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Viskositätsmessung von Fermentersubstrat

Differenzdruck in der Leitung entscheidend
Viskositätsmessung von Fermentersubstrat

Angesichts der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Biogasproduktion steigen die Anforderungen an die Überwachung und Steuerung von Biogasanlagen. Damit wird die Ausstattung der Anlagen mit Mess- und Regelungstechnik unerlässlich. Im Forschungszentrum Aubios der Hochschule Hannover wurde ein mobiler Versuchsstand mit Differenzdruck- und Volumenstrommesstechnik von ABB konzipiert, mit dem sich die Fließeigenschaften von Fermentermaterial direkt an der Biogasanlage bestimmen lassen.

Die Autoren: Dirk Basedau Wiss. Mitarbeiter, Hochschule Hannover/Aubios Ulrich Lüdersen Professor, Hochschule Hannover/Aubios Harald Benkert Sales Manager Messtechnikprodukte, ABB Prozess Automation, Deutschland

Das Forschungszentrum Aubios an der Fakultät für Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik der Hochschule Hannover führt schon seit einigen Jahren u. a. Forschungsprojekte aus dem Bereich der Biogastechnik durch. Der Fokus der unterschiedlichen Projekte liegt auf der Prozessoptimierung. Denn es kommt bei der energetischen Umwandlung der Rohstoffe (Maissilage, Grassilage, Rindermist usw.) in einer Biogasanlage darauf an, möglichst optimale Lebensbedingungen der am Gärprozess beteiligten Mikroorganismen zu schaffen. Dazu gehört neben der Temperatur und dem pH-Wert auch eine bestmögliche Verteilung der Nährstoffe innerhalb des Gärbehälters. Die Substratströmung, die durch die Umwälzaggregate erzeugt wird, verteilt in der Regel die Nährstoffe. Um eine Biogasanlage wirtschaftlich betreiben zu können, müssen zum einen diese Energieumwandler effizient eingesetzt werden und zum anderen muss die hydraulische Verweilzeit optimal sein. Das heißt, es dürfen innerhalb des Fermenters keine Totzonen entstehen.
Anspruchsvoller Fermenterinhalt
Eine effektive Verteilung der Nährstoffe mithilfe der Umwälzaggregate erfolgt über die Propellergeometrie in Kombination mit der horizontalen sowie vertikalen Rührerausrichtung im Behälter. Die Fließeigenschaften des zu mischenden Mediums haben einen entscheidenden Einfluss auf die Auslegung der Rührergeometrie und auf die Verortung der Rühraggregate im Fermenter. Bei der stofflichen Charakterisierung von Fermenterinhalten in Biogasanlagen ist die dynamische Viskosität eine entscheidende Größe. Sie ist nicht nur von der Art und Zusammensetzung der Ausgangsstoffe abhängig, sondern auch von enthaltenen Gasblasen, der Teilchengröße und von der Temperatur.
Die Herausforderung liegt in der Auswahl einer geeigneten Messtechnik zur Bestimmung der Viskosität. Biosuspensionen beinhalten größere und faserige Feststoffe. Dabei können frische Zuckerrübenschnitzel mit bis zu 5 cm und Grassilage mit bis zu 10 cm Länge vorkommen. Derartige Feststoffe sind mit einem Rotationsviskosimeter aufgrund der Größe, Art und Form nicht bzw. nur eingeschränkt untersuchbar. Eine Vorbehandlung des Substrats durch Zerkleinern oder Sieben lässt zwar eine rheologische Charakterisierung zu, jedoch werden dadurch die Fließeigenschaften deutlich verändert. Aus diesem Grund baute das Projektteam eine eigens entwickelte Messapparatur auf. Diese erlaubt die Untersuchung von Originalproben vor Ort. Das Messverfahren basiert auf der Funktionsweise eines Kapillarviskosimeters. Aufgrund der Dimensionierung können die zu untersuchenden Substratproben direkt aus dem Fermenter analysiert werden.
Absolute Viskositätsdaten ermitteln
Für die Viskositätsmessung in der Pilotanlage wurden absolute rheologische Daten erhoben. Im Bereich der Biogastechnik liegen hierfür nur wenige Daten vor. Häufig werden relative Messungen vorgenommen, die nur begrenzt aussagefähig sind und sich nicht für z. B. CFD-Analysen (Computational Fluid Dynamics) in der numerischen Strömungsmechanik eignen.
Am neu aufgebauten Rohrviskosimeter, das für Fluide mit höherem Feststoffanteil sowie für stückige Medien geeignet ist, lassen sich mithilfe der Differenzdruckmesstechnik von ABB absolute Viskositätsdaten ermitteln. Für ausgebildete laminare Rohrströmungen gilt die Hagen-Poiseuille-Beziehung. Dabei ist die gesuchte dynamische Viskosität der Druckdifferenz zwischen Einlauf und Auslauf direkt proportional. Wegen störender Anlaufströmungen sollte die Druckmessung im Inneren der Leitung erfolgen, d. h. genügend weit von den Enden entfernt. Bei Kapillarviskosimetern für den Betrieb wird neben hinreichender Genauigkeit vor allem Wert auf robuste, kontinuierlich arbeitende Bauweise gelegt. In der Regel wird durch eine Dosierpumpe ein konstanter Durchfluss erzeugt und die entstehende Druckdifferenz nach geeigneter Umformung verwendet. Die magnetisch-induktiven Durchflussmesser von ABB gewährleisten dabei eine exakte Durchflussregelung.
Mobiles Rohrviskosimeter
Das großmaßstäbliche Rohrviskosimeter ist auf einem Anhänger montiert, damit die Messungen direkt an der Biogasanlage durchgeführt werden können. Eine frequenzgesteuerte Exzenterschneckenpumpe fördert das Biosubstrat aus einem Vorlagebehälter scherarm und pulsationsfrei durch ein serielles Rohrsystem mit unterschiedlichen Rohrquerschnitten und -längen (DN 40, DN 80 und DN 150). Die vierte Rohrstrecke (DN 50) wird optional zur Messung verwendet. Ein magnetisch-induktiver Durchflussmesser vom Typ MID FEP321 misst am Pumpenaustritt den Volumenstrom. Die unterschiedlich dimensionierten Messstrecken und der vorgegebene Volumenstrom erzeugen einen Druckverlust auf der jeweiligen Messstrecke, der mithilfe von Differenzdrucksensoren der Reihe 2600T sowie Rohrdruckmittlern aufgenommen wird. Ein Prozessrechner nimmt die Messwerte auf. Das Substrat fließt nach dem Durchlauf der drei Messstrecken wieder zurück in den Vorlagebehälter. Mögliche Temperatureffekte auf die Viskosität werden durch eine Rohrisolierung in Kombination mit einer Rohrbegleitheizung kompensiert.
Funktionsweise des Viskosimeters
Das Rohrviskosimeter macht sich den physikalischen Effekt zunutze, dass ein Fluid, das laminar durch ein Rohr gefördert wird, pro zurückgelegter Fließstrecke einen Druckverlust erfährt. Dieser Druckverlust ist von der Fließeigenschaft des Fluids (dynamische Viskosität), von der Fließgeschwindigkeit, den geometrischen Größen und von der Wandrauigkeit abhängig. Die Variation der Fließgeschwindigkeit, die mithilfe von drei unterschiedlichen, in Reihe geschalteten Rohrquerschnitten und -längen und vorgegebenem Volumenstrom realisiert wird, erzeugt einen Druckverlust bei dem jeweiligen eingestellten Volumenstrom. Mit der Kenntnis über die Rohrquerschnitte der jeweiligen Messstreckenlänge und dem vorgegebenen Fördervolumenstrombereich ergeben sich unterschiedliche erreichbare Schergeschwindigkeiten. Die Schergeschwindigkeit beschreibt das Geschwindigkeitsgefälle innerhalb des Rohrquerschnittes. Die Fließgeschwindigkeit beträgt an der Rohrinnenseite nahezu 0 m/s und nimmt in Richtung der Rohrquerschnittsmitte zu, bis sie ihr Maximum erreicht. Je nach den Fließeigenschaften des Fluids ergeben sich entsprechende Geschwindigkeitsprofile.
Bei der Differenzdruckmessung wird der Drucksensor von zwei Seiten mit Druck beaufschlagt. Die Differenz der beiden Drücke wird in ein elektrisches Signal umgewandelt. Der Differenzdruck und der Systemdruck können sich um einige Zehnerpotenzen unterscheiden. Druckmittler sind Trennvorlagen für Druckmessgeräte, die verhindern, dass Messstoff in das Messsystem gelangt. Die bei dem mobilen Rohrviskosimeter eingesetzten Rohrdruckmittler gewährleisten eine totraumfreie Druckentnahme ohne Querschnittsverengung. Für die Auswahl der Druckmittlerübertragungsflüssigkeit, z. B. Silikonöl, sind Viskositäten, Einsatztemperaturbereiche sowie die Ausdehnungskoeffizienten von Belang.
Die Viskositätsmessungen erfolgten mit dem beschriebenen Rohrviskosimeter. Dabei wurden Fermenterproben aus fünf verschiedenen Biogasanlagen mit unterschiedlichen Ausgangsmaterialien untersucht, wobei die Anlage 1 drei Fermenter hatte. In der grafischen Darstellung werden beispielhaft Viskositätsfunktionen von Biogasanlagen gezeigt.
Integration in eine Biogasanlage
Das vorgestellte Messequipment und die dazu entwickelte Auswertung der Messdaten analysieren beliebige Fermenterinhalte im Batchverfahren. Mit den gewonnenen absoluten Viskositätsfunktionen lässt sich z. B. die Rührtechnik bezogen auf den untersuchten Prozesszeitpunkt optimal einstellen, sodass eine Wirkungsgradverbesserung in Bezug auf Energieeinsatz und Substratdurchsatz erzielt werden kann. In einem weiteren Schritt kann dieses Messverfahren leicht als Inline-Variante adaptiert werden, sodass dadurch nicht nur der personelle Arbeitseinsatz entfällt, sondern auch anstatt zwei bis drei Messungen am Tag kontinuierlich gemessen werden kann. Die Daten können dann in ein Prozessleitsystem einfließen. Die Leittechnik wiederum gibt z. B. die optimale Zusammenstellung und die Mengen der zur Verfügung stehenden Ausgangsstoffe vor und regelt effektiv die Rührintervalle und -intensitäten. Eine zeitnahe Reaktion auf Prozessveränderungen ist dadurch möglich. Es lassen sich optimale Lebensbedingungen für die Mikroorganismen schaffen und der Wirkungsgrad von Biogasanlagen deutlich verbessern.
Halle 4, Stand 420
prozesstechnik-online.de/cav1113414
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