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Chlorproduktion mit Sauerstoffverzehrkathoden

Wenn ein Elektrolyseur auf eine Brennstoffzelle trifft
Chlorproduktion mit Sauerstoffverzehrkathoden

Chlorproduktion mit Sauerstoffverzehrkathoden
SVK-Demonstrationsanlage in Krefeld-Uerdingen. 2011 wurde bei Covestro die erste Großanlage mit einer Chlorkapazität von 20 000 t/a in Betrieb genommen. Bild: Thyssenkrupp
Was sich wie die Überschrift eines Romans anhört, ist in Wirklichkeit die Grundlage für einen innovativen Prozess, der große Energieeinsparungen ermöglicht. Mit der Technologie der Sauerstoffverzehrkathode (SVK) steht ein Prozess zur Verfügung, der auf dem Einsatz von Sauerstoff und dem Brennstoffzellenprinzip basiert. Im industriellen Maßstab angewandt, lassen sich dadurch bis zu 25 % der Energie bei der Chlorproduktion einsparen.

Chlor ist Teil von vielen chemischen Reaktionen. Dabei wird das Chlor im Verlauf eines Herstellungsprozesses häufig wieder abgespalten; chlorfreie Endprodukte bleiben erhalten. Diese Eigenschaft in Verbindung mit seiner hohen Reaktionsfähigkeit sind der Grund, warum es so häufig zur Herstellung anderer Chemikalien eingesetzt wird.

Die Produktion von Chlor erfolgt durch Elektrolyse. Der Basisprozess ist einfach zu erklären: In der häufig eingesetzten Membranelektrolyse wird einer Salzlösung bestehend aus Wasser und Natriumchlorid elektrische Energie zugeführt, und zwar typischerweise 6 kA/m2. Diese Technologie ist zwar ausgereift und sehr effizient, gleichzeitig ist sie aber auch immer noch eines der energieintensivsten Produktionsverfahren.

Sauerstoff im Reaktionsschema

Der Schlüssel zur Reduzierung der resultierenden Zellspannung – unter Beibehaltung der Stromdichte und somit auch der Produktionsleistung – liegt in der Reaktion selbst. Bei der herkömmlichen Membranelektrolyse wird Natriumchlorid in Chlor und Natriumhydroxid getrennt. An der Kathodenseite entsteht Wasserstoff als Nebenprodukt. Durch die Verwendung der Sauerstoffverzehrkathode (SVK), einer speziellen nanoporösen Kathode, auf der
ein Katalysator angebracht ist, ist es heute möglich, Sauerstoff in das Reaktionsschema einzubringen. Die Reaktion stellt sich dann folgendermaßen dar:

  • Anodenreaktion:
    2 Cl- – Cl2 + 2 e-
  • Kathodenreaktion:
    H2O + ½ O2 + 2 e- – 2 OH-
  • Insgesamt:
    2 NaCl + H2O + ½ O2 – Cl2 + 2 NaOH

Der Sauerstoff „fließt” durch die Kathode und kann die überschüssigen Elektronen dabei viel leichter aufnehmen als Wasser. Das verändert die Reaktion grundlegend: Statt der Entwicklung von gasförmigem Wasserstoff wird Sauerstoff verbraucht, um die Natronlauge zu bilden. Die Spezialkathode, die von Covestro entwickelt wurde, basiert auf Konzepten aus der Brennstoffzellentechnologie und kann nun auf sehr nützliche Weise in einem anderen Anwendungsgebiet eingesetzt werden.

Funktionsweise der Spezialkathode

Aus dem Anodenraum, in dem das Chlor erzeugt wird, migrieren Na+-Ionen durch die Membran, die die beiden Räume voneinander trennt. Die Sauerstoffverzehrkathode (SVK) vereint in sich die Funktionen eines Stromverteilers und eines Katalysators, die durch ein Bindemittel zusammengehalten werden. Der Stromverteiler agiert als Trägerstruktur für den Katalysator und das Bindemittel. Er besteht aus einem Metallgewebe. Die Reaktion läuft in mehreren Schritten ab: Die sauerstoffverbrauchende Reaktion beginnt mit der Permeation von Sauerstoff in die poröse SVK-Struktur, gefolgt von einem zweiten Schritt, bei dem Sauerstoff im kaustischen Elektrolyten gelöst wird und in die Katalysatoroberfläche eindiffundiert. Der Sauerstoff wird dann elektrochemisch reduziert, und die Reaktionsprodukte werden durch konvektiven Transport entfernt.

Charakteristisch für den Prozess ist die 3-Phasen-Grenzstruktur aus Flüssigkeit, Gas und Feststoff an der Katalysatoroberfläche, wo die Reaktion stattfindet. Diese ist für den Aufbau der Zelle von wesentlicher Bedeutung, da sie Sauerstoff, den kaustischen Elektrolyten (Natronlauge) und den Katalysator in Kontakt bringen muss. Alles in allem veranschaulicht dieser Aufbau den Brennstoffzellenprozess, der im Uhde-Single-Element integriert ist. Ein Perkolator ist die Schlüsselkomponente für die Trennung von Gas und Flüssigkeit im Kathodenraum. Er ermöglicht die Bildung eines Laugefilms zwischen der Membran und der SVK. Dank dieses Perkolatorkonzepts wird eine konstante Druckverteilung von Sauerstoff und Natronlauge über die gesamte Raumhöhe erreicht.

Erfolgreiche Zusammenarbeit

Um neue Lösungen zur Energieeinsparung zu erforschen und zu entwickeln, haben Covestro, Thyssenkrupp Industrial Solutions und De Nora ihr gemeinsames Projekt vor mittlerweile mehr als 10 Jahren gestartet. Inzwischen haben De Nora und die Elektrolyse-Einheit von Thyssenkrupp Industrial Solutions das Gemeinschaftsunternehmen Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers gegründet. In diesem Rahmen wurde die erfolgreiche Zusammenarbeit weiter fortgesetzt. Zur Entwicklung des Prozesses steuerte Covestro seine SVK-Technologie und Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers das Single-Element-Design und die Erfahrung eines global agierenden Anlagenbauers bei. 2011 wurde bei Covestro die erste Großanlage mit einer Chlorkapazität von 20 000 t/a in Betrieb genommen. Seit 2013 wird die Technologie durch Thyssenkrupp weltweit vermarktet.

Ein erster Auftrag über den Bau einer Anlage zur Produktion von 80 000 t/a Natronlauge in Binzhou City, China, wurde 2014 zwischen Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers und der BEFAR Group Co. LTD unterzeichnet. Bei dieser Kapazität entsprechen die Energieeinsparungen aus durch den Einsatz der SVK-Technologie einer indirekten Reduzierung der jährlichen CO2-Emissionen um bis zu 35 000 t.

Gesteigerte Produktivität

Betrachtet man die reinen Zahlen, so war die Reduzierung der Zellspannung von
2,8 auf 2,1 V bei einer Stromdichte von 4 kA/m2 ein erster wesentlicher Schritt für eine effizientere Chlorproduktion. Dieser beträchtliche Sprung ermöglichte eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs um 25 %. Der nächste logische Schritt bestand darin, die Stromdichte zu erhöhen, um die spezifische Produktivität der SVK-Technologie weiter zu steigern. Thyssenkrupp ist genau das gelungen: Durch die Erhöhung der Stromdichte von 4 auf 6 kA/m2 wurde der spezifische Output um 50 % gesteigert.

So können mit der nächsten SVK-Generation Elektrolyseure mit derselben Chlorkapazität ein Drittel kleiner gebaut werden. Bei Neukonstruktionen hat dies bedeutende Auswirkungen auf die Investitionsausgaben. Die Gesamtkosten des Betriebs werden aufgrund der hohen Energieeinsparungen und geringerem Wartungsaufwand verringert. Covestro wird das neu entwickelte Verfahren in einer Anlage in Tarragona, Spanien, einsetzen. Im Vergleich zum herkömmlichen Membranprozess wird dies die CO2-Emissionen der neuen Anlage um rund 22 000 t/a reduzieren. Das entspricht in etwa der CO2-Menge, die 15 000 Autos in einem Jahr erzeugen. Würde man diese SVK-Technologie als Standardtechnologie für die Chlorproduktion weltweit implementieren, könnten dadurch 35 Mio. MWh Energie pro Jahr eingespart werden. Ein riesiges Potenzial.

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Suchwort: cav0519thyssenkrupp

Die Sauerstoffverzehrkathode (SVK) vereint in sich die Funktionen eines Stromverteilers und eines Katalysators, die durch ein Bindemittel zusammengehalten werden.
Bild: Thyssenkrupp

Autor: Dr. Adrian Schervan

Head of Global Sales,

Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers

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