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Neue Rohstoffe aus Plastikmüll

Chemisches Recycling schließt den Wertstoffkreislauf
Neue Rohstoffe aus Plastikmüll

Kunststoffe bieten vielerlei Nutzen. Plastikmüll ist jedoch zur globalen Herausforderung geworden – insbesondere, wenn er unkontrolliert in die Umwelt gelangt. Sowohl der Markt als auch die Gesellschaft erwarten von der Industrie daher konstruktive Lösungen. Mit dem Projekt Chemcycling will BASF dazu beitragen, dass künftig mehr Kunststoffe chemisch recycelt werden und dadurch dem Wertstoffkreislauf dauerhaft erhalten bleiben.

Kunststoffe sind zu wertvoll, um sie nur einmal zu nutzen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, gewinnt aber mit der aktuellen Diskussion um Plastikmüll und strengeren Vorgaben für Recyclingquoten zunehmend an Bedeutung. In der Kritik stehen vor allem Kunststoffverpackungen wie Tüten, Folien, Blister oder Flaschen. In vielen Ländern landen solche Kunststoffabfälle nach wie vor auf Deponien – oder noch schlechter: auf wilden Müllkippen oder in Flüssen und Meeren. Laut einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey wurden im Jahr 2016 weltweit fast 60 % der insgesamt rund 260 Mio. t Kunststoffabfälle deponiert oder unkontrolliert in die Umwelt entsorgt. Unzureichende Abfallmanagementsysteme, fehlende Recycling-Infrastrukturen und nicht zuletzt auch das Verhalten der Verbraucher sind drei wichtige Gründe, warum die Ressource Kunststoff nicht konsequenter verwertet wird – sei es als neuer Kunststoff, Rohmaterial oder Energiequelle.

Europa schneidet mit einem Deponierungsanteil von 31 % und einer Verwertungsquote bei Kunststoffabfällen von 69 % deutlich besser ab. In Deutschland, wo es seit 2005 ein Deponierungsverbot für unbehandelten Hausmüll gibt, lag der Verwertungsanteil zuletzt sogar bei 99 %.

Verwertung ist nicht gleich Recycling

Grundsätzlich gibt die Abfallhierarchie drei Verwertungsmöglichkeiten für Kunststoffabfälle vor: energetische, werkstoffliche und rohstoffliche Verwertung. Mit einem Anteil von 53 % ist die energetische Verwertung in Deutschland am weitesten verbreitet (Europa: 39 %; weltweit: 25 %). Bei diesem Verfahren werden Kunststoffe bei sehr hohen Temperaturen verbrannt und die gewonnene Energie zum Beispiel zur Herstellung von Strom oder Dampf oder auch in Zementwerken genutzt.

Bei der werkstofflichen Verwertung werden gebrauchte Kunststoffe wieder als Kunststoffe eingesetzt. Klassisch mechanisch werden Kunststoffabfälle sortiert, gereinigt und zerkleinert. Diese Mahlgüter können eingeschmolzen und als Rezyklat wiederverwendet werden. Dabei gilt: Je sortenreiner und sauberer das Rezyklat, desto höher die Qualität des Recycling-Produkts. In Deutschland liegt der Anteil der klassischen werkstofflichen Verwertung bei 46 % (Europa: 30 %; weltweit: 16 %).

Wertstoffkreislauf schließen

Beim chemischen Recycling hingegen werden die langen Kunststoffmolekülketten durch chemische Reaktionen in ihre Grundbausteine aufgespalten. Ein häufig eingesetztes Verfahren ist in diesem Zusammenhang die Pyrolyse. Hierbei werden Kunststoffe im Temperaturbereich zwischen 300 und 700 °C unter Ausschluss von Sauerstoff in petrochemisch verwertbare Grundstoffe wie Öle und Gase umgewandelt. Werden diese Sekundärrohstoffe wiederum zur Herstellung von neuen Kunststoffen eingesetzt, handelt es sich abfallrechtlich um eine werkstoffliche Verwertung.

Für das chemische Recycling müssen Kunststoffabfälle deutlich weniger aufbereitet oder sortiert werden als beim mechanischen Recycling. Das Verfahren eignet sich daher auch für Kunststoffabfälle, die derzeit nicht klassisch recycelt werden können und deshalb verbrannt oder deponiert werden – etwa weil der Verschmutzungsgrad zu groß oder eine Sortierung zu aufwendig ist (z. B. kleinteilige Verpackungen). Der große Vorteil des chemischen Recyclings gegenüber der energetischen Verwertung oder der Deponierung liegt darin, dass die Ressource Kunststoff dem Wertstoffkreislauf dauerhaft erhalten bleibt und der darin enthaltene Kohlenstoff wieder genutzt wird.

Chemisches Recycling

Weltweit spielt das chemische Recycling bislang nur eine untergeordnete Rolle. Der Anteil liegt bei unter 1 %. Mit dem Projekt Chemcycling will BASF der Technologie zum Durchbruch verhelfen und sie im industriellen Maßstab einsetzen. Die erste Charge Pyrolyseöl aus Kunststoffabfällen, zugeliefert von Partnern, wurde im Oktober 2018 in den Steamcracker der BASF am Standort Ludwigshafen eingespeist und dort bei Temperaturen von rund 850 °C hauptsächlich in Ethylen und Propylen aufgespalten. Diese Chemikalien bilden wiederum die Basis für die Herstellung von neuen Kunststoffen. BASF gehört damit zu den Vorreitern bei der Nutzung von chemisch recycelten Sekundärrohstoffen in der Produktion. Da das Pyrolyseöl direkt am Anfang der chemischen Wertschöpfungskette in den Produktionsverbund eingebracht wird, entsprechen die später daraus hergestellten Chemcycling-Produkte in ihren Eigenschaften exakt den Produkten auf Basis fossiler Rohstoffe. Der Anteil des recycelten Rohstoffs wird den Endprodukten über ein zertifiziertes Massenbilanzierungsverfahren rechnerisch zugeordnet. Zu den ersten, gemeinsam mit Kunden entwickelten und produzierten Produkten aus chemisch recycelten Kunststoffen zählen Lebensmittelverpackungen, Kühlschrankelemente und Dämmplatten.

Auf dem Weg zur Marktreife

Noch befindet sich Chemcycling in der Pilotphase. BASF will die Technologie aber in den kommenden Jahren zur industriellen Marktreife entwickeln. „Als innovative Ergänzung zu anderen Recycling- und Entsorgungsverfahren eröffnet Chemcycling völlig neue Optionen für die Wiederverwertung von Kunststoffen. Wenn es gelingt, das Projekt zur Marktreife zu entwickeln, kann Chemcycling zur Lösung des globalen Plastikmüllproblems beitragen“, sagt Dr. Stefan Gräter, Projektleiter Chemcycling bei BASF.

Großes Potenzial sieht auch die Unternehmensberatung McKinsey: Werden etablierte und neue Recyclingverfahren wie das chemische Recycling kombiniert, halten die Experten bis 2030 eine weltweite Recyclingquote von 50 % für möglich (heute: 16 %). Der Anteil des chemischen Recyclings könnte dann auf rund 17 % ansteigen.

Bis dahin sind allerdings noch verschiedene technologische, regulatorische und wirtschaftliche Fragen zu klären. So gibt es zwar erste Pilotanlagen für das chemische Recycling von Kunststoffabfällen. Die Verfahren und Technologien müssen für eine Nutzung im industriellen Maßstab jedoch weiterentwickelt werden, damit Grundstoffe wie beispielsweise Pyrolyseöl dauerhaft in großen Mengen, in gleichbleibend hoher Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen hergestellt werden können. Auf der regulatorischen Seite gilt es etwa zu klären, wie chemisches Recycling und Verfahren zur Massenbilanzierung in die Berechnung von Recyclingquoten einfließen können.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: cav0819basf


Autor: Andreas Kicherer

Director Sustainability Strategy,

BASF

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