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Auf kleinstem Raum zur Reaktion gebracht

Mikrostrukturapparate für chemische Verfahren
Auf kleinstem Raum zur Reaktion gebracht

Am Forschungszentrum Karlsruhe wird an der Entwicklung, Fertigung und Erprobung von Mikrostrukturapparaten gearbeitet. Ein im Forschungszentrum entwickelter Hochleistungsmikroreaktor hat nun seine erste Bewährungsprobe im industriellen Einsatz in der chemischen Produktion bestanden. Bei der Firma DSM Fine Chemicals GmbH in Linz, Österreich, wurden mit dem Mikroreaktor innerhalb von 10 Wochen über 300 Tonnen eines hochwertigen Produkts für die Kunststoffindustrie erzeugt.

Michael Schacht, Klaus M. Schubert

Die Mikroverfahrenstechnik, bei der chemische und physikalische Prozesse in Mikrokanälen von Mikroapparaten geführt werden, hat in den letzten Jahren ein rasant gestiegenes Interesse in der Fachwelt gefunden. Insbesondere bei der industriellen Produktion im Chemie- und Pharmabereich bietet der Einsatz von mikrostrukturierten Reaktoren viele Vorteile: Die gewünschten Reaktionen können schneller, preiswerter und umweltverträglicher als in herkömmlichen Anlagen durchgeführt werden; gefährliche Reaktionen sind viel besser beherrschbar.
Gebündelte Mikrokanäle
Die Stärken der Karlsruher Mikrostrukturapparate sind in ihrem Inneren verborgen: Die chemischen und physikalischen Prozesse laufen in Hunderten, Tausenden oder gar Zehntausenden von Misch- und Strömungskanälen ab, die typische Abmessungen im Bereich von einigen hundert Mikrometern haben. Durch die kurzen Wege innerhalb solcher Strukturen können Flüssigkeiten oder Gase sehr schnell temperiert oder auch intensiv vermischt werden. Die Wärme- und Stoffaustauschkoeffizienten liegen teilweise um Zehnerpotenzen über denen konventioneller verfahrenstechnischer Apparate. Mit der Bündelung der notwendigen Anzahl von Mikrokanälen in einem einzigen Apparat erhält man hocheffiziente Mikrostrukturapparate mit den für industrielle Verfahren erforderlichen Durchsätzen und vermeidet bzw. minimiert unnötige Parallelschaltungen von Apparaten.
Daher werden mikrostrukturierte Reaktoren, Mischer oder Wärmetauscher mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig Bestandteil komplexer kontinuierlich arbeitender Labor-, Technikums- und Produktionsanlagen sein. Eine wichtige Devise heißt: Mikro nur dort, wo es nötig ist, d.h. man nutzt Mikrostrukturapparate nur dort, wo die Vorteile der Mikrostrukturen voll zum Tragen kommen und auch wirklich zu ökonomischen und ökologischen Vorteilen führen. Ein Beispiel dafür ist die Anwendung von Mikroreaktoren bei stark exothermen oder endothermen Reaktionen, bei denen in den ersten Sekunden der Reaktionszeit der Hauptanteil der Wärme ab- oder zugeführt werden muss. Aber auch überall dort, wo schnelles und effizientes Mischen oder ein schneller Wärmetausch notwendig ist oder wo Größe und inhärente Sicherheit der Apparate eine Rolle spielen, sind Mikrostrukturapparate die richtige Wahl. Bei der Anlagenperipherie oder wenig belasteten Anlagenteilen kann man ohne Bedenken auf bewährte Standardbauteile der Industrie zurückgreifen.
Einsatz in Labor und Technikum
Mikrostrukturapparate für den Labor- und Technikumsbereich können als vielseitiges Werkzeug zur beschleunigten Optimierung von Prozessparametern bei der Entwicklung neuer kontinuierlich betriebener Verfahren und zur Weiterentwicklung bekannter Verfahren zur Herstellung von chemischen Verbindungen genutzt werden. Weiterhin erlauben diese Mikrostrukturapparate die Entwicklung innovativer Prozessführungen, die konventionellen Lösungen bisher verschlossen waren. Als Beispiel werden hier zwei Entwicklungen des Forschungszentrums Karlsruhe näher beleuchtet:
Der Labormikroreaktor kombiniert einen mikrostrukturierten Mischereinsatz mit einer mikrostrukturierten Folie mit Reaktions- und Kühlkanälen. Im Mischereinsatz des Bauteils können zwei oder drei Reaktionsströme schnell und homogen vermischt werden. Drei Kühlabschnitte mit separat einstellbarer Temperatur sorgen für optimale Temperaturkontrolle. Temperaturprofile über die Reaktionsstrecke sind damit ebenfalls einstellbar. Der Labormikroreaktor ermöglicht einen Durchsatz von 1 kg/h bei einer Verweilzeit von 30 s. Das Bauteil ist komplett demontierbar, der Mischer und die mikrostrukturierte Innenfolie können leicht gewechselt und gereinigt werden. Dies bietet vor allem Vorteile bei Reaktionen mit unbekannten oder nur ungefähr bekannten Prozessparametern, wie sie oft bei der Umstellung von diskontinuierlichen auf kontinuierliche Prozesse auftreten.
Das modulare Mikroreaktionssystem ist für den Einsatz in Labor- und Technikumsanlagen konzipiert. Aufgrund der geringen Totvolumina zwischen den einzelnen Modulen bietet es eine sehr gute Temperaturkontrolle auf der ganzen Reaktionsstrecke vom Zeitpunkt des Mischens der Flüssigkeiten bis zum Ende der Reaktion; sogar Temperaturprofile entlang der Reaktionsstrecke sind einstellbar. Das modulare Mikroreaktionssystem ist für einen Durchsatz von bis zu 10 kg/h konzipiert. Untereinander lassen sich die Module des Mikroreaktionssystems mittels Kleinflanschen verbinden. Handelsübliche Adapter werden benutzt, um das Mikroreaktionssystem mit der Anlagenperipherie zu verbinden. Als Testreaktion wurde die homogen katalysierte Oxidation von Ethanol zu Essigsäure mittels Wasserstoffperoxid untersucht. Diese stark exotherme Reaktion konnte ohne die sonst notwendigen Verdünnungsmittel bei einem Durchsatz von 3,7 kg/h in einem modularen Mikroreaktionssystem mit einem Mischermodul und vier Reaktormodulen sicher geführt werden. Dabei wurden 3,2 kW Wärme abgeführt.
Industrielle Produktion
Die Mikroverfahrenstechnik kann in der industriellen Produktion von zum Beispiel Feinchemikalien einen Paradigmenwechsel einläuten: Während die klassische Verfahrenstechnik mit dem Ziel der kostengünstigen Produktion zu immer größeren Anlagen tendiert, geht die Mikroverfahrenstechnik den Weg der Miniaturisierung, um Reaktionen besser kontrollieren zu können. Dadurch erhöhen sich Ausbeute und Selektivitäten – die Produktionsprozesse werden wirtschaftlicher und umweltverträglicher. Somit werden mikrostrukturierte Apparate die Verfahrenstechnik revolutionieren, wenn sie ihre Praxistauglichkeit in der Produktion bei industrierelevanten Durchsätzen unter Beweis stellen können. Dass die Mikroverfahrenstechnik auf dem richtigen Weg ist, zeigt folgendes Beispiel: Ein im Forschungszentrum Karlsruhe entwickelter Hochleistungs-Mikroreaktor hat seine erste Bewährungsprobe im industriellen Einsatz in der chemischen Produktion bestanden. Mit der Entwicklung konnten bei der Firma DSM Fine Chemicals GmbH in Linz, Österreich, innerhalb von 10 Wochen über 300 t eines hochwertigen Produkts für die Kunststoffindustrie erzeugt werden. Gegenüber herkömmlichen Verfahren wurde dabei die Produktausbeute wesentlich gesteigert. Damit sinkt der Rohstoffverbrauch ebenso wie die anfallenden Abfallströme. Außerdem steigt durch den Einsatz des Mikroreaktors die Prozesssicherheit. Der Mikroreaktor ersetzt bei DSM einen zentralen Reaktionsschritt, der vorher in einem sehr großen Rührkessel mit einer Mischung von mehreren Tausend Kilogramm giftigen und korrosiven Chemikalien erfolgte. Entscheidend für den Erfolg war, dass es den Karlsruher Forschern gelungen ist, einen Labormikroreaktor mit einem Durchsatz von 1 kg/h um den Faktor 1700 hoch zu skalieren.
Das zentrale Element der Produktionsanlage ist ein aus einer speziellen Nickellegierung gefertigter Mikroreaktor, der 65 cm lang sowie 290 kg schwer ist und einen Durchsatz von 1700 kg flüssiger Chemikalien pro Stunde ermöglicht. In Mikromischern werden die chemischen Substanzen zusammengeführt und anschließend in mehreren Zehntausend Mikrokanälen zur Reaktion gebracht. Die bei der chemischen Reaktion entstehende Wärme wird in Sekundenschnelle ebenfalls über Mikrokanäle abgeführt. Der Mikroreaktor bewältigt so mehrere 100 kW Wärmeleistung.
cav 452

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