerweile 1,5 Jahren Betrieb der Anlage hat sich gezeigt, dass sich die Vorhersagen aus der Simulation mit den realen Betriebserfahrungen decken.
prozesstechnik-online.de/cav1012449
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