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Bioverfügbarkeit optimieren

Kristallstruktur und Morphologie pharmazeutischer Substanzen
Bioverfügbarkeit optimieren

Kristallstruktur (polymorphe Kristallform) und Morphologie (äußere Kristallform) von pharmazeutischen Aktivsubstanzen haben eine enorme praktische und kommerzielle Bedeutung und spielen auf dem ganzen Weg von Forschung bis Produktion eine Rolle. Essentielle Eigenschaften wie Bioverfügbarkeit und Stabilität sowie die Herstellungskosten werden durch sie beeinflusst. Für optimale Ergebnisse ist eine integrierte Vorgehensweise beim Untersuchen der Festkörpereigenschaften notwendig.

Rolf Hilfiker

Viele chemische Substanzen können in verschiedenen Kristallstrukturen kristallisieren (Abb. 1). Diese Eigenschaft wird als Polymorphie bezeichnet. Sind im Kristallgitter neben dem interessierenden Molekül noch Lösemittelmoleküle in stöchiometrischen Mengen eingebaut, so spricht man häufig von pseudopolymorphen Formen bzw. im Falle von Wasser von Hydraten oder Solvaten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes organisches Molekül in verschiedenen polymorphen bzw. pseudopolymorphen Formen kristallisieren kann, ist dabei ausgesprochen hoch. Häufig wird gesagt, dass etwa die Hälfte der niedermolekularen organischen Moleküle dieses Phänomen zeigt. Bei Solvias hat man die Erfahrung gemacht, dass dies auf annähernd 80% aller Substanzen zutrifft.
Polymorphie beeinflusst Produktionsprozess
Da in verschiedenen Kristallstrukturen unterschiedliche Wechselwirkungen vorliegen, haben polymorphe Formen nicht das gleiche chemische Potential. Dies wiederum bedeutet, dass sie differierende physikalische und chemische Eigenschaften wie Schmelzpunkt, Löslichkeit, Auflösegeschwindigkeit, Hygroskopizität, Stabilität etc. haben. Diese Eigenschaften können nun natürlich wiederum wichtige Parameter wie Bioverfügbarkeit einer pharmazeutischen Wirksubstanz, Verarbeitbarkeit und Lagerstabilität beeinflussen. Vor allem muss unter allen Umständen verhindert werden, dass sich die polymorphe Form während der Lagerung ändert. Aus diesen Gründen ist es unerlässlich, die Polymorphie einer Substanz zu kennen. Von enormer Bedeutung ist weiterhin, dass sich relevante, neue polymorphe Formen patentrechtlich schützen lassen.
Neben der polymorphen Form spielt auch die äußere Form der Kristalle eine Rolle. Die gleiche polymorphe Form kann je nach physikochemischen Rahmenbedingungen einen unterschiedlichen Habitus aufweisen (z.B. Nadeln und Würfel). Auch dies ist selbstverständlich für die Herstellung und Verarbeitung zu beachten.
Integrierte Vorgehensweise
Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Festkörperverhalten einer Substanz sind während dem gesamten Entwicklungs- und Produktionsprozess wichtig. Oft sind neue Wirkstoffe schwache Säuren oder Basen mit einer sehr geringen Wasserlöslichkeit. In solchen Fällen ist es häufig von Vorteil, die Wirksubstanz als Salz mit einer höheren Wasserlöslichkeit zu vermarkten. Im Rahmen der Salzauswahl wird dabei das optimale Salz ausgewählt, wobei Eigenschaften wie Löslichkeit, Hygroskopizität und Kristallinität berücksichtigt werden. Anschließend müssen im Rahmen eines Polymorphiescreening alle relevanten polymorphen und pseudopolymorphen Formen identifiziert und charakterisiert werden. Aufgrund der Eigenschaften der verschiedenen Formen sowie weiteren biologischen Tests, kann dann die Auswahl der optimalen Form für die Entwicklung erfolgen. Danach muss eine Methode entwickelt werden, um die Reinheit einer polymorphen Form als Aktivsubstanz und im formulierten Produkt zu prüfen. Falls man eine metastabile Form für die Weiterentwicklung ausgesucht hat, muss die kinetische Stabilität dieser Form bestimmt werden. Im Rahmen des Polymorphiescreening wurde die ausgesuchte Form aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht auf eine effiziente, industriell geeignete Art hergestellt. Der nächste äußerst wichtige Schritt ist darum die Kristallisationsoptimierung, wobei der Kristallisationsprozess in Bezug auf Ausbeute, Kosten, Zeit, Umweltverträglichkeit, Morphologie und Partikelgröße perfektioniert wird. Falls eine metastabile Form produziert werden soll, kann es erforderlich sein, die Kristallisation online zu überwachen. Zum Schluss muss sowohl Wirkstoff als auch formuliertes Produkt einer Qualitätskontrolle bezüglich polymorpher Form unterzogen werden. Für die Produktion sind Kristallisationsoptimierung und Online-Überwachung der Kristallisation von besonderer Relevanz.
Kristallisationen optimieren
Die Optimierung einer pharmazeutischen Aktivsubstanz führte Solvias in einem Wärmeflusskalorimeter durch. Genutzt wurden dabei dessen umfangreiche Vorteile wie Reproduzierbarkeit, präzise Temperaturkontrolle, und mögliches Online-Prozessmonitoring mittels Trübungs-, Raman- oder IR-Sonden. Die Ergebnisse des Screeningprogramms zeigten, dass die Substanz in zwei relevanten polymorphen Formen (Form I und Form II) vorkommen kann. Form I ist die thermodynamisch stabile Form bei Raumtemperatur und wurde für die weitere Entwicklung und Produktion bestimmt. Nach Ermittlung der Breite der metastabilen Zone beider Formen in einem sorgfältig gewählten Lösemittel, wurden Kristallisationen mit unterschiedlichen Kühlraten und Impfbedingungen durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass eine Kühlrate von 0,5 K/min und Zugabe von 10% Impfkristallen von Form I ideale Resultate lieferte (Abb. 2). Es wurde außerdem festgestellt, dass hierbei die Qualität der Impfkristalle von besonderer Bedeutung ist. Die angemessene Vorbehandlung der Impfkristalle führte zur notwendigen Anzahl an Kristallisationskeimen.
Mit physikochemischem Wissen und gezielt ausgesuchten Experimenten konnte also ein robustes, schnelles, effizientes und sicheres Verfahren zur Kristallisation dieser Substanz in der gewünschten polymorphen Form gefunden werden.
Online-Überwachung
Bei einer weiteren pharmazeutischen Aktivsubstanz sollte eine metastabile polymorphe Form B hergestellt werden. Im Produktionsprozess fiel jedoch die metastabile polymorphe Form A an. Die thermodynamisch stabile polymorphe Form ist C. Es zeigte sich, dass man in Suspensionsexperimenten A in B umwandeln konnte. Die Umwandlungsgeschwindigkeit von A in B variierte dabei stark und war abhängig von schlecht zu kontrollierenden Eigenschaften wie Partikelform und Größe der Kristalle der Form A. Außerdem war es wichtig, die Suspension nicht unnötig lange zu rühren, da sonst die Möglichkeit bestand, dass sich B in die stabile Form C umwandelte. Aus diesen Gründen war es in diesem Fall unerlässlich, die Kristallisation online zu überwachen.
Solvias entwickelte für diese Substanz eine Raman-Methode, die es erlaubt, die relativen Konzentrationen der polymorphen Formen A, B und C in Echtzeit zu bestimmen (Abb. 3). Auf diese Weise war es leicht möglich, ein stabiles Verfahren zur Herstellung von B zu erarbeiten.
Halle 10.1, Stand C15
Leistungsspektrum
Die Solvias AG mit Sitz in Basel ist ein unabhängiges Dienstleistungsunternehmen. Mit über 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bietet die Firma eine breite, auf Synthese und Analytik ausgerichtete Palette an chemischer, physikalischer und biologischer Expertise an. Der Kundenkreis von Solvias umfasst hauptsächlich Unternehmen der Pharma-, Agro- und Chemieindustrie in Europa und in den USA.
Eine der Hauptstärken ist das Gebiet der Festkörpereigenschaften. Etwa 20 Spezialisten unterstützen die Anwender in allen Aspekten von Salzauswahl über Polymorphiescreening bis hin zur Kristallisationsoptimierung und Qualitätskontrolle. Gelöst werden diese Aufgaben mit Hilfe einer sehr breiten Palette von Geräten und Methoden wie dem selbst entwickelten Polymorphie High Throughput Screening System, Pulverröntgen mit Temperatur- und Feuchtigkeitskontrolle, TG-FTIR, Wärmeflusskalorimeter oder Heiz-Ramanmikroskop. Als Auftragslabor bietet Solvias je nach Problemstellung und Bedürfnis Komplettlösungen oder bearbeitet lediglich Teilprobleme.
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