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Vom Acker in den Tank

Antriebsanwendungen in der Biodieselproduktion
Vom Acker in den Tank

Mancher Beobachter sah mit der Steuer auf Biodiesel schon das Ende der Technologie gekommen. Neben ökonomischen und ökologischen Fragen sind allerdings auch ganz andere Aspekte der Produktion von Interesse. Aus Sicht von Maschinen- und Anlagenbauern zählt dazu zum Beispiel die antriebstechnische Seite: Die Biodieselherstellung zeigt mustergültig, an wie vielen Stellen in energieintensiven Prozessen verbrauchseffiziente elektrische Antriebe kostendämpfend wirksam werden können.

Ein mehrstufiger Prozess ist erforderlich, um aus Rapssaat – dem vor allem in Deutschland gängigsten Rohstoff für Biodiesel – einen Treibstoff für Fahrzeuge herzustellen. Elektrische Antriebe der unterschiedlichsten Typen, Dimensionen und Leistungen sind bei Transport und Verarbeitung der Rohstoffe, Zwischenprodukte, anderer Materialien und des Enderzeugnisses mit von der Partie. Da die Produktion meist vollautomatisch gesteuert und überwacht wird, ist der Personaleinsatz im Regelbetrieb minimal. Gerade deshalb muss hier die unbedingte Zuverlässigkeit von Maschinen und Anlagen gewährleistet sein. Doch nicht nur diesem Aspekt kommt bei der Auswahl von Komponenten und Systemen besonders kritische Bedeutung zu. Daneben ist in hochautomatisierten Anlagen der Energieaufwand ein erheblicher Kostenfaktor. Drittens werden mit der Biokraftstoffproduktion auch ökologische Ziele angestrebt – gute Umweltverträglichkeit ist folglich ebenfalls Pflicht. Bei der Antriebstechnik setzt das vor allem unbedenkliche Getriebeöle voraus. In den Prozessen sowie in Abläufen in der Anlagenperipherie finden sich Saatschnecken, Dosierschnecken, Schneckenpressen, Entladepumpen, Dosier- und Umwälzpumpen und noch einiges mehr – alle sind auf Getriebemotoren und passende Leistungselektronik angewiesen. Eine Darstellung der aufeinander folgenden Verfahren soll im Folgenden am Beispiel des BioWerks Kleisthöhe im brandenburgischen Uckerland illustrieren, welche Vielzahl von Antrieben hier benötigt wird.

Erzeugernahe Produktion
Das Werk Kleisthöhe stellt jährlich rund 5,7 Mio. l Biodiesel aus Rapssaat her. Im Werk Kleisthöhe installierte ein auf ökologische Energieerzeugung spezialisierter Anlagenbauer die nötigen Systeme. Die Antriebsaggregate für die kompakte Anlage, die die drei oben genannten Kriterien erfüllen mussten, bezog das Berliner Unternehmen bei Getriebebau Nord. Die Anlage ist ein Paradebeispiel für dezentrale Produktion: Der Standort liegt in direkter Nähe weiter Rapsfelder. Von Bauern aus der umliegenden Uckermark wird das BioWerk mit im Schnitt 45 t Raps täglich versorgt. Das Werk verfügt über eine eigene Kaltpressanlage. Schon die Ölgewinnung aus der Rapssaat, der erste Schritt im Prozess der Biokraftstoffproduktion, erfordert höchst robuste Antriebstechnik. Nach der Anlieferung werden die Rapssaaten zunächst in einem Silo untergebracht. Von hier werden sie dann zur Produktion entnommen, abgewogen und mittels einer Transportschnecke der Saatvorwärmung zugeführt, die der Steigerung der Ölausbeute dient. Ein Getriebemotor mit Blockgehäuseflachgetriebe treibt die Schnecke an – das Aggregat ist in dieser Umgebung ständig starker Verschmutzung durch die feinen Rapssaaten ausgesetzt.
Nach der Vorwärmung steht ein weiterer Transport zu einer Dosierschnecke an. Auch für deren Getriebemotor gelten dieselben problematischen Umweltbedingungen. In geeigneten Portionen werden die Saaten hier zwei zylindrischen Schneckenpressen zugeführt, die das Öl aus dem Raps gewinnen: Die kalte Pressung erfolgt durch die stetige Verringerung des freien Raums für die Saat zwischen der Presswelle (Schnecke) und dem sie umgebenden, geschlitzten Mantel (Seiher). Der dadurch aufgebaute Druck führt zum Abfließen des Öls. Beide Pressen sind mit Antriebstechnik ausgerüstet, die während des Pressvorgangs hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist. Die Flachgetriebemotoren sind konstruktiv speziell auf die hier auftretenden hohen Axialkräfte und Losbrechmomente ausgelegt. Als Nebenprodukt bei der Ölgewinnung in der Presse entsteht der Rapskuchen aus den ausgepressten Saaten. Da der Ölanteil lediglich etwa 40 % beträgt, fallen entsprechend große Mengen dieses Schrots an. Er wird über eine weitere Förderschnecke aus der Presse transportiert – anschließend lässt er sich zu lagerfähigen, wenige Millimeter großen Pellets verarbeiten, die als eiweißreiches Futtermittel verwertet werden können. Abnehmer des BioWerks Kleisthöhe zum Beispiel ist die benachbarte Rinderzucht.
Aus Pflanzenöl wird Methylesther
Im eben gepressten Zustand ist das Rapsöl noch nicht lagerfähig. Erst nach der Behandlung in einem Vertikalfilter kann es den Rohöllagertanks zugeführt werden. Die Tanks, die mit Entladepumpen versehen sind, befinden sich außerhalb des Kernbereichs der Anlage. Als Pumpenantriebe kommen hier Kombinationen aus Getriebemotoren und intelligenten Frequenzumrichtern zum Einsatz, die ein Anwählen von bis zu vier Pumpencharakteristiken erlauben. Die Parametersätze dazu lassen sich bequem direkt im Umrichter speichern. Erst mit dem Abpumpen aus diesen Tanks beginnt der eigentliche Herstellprozess des Biodiesels. Aus Raps- und anderen Pflanzenölen wird Biodiesel durch Veresterung hergestellt. Das Rohöl wird dabei mit einem Methanol-Kaliumhydroxid-Gemisch versetzt. Die Kaliumlauge dient als Katalysator. Zwei mit Getriebemotoren ausgerüstete Katalysatorpumpen sorgen für die Dosierung des Methanol-KOH-Gemischs. Im Prozess verändert sich die chemische Struktur des im Rohzustand sehr zähflüssigen Pflanzenöls: Das Glycerin setzt sich ab, die Viskosität der übrigen Flüssigkeit sinkt, was für die Verwendung als Treibstoff unerlässlich ist. Die Glycerinphase wird zur Verwertung durch spezielle Pumpen in eigene Tanks geleitet. Aufbereitet kann es als Rohstoff in der Pharma- und Chemieindustrie genutzt werden – entsprechende Abnehmer holen die Phase direkt im BioWerk ab. Zum Befüllen der Tankwagen kommt erneut eine Pumpe – und damit ein weiterer Antrieb – zum Einsatz.
Biokraftstoff für alle Jahreszeiten
Nach der Abtrennung der Glycerinphase entsteht als Zwischenprodukt Methylester, eine Mischung mit hohem Seifenanteil, der in einer schnell laufenden Zentrifuge abgeschieden wird. Die Flüssigkeit aus dem Seifenwasser wird in den Prozess zurückgespeist, um den Frischwasserverbrauch zu reduzieren. Auch die hier verwendeten Umwälzpumpen sind mit leistungsfähigen Antrieben von Nord ausgestattet. Im letzten Schritt des Verfahrens, der Verdampfung, findet die Abtrennung des noch enthaltenen Methanols von der Rohesther- phase statt. Das Endprodukt – Fettsäure- methylesther (FAME) – ist ein Biodiesel, der sich im Fall von Raps als Ausgangsstoff sogar bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt verwenden lässt: Rapsmethylesther (RME) bleibt lange fließfähig und flockt erst bei etwa -12 °C. Umfassend wintertauglicher Treibstoff wird daraus in der kalten Jahreszeit durch Additive, die zum Schluss mittels einer weiteren Dosierpumpe zugesetzt werden können.
Die Biodieselherstellung ist ein energieintensiver Prozess. Dafür erforderliche Produktionsanlagen arbeiten praktisch vollautomatisiert und setzen dazu ein umfangreiches Spektrum elektrischer Antriebstechnik mit hoher Zuverlässigkeit ein. Nach gut drei Jahren Laufzeit der Anlage haben sich im BioWerk Kleisthöhe die überschaubaren Mehrkosten für energieeffiziente Getriebemotoren und Leistungselektronik, die an zahlreichen Fördereinrichtungen, an Pressen, Pumpen und in anderen Anlagenteilen verwendet werden, mehrfach amortisiert.
cav 409

Die Rolle des Biodiesels
Der Aufschwung der Biodieselproduktion in Deutschland, der etwa Mitte der 90er-Jahre begann und nach der Jahrtausendwende massiv an Fahrt gewann, verdankt sich zu einem großen Teil der Befreiung der neuen Kraftstoffsorten von der Mineralölsteuer. Das ändert sich nun – und zwar vor allem, weil die EU darauf drängt. Ist eine Technologie als förderungswürdig anerkannt, gestattet das EU-Recht zwar den staatlichen Ausgleich anfänglicher Kostennachteile, darüber hinausgehende Subventionen aber müssen mittelfristig zurückgeführt werden. In Deutschland wird der reine Biodiesel daher seit dem 1. August 2006 mit zunächst 10 Cent pro Liter besteuert. Unbeaufschlagt bleibt als Ausnahme Biodiesel für landwirtschaftliche Maschinen. Da der Verbrauch im Verbrennungsmotor 5 bis 10 % höher liegt, ist Biodiesel zum gleichen Literpreis wie die Mineralölvariante nun effektiv häufig teurer.
Ab 2007 wird eine Beimischung von Biokraftstoff zu fossilem Diesel prinzipiell gefordert. Biokraftstoff muss unterm Strich einen Marktanteil von mindestens 4,4 % erreichen – die Mineralölkonzerne können sich höchstens von ihren Pflichten loskaufen, indem sie die Quotenerfüllung an Öko-Kraftstoffhersteller delegieren. Darüber hinaus schreibt die EU-Direktive 2003/30/EC fest, dass für Transportmittel aller Art bis Ende 2010 der Mindestanteil von Kraftstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen auf 5,5 % gestiegen sein muss. Eine Beimischung von Biodiesel zum Mineralöldiesel macht technologisch durchaus Sinn: Biokraftstoff senkt dank guter Schmiereigenschaften den Verschleiß der Einspritzmechanik in modernen Verbrennungsmotoren.

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