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Wärmerückgewinnungsteigert Energieeffizienz

Kompressoren bringen Luft ins Becken
Wärmerückgewinnungsteigert Energieeffizienz

Über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren hat Filderstadt das Klärwerk Bombach im Ortsteil Bonlanden saniert und modernisiert. Die Anlage reinigt heute dank einer neuen Biologie vor allem beim Stickstoff und Phosphor deutlich effektiver. Ein weiteres Ziel des 11,5-Mio.-Euro-Projektes bestand darin, die Energieeffizienz zu verbessern – was unter anderem darin mündete, die Delta-Hybrid-Drehkolbengebläse von Aerzen mit einer Wärmerückgewinnung zu kombinieren.

Die Biologie gilt als das Herzstück jeder Kläranlage – und die darin aktive Biozönose hat in Fachkreisen den Ruf, eine „besondere Lebensgemeinschaft“ zu sein. Auch wenn die Prozessleittechnik heute immer ausgefeilter ist, die biologischen Abläufe einer Kläranlage lassen sich nicht wie eine Rezeptur einfach so auf andere Betriebe übertragen, getreu dem Motto: Einmal eingestellt und läuft. „Wir sind ständig am Optimieren“, unterstreicht Sven Gayring, stellvertretender Betriebsleiter in Filderstadt-Bonlanden. Auch wenn die biochemischen Prozesse beim Ammonium- und Phosphatabbau bekannt sind, „die Biozönose reagiert sehr empfindlich auf Veränderungen“, weiß Gayring zu berichten. Während in modernen Anlagen zur Abwasserreinigung die Prozessleittechnik einen immer wichtigeren Stellenwert einnimmt, steigen zeitgleich die Ansprüche, die Prozesse so sparsam wie möglich zu fahren. „Wir wollen Vorbild und Vorreiter sein. Energieeffizienz ist dabei ein ganz großes Thema“, erklärt Betriebsleiter Martin May und spricht von einem bundesweiten Benchmark der Kläranlagen. „Wir vergleichen uns gegenseitig, um daraus weitere Optimierung ableiten zu können.“

Gebläseluft sparsamer erzeugen
Auslöser der umfangreichen Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten der Kläranlage vor den Toren Stuttgarts war eine in die Jahre gekommene Technik. Die Kläranlage Bombach – eine von zwei Anlagen der Stadt Filderstadt – wurde Mitte der 1960er-Jahre gebaut und immer wieder angepasst. Durch immer schärfere Umweltauflagen war jedoch in der jüngeren Vergangenheit der Punkt erreicht, dass sich die immer strengeren Grenzwerte bei Ammonium und Phosphor nicht mehr einhalten ließen. Nur mit einer grundlegenden Modernisierung war der Nährstoffeintrag in den Bombach wirksam reduzierbar. Eine neue Biologie bildete dafür das Herzstück – und nimmt auch den Löwenanteil der Betriebsaufwendungen ein. Rund zwei Drittel der Energiekosten entfallen auf die Biologie, verursacht vor allem durch die Gebläse, die die Mikroorganismen wohl dosiert mit der richtigen Menge Sauerstoff versorgen. Folglich lohnt es sich gerade hier, an Maßnahmen zur Besserung der Energieeffizienz zu arbeiten.
Geräteseitig setzt die Stadt Filderstadt vier Aggregate Delta Hybrid (D 24 S, 1005 m3/h, 30 kW) von Aerzen ein. Die Aggregatstechnologie, die die Vorzüge von Gebläsetechnologie und Verdichtertechnologie in einem System vereint, ist nicht nur eine sehr energiesparende Lösung. Sie bietet dem Anwender auch einen 100 %igen Schutz zur Prozesssicherheit, da die Aggregate 100 % ölfreie und absorptionsmaterialfreie Luft zur Verfügung stellen.
Für die Kläranlage in Baden-Württemberg bedeutet dieser Zusammenhang, dass die Aggregate sowohl bei niedrigem Luftbedarf als auch unter höherer Last energetisch optimal arbeiten. Schwankungen im Luftbedarf resultieren aus natürlichen Schwankungen beim Abwasserzulauf in die Kläranlagen – sowohl im Volumen als auch in der Konzentration der Schmutzfracht pro Kubikmeter beziehungsweise dem Anteil von Stickstoff und Phosphat.
Steigerung der Effizienz
Diese beiden Elemente sind maßgeblich für die Prozessleittechnik, weil sie die bestimmenden Größen sind, wie viel Luft in die Becken zu blasen ist. Damit sich der Volumenstrom für die biologischen Becken präzise regeln lässt, sind alle vier Delta Hybrids in einem Frequenzband zwischen 21 und 50 Hz drehzahlgesteuert. Mit einer Motornennleistung von je 30 kW sind die Einheiten räumlich im Technikgebäude zusammengefasst, ihre Gebläseleistung mit einem maximalen Enddruck von 1,6 bar (abs.) ist aber aufgeteilt: Ein Aggregat versorgt als Grundversorgung die Biologie 1 und die weiteren drei das neu gebaute Belebungsbecken. Indem die vier Drehkolbenverdichter in einem Raum installiert sind, hat die Kläranlage die Möglichkeit, die Abstrahlwärme der Einheiten auf recht einfache Weise zu nutzen. Dafür ist in dem Raum eine Absauganlage eingebaut, die die aufgewärmte Luft einsammelt und über einen Verteilerkanal in die weiteren Räume des Technikbereichs bläst.
Ein noch größeres Potenzial zur Wärmerückgewinnung bietet die Gebläseluft selbst. Die Wärme resultiert aus dem physikalisch bedingten Effekt, dass die Lufttemperatur beim Verdichten steigt. Um dieses Potenzial für eine bessere Energieeffizienz zu nutzen, ist in die Hauptleitung direkt nach den Gebläsen ein Rohrbündelwärmetauscher eingebaut. Durch diesen strömt Wasser, das der warmen Luft ein Delta bis 17 °C entzieht. Hierfür stehen dem System drei Delta Hybrids zur Verfügung. Das Potenzial ist aufgrund der Förderleistung von jeweils 20 m3/min so groß, dass das mit dem Umbau beauftragte Ingenieurbüro die Wärmeleistung mit 14 kW bezifferte. Diese Leistung wird von der Kläranlage Filderstadt in erster Linie für die Warmwassererzeugung genutzt sowie zur Beheizung des neu gebauten Betriebsgebäudes. Der Anschluss erfolgt mit einer gut isolierten Fernwärmeleitung, die im Erdboden verlegt ist.
„Wärmerückgewinnung wird in Kläranlagen zu einem immer wichtigeren Thema“, berichtet Betriebsleiter Martin May. Es gelte die Devise, die eingesetzte Energie möglichst effektiv zu nutzen. Die größten Einspareffekte lassen sich jedoch erzielen, indem Energie erst gar nicht verbraucht wird. Folglich sind Prozessoptimierungen immer noch effektiver, als die Wiedergewinnung eingebrachter Energie – vor allem auch mit Blick auf teure Spitzenlasten. Die Stadt Filderstadt hat die Umbauarbeiten deshalb intensiv dafür genutzt, Prozesse so zu definieren, dass sie das Abwasser effektiv und energiesparend reinigen.
Nur so viel Luft wie nötig
Wie so ein Ansatz in der Praxis aussehen kann, zeigen die Abläufe in der neuen Biologie 2. Hier bauen die Mikroorganismen ganz gezielt in einer anaeroben Umgebung Nitrat ab. Sven Gayring vergleicht diese beiden Prozesse gerne mit dem Verzehr von Äpfeln und Schokolade. Der Entzug von Sauerstoff zwingt die Bakterien dazu, sich mit Äpfeln zu begnügen. Ist ausreichend Sauerstoff vorhanden, stürzen sich die Bakterien am liebsten auf Ammoniumverbindungen (Schokolade). Damit sich diese beiden Abbauprozesse auf dem Weg zu molekularen Stickstoff (der schließlich als Gas aus dem Wasser entweicht) in einem Becken steuern lassen, ist die Luftzufuhr in Zonen aufgeteilt. Folglich lässt sich der Sauerstoffgehalt entsprechend der herrschenden Nitrat- und Ammoniumkonzentrationen über die Drehzahl der Delta Hybrids präzise steuern. Flankiert wird dieser bedarfsgerechte Betrieb von Siebplatten am Boden des Beckens, die mit exakt berechneten Poren optimale Luftblasen in das Abwasser abgeben. „Haben wir die passende Blasengröße, können die Bakterien den kompletten Sauerstoff veratmen, bevor die Luftblase an der Oberfläche angekommen ist“, erklärt Sven Gayring.
Fazit
Mit einem kaskadierten Betrieb von drehzahlvariablen Gebläsen und Verdichtern können Abwasserbetriebe den für die mikrobiologische Reinigung notwendigen Sauerstoffgehalt auch aus dem energetischen Blickwinkel heraus optimal einstellen. Mit vergleichsweise einfachen technischen Lösungen lässt sich zudem die bei der Gebläseluft entstehende Wärme effektiv nutzen. Kläranlagen können damit ohne fossile Brennstoffe autark ihren Warmwasserbedarf decken. In Filderstadt kombiniert die Kläranlage die Rückgewinnung per Rohrbündelrekuperator in Zukunft noch mit einer kompakten Solarthermieanlage auf dem Dach des neuen Betriebsgebäudes.
Halle A3, Stand 351

Thorsten Sienk
Freier Fachredakteur
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