Die Energiewende ermöglicht es, Strom CO2-ärmer zu erzeugen und eröffnet neue Wege für eine stromgeführte Produktion. Um diesen Wandel zu gestalten, haben neun Fraunhofer-Institute unter Federführung von Fraunhofer Umsicht ihre Kompetenzen gebündelt. Im Rahmen des Leitprojekts Strom als Rohstoff entwickeln sie neue elektrochemische Verfahren zur Herstellung von Basischemikalien.
Seit dem Projektstart 2015 wurden neue Prozesse entwickelt, technisch demonstriert und ihre Kopplung mit dem deutschen Energiesystem analysiert – immer mit dem Ziel, Ressourcen, Energie und Kapital bestmöglich einzusparen. Auf der Achema 2018 präsentierten die Partner Know-how, Technologien und Demonstratoren aus dem Leitprojekt.
Wasserstoffperoxid on Demand
Die umweltfreundliche Chemikalie Wasserstoffperoxid (H2O2) kommt u. a. als Bleichmittel und zur Entschwefelung zum Einsatz. Die Produktion ist kostenintensiv und benötigt große Mengen an Lösemitteln und Energie. Für viele Anwender wäre es ein großer Vorteil, auf die umfangreiche Logistik und Lagerung verzichten und H2O2 nach Bedarf (on demand) dezentral herstellen zu können. Im Leitprojekt haben Fraunhofer-Forscher deshalb einen Demonstrator für die kontinuierliche, elektrochemische Herstellung von H2O2 im wässrigen Reaktionssystem einschließlich Kopplung an chemische Folgeprozesse entwickelt. Der Prozess kann kleinskalig, dezentral und im Idealfall mit 100 % erneuerbarem Strom betrieben werden.
Die CO2-Raffinierie
Kohlenstoffdioxid ist eine sinnvolle Kohlenstoffquelle für Chemikalien und Treibstoffe, wenn erneuerbare Energie zur Aktivierung genutzt wird. Auf diese Weise werden Strom, CO2 und Wasser zu Rohstoffen einer neuartigen CO2-Raffinerie. Im Leitprojekt werden mehrere Verfahren zur elektrochemischen Konversion von CO2 zu Basischemikalien entwickelt.
So konnte die Herstellung von Ethen, der mit Abstand wichtigsten Basischemikalie der petrochemischen Industrie, aus CO2 und Wasser in nur einem Schritt demonstriert werden. Außerdem wird ein Prozess zur elektrochemischen Herstellung kurzkettiger Alkohole (C1 bis C4) – hierzu zählt beispielsweise Methanol – erforscht, der über ein neues einstufiges Hochdruckelektrolyseverfahren CO2 und Wasser umsetzt. Das Prinzip der Hochdruckelektrolyse veranschaulichte Fraunhofer Umsicht auf der Achema anhand einer nachgebauten Hochdruckzelle mit integrierten Elektroden.
Langkettige Alkohole (C4 bis C20) werden u. a. in der Kunststoff-, Kosmetik- und Waschmittelproduktion eingesetzt. Um die hochpreisigen Grundstoffe zu gewinnen, haben Fraunhofer-Forscher einen gekoppelten Prozess aus Hochtemperaturelektrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese entwickelt, der langkettige Alkohole aus CO2 und Wasser herstellt. Die Synthese wird erstmalig über einen zweistufigen Prozess realisiert. Eine Hochtemperaturstabile Festoxidzelle für Power-to-Gas-Prozesse und ein Plexiglasreaktor demonstrierten auf der Messe das Prinzip hinter den chemischen Prozessen.
Vom Molekül zum Prozess
Membranen, Elektroden und eine ausgefeilte Analytik sind wichtige Werkzeuge elektrochemischer Zellen und Prozesse. Eines dieser neu entwickelten Werkzeuge wurde auf der Achema präsentiert: Eine neuartige Membran für geteilte elektrochemische Zellen, die sich neben der sehr guten Protonenleitfähigkeit auch durch einen verbesserte Recyclingfähigkeit auszeichnet.
Des Weiteren sind zur Unterstützung der einzelnen Prozesse Modellierungswerkzeuge und ein Entscheidungsunterstützungssystem konzipiert worden. Wie das interaktive Tool für multidimensionale Datensätze Ergebnisse visualisiert und elektrochemische Prozesse in Abhängigkeit des Energiemarktes steuert, zeigten die Forscher auf dem Messestand.