Mikroschadstoffe bzw. Spurenstoffe kommen in Gewässern in Konzentrationen von Nano- bis maximal wenigen Mikrogramm pro Liter vor. Hervorgerufen beispielsweise durch Arzneimittel, Haushalts- und Industriechemikalien sowie Kosmetikprodukte oder Pflanzenschutzmittel, gelangen die synthetischen organischen Substanzen über häusliche und industrielle Abwässer in den Wasserkreislauf. Mit herkömmlicher Klärtechnik können sie nicht aus dem Abwasser entfernt werden und gelangen so in die Umwelt.
Es gibt verschiedene Ansätze, Spurenstoffe zu entfernen. So laufen Forschungsprojekte mit adsorptiven und oxidativen Behandlungen ebenso wie mit Membranverfahren oder einer Kombination dieser Technologien. Letzterer Ansatz ist am vielversprechendsten, da die einzelnen Technologien unterschiedliche Schwachstellen haben. So werden bei der Adsorptionstechnologie mit Aktivkohle nicht alle Stoffgruppen gleich gut adsorbiert, bei einem Oxidationsprozess können schädliche Nebenprodukte entstehen und bei der Membranfiltration muss Fouling verhindert oder reduziert werden. Die Mikro- oder Ultrafiltration (UF) kann als Membranprozess eingesetzt werden, aber nur in Kombination mit einer Adsorptionstechnologie, da diese zwar Partikel im Abwasser sicher zurückhalten, aber keine kleinen organischen Substanzen. Dies kann nur die Umkehrosmose (UO), die allerdings auch einen höheren Anwendungsdruck benötigt. Insgesamt hat die Membrantechnik in dieser Anwendung den zusätzlichen Vorteil, dass sie eine sichere Barriere darstellt, um Bakterien zurückzuhalten. Dies ist gerade im Zusammenhang mit der Zunahme von resistenten Bakterien ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung der Technologien.
BMBF-Forschungsprojekt
Um verschiedene Technologien zu vergleichen und zu bewerten, läuft ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstütztes Projekt mit dem Titel Multi-ReUse (www.water-Multi-Reuse.org). Daran beteiligen sich neben Instituten (z. B. IWW Zentrum Wasser Mülheim) und Universitäten auch ein Hersteller von UF-Elementen (Inge GmbH), der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) und der Geschäftsbereich Liquid Purification Technologies von Lanxess, vertreten durch die IAB Bitterfeld (eine 100 %ige Lanxess-Tochter) als Produzent von UO-Elementen. Das Ziel dieses Projektes ist es, modular aufgebaute Prozessketten zu entwickeln, zu pilotieren und die einwandfreie Produktion von Brauchwasser in den erforderlichen Qualitäten zu demonstrieren. Hierzu wurde eine Pilotanlage in einer Kläranlage im niedersächsischen Nordenham installiert, denn in küstennahen Gebieten ist eine mögliche Anwendung zur Wiederverwendung von Abwasser die Brauchwasserversorgung von Industrie und Gewerbe. In der Wesermarsch erfolgt diese heute über lange Wasserleitungen aus den Wasserwerken der umliegenden Regionen. Ansonsten wären teurere Entsalzungsprozesse erforderlich, um den Wasserbedarf der ansässigen Industrie zu decken.
Zwei separate Linien
Die Piloteinheit besteht aus zwei separaten Linien, um verschiedene Prozessbedingungen vergleichen zu können. Als Vorbehandlung wird nach der Biologie eine Fällung bzw. Flockung und anschließend eine Ultrafiltration eingesetzt. Während die Aufgabe der UF die Entfernung von Partikeln ist, werden mit der Umkehrosmose Salze und Mikroverunreinigungen entfernt. Zusätzlich sollte ein stabiler und energieeffizienter Prozess implementiert werden. Jede UO-Linie hat ein 4″-Druckrohr mit drei installierten Elementen. In einem ist der Elementtyp Lewabrane B085 FR 4040 (FR = Fouling resistance) und in der anderen Linie der Typ Lewabrane B085 ULP 4040 (ULP = Ultra low pressure) installiert. Da die Adsorption von Partikeln auf der Membran eines der Hauptprobleme ist, wurden zwei verschiedene Membrantypen getestet. Der FR-Typ hat eine dichte Membran mit geringerer Tendenz zu Fouling, der ULP-Typ hat eine offene Struktur, um den Energieverbrauch zu reduzieren.
Resultate der Umkehrosmose
Die Testphase mit den ersten Elementen dauerte rund zwei Monate. Während dieser Zeit wurden Druck, Fluss, Leitfähigkeit, pH-Wert und Temperatur mehrmals täglich automatisch gemessen. Zusätzlich wurden regelmäßige Wasseranalysen durchgeführt. Um das Foulingverhalten und die Leistung der Elemente vergleichen zu können, wurden für beide Typen die gleichen Rückgewinnungs- und Flussraten eingestellt. Da die Spezifikationen dieser Membranen unterschiedlich sind, war der angewandte Druck des FR-Typs im Vergleich zum ULP-Typ um etwa 30 % höher. Allerdings war – wie erwartet – der Rückhalt des FR-Typs sowohl bei organischen Substanzen, gemessen als Total Organic Carbon (TOC), als auch bei Salzen (gemessen als Leitfähigkeit) um ca. 1,5 % höher. Trotzdem konnte festgestellt werden, dass bei den getesteten UO-Membranen mit Rückhalten von über 95 % beim TOC und 97 % bei Salzen eine sehr hohe Wasserqualität erreicht werden konnte. Während der Versuche wurden u. a. Diclofenac und Benzotriazol gemessen, um den Rückhalt zu bestimmen. Der Rückhalt mit der ULP-Membran lag bei 99,8 % für Diclofenac und bei 88,0 % für Benzotriazol – beide unter Praxisbedingungen ermittelten Werte liegen höher als die im Labor gemessenen.
Projektion und Energieberechnung
Neben der regelmäßigen Messung der Salze im Wasser wurde auch geprüft, wie gut sich die Leistung, besonders der Rückhalt der Ionen, im UO-Prozess berechnen lässt. Dafür kam die von Lanxess entwickelte Software Lewaplus zum Einsatz, die Berechnungsparameter der verwendeten Lewabrane-Elementtypen beinhaltet. Das Programm kann sowohl die Wasserqualität für unterschiedlichen Temperaturen berechnen als auch den Druck und damit den Energiebedarf der Anlage. Somit ist das Programm eine Hilfe zur Bewertung des Prozesses.
Beim Vergleich der gemessenen Ergebnisse mit der Projektion kann eine gute Übereinstimmung beobachtet werden. Die Projektion eines solchen Systems ist sehr kompliziert, da neben der Verschmutzung auch Temperatureinflüsse und Wechselwirkungen der Ionen untereinander und mit der Membranoberfläche berücksichtigt werden müssen.
Zusätzlich kann die Projektion verwendet werden, um eine Energieberechnung dieses Prozesses unter Verwendung der gemessenen Druckwerte bei 15 °C durchzuführen. Bei einem Pumpenwirkungsgrad von 78 % und einem Motorwirkungsgrad von 90 % beträgt der Gesamtenergiebedarf des UO-Pilotprozesses 0,89 kWh/m3 für den ULP-Typ und 1,31 kWh/m3 für den FR-Typ. Diese Erkenntnisse wurden genutzt, um mit der Software Lewaplus die Behandlung des gesamten Ablaufs in der Kläranlage in Nordenham zu berechnen: Bei einem Ablauf von 8500 m3/Tag und einer Ausbeute von 75 % würde eine konzentratgestufte Anlage mit 36 Druckrohren und sechs Elementen in der ersten Stufe sowie 19 Druckrohren mit sechs Elementen in der zweiten Stufe bei 15 °C einen Druck von 8 bar benötigen. Der Energiebedarf läge bei gleichem Pumpen- und Motorwirkungsgrad wie oben erwähnt unter Verwendung einer ULP-Membran bei 0,47 kWh/m3.
Die Erkenntnisse aus den ersten Versuchen mit Lewabrane im Rahmen des Projekts Multi-ReUse sind überzeugend: Der sichere Rückhalt von Mikroschadstoffen/Spurenstoffen durch Umkehrosmose konnte bestätigt werden. Unter Verwendung einer ULP-Membran konnte zudem der Energiebedarf deutlich reduziert werden.
Die Tabelle vergleicht die in Nordenham gemessenen Rückhalte mit Literaturangaben anderer untersuchter Technologien, wie Ozonisierung oder die Kombination von Pulveraktivkohle mit Ultrafiltration (PAK-UF). Es zeigt sich, dass der mit UO erzielte Rückhalt verglichen mit alternativen Technologien sehr hoch und meistens deutlich besser ist.
Fouling reduzieren
Ein Ziel des Forschungsprojektes ist es auch, den Leistungsabfall der Elemente durch Fouling zu beobachten und Strategien zu entwickeln, diesen zu reduzieren. Dazu werden die Elemente ausgebaut und analysiert. Anschließend werden neue Elemente installiert, wobei ein alternativer feedseitiger Abstandhalter zum Einsatz kommt. Dieser Abstandhalter, auch Feedspacer genannt, ist ein Kunststoffgitter, das Polarisationseffekte auf der Feedseite reduziert. Jedoch bilden sich durch das Netz Bereiche aus, die schlecht überströmt werden. Der alternative Feedspacer reduziert diese Bereiche, da das Netz aus unterschiedlich dicken Filamenten besteht. Diese Geometrie wird Alternating Strand Design (ASD) genannt. Somit kann das Fouling, insbesondere das Biowachstum, reduziert werden.
Suchwort: cav0718lanxess
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Autoren:
Dr. Stefan Lehmann
Projektleiter,
IAB Ionenaustauscher
Julien Ogier
F&E und Anwendungsentwicklung,
IAB Ionenaustauscher
Dr. Jens Lipnizki
Leiter Technical Marketing Membrane,
BU Liquid Purification Technologies,
Lanxess
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