Startseite » Chemie »

Wann sich Zero Liquid Discharge lohnt

Produktionsintegrierte Wasser- und Abwassertechnik
Wann sich Zero Liquid Discharge lohnt

Wasser ist und bleibt das Lösemittel Nummer eins bis zum Jahr 2030. Das stellte die Prozessnet-Fachgruppe produktionsintegrierte Wasser- und Abwassertechnik (Piwa) letztes Jahr in einem Positionspapier fest. Um allerdings eine integrierte, nachhaltige Wasserwirtschaft betreiben zu können, bedarf es der entsprechenden Technologien. Ein vielversprechender Ansatz ist Zero Liquid Discharge (ZLD). Unter welchen Voraussetzungen diese Technologie Sinn macht, formulierten die Piwa-Experten jetzt in einem Diskussionspapier.

Wie schnell Wasser knapp werden kann, konnte jeder im letzten Sommer am Rhein feststellen. So war der Pegel aufgrund der Trockenheit an manchen Stellen bis auf 60 cm gefallen. Der Fahrbetrieb musste auf Deutschlands größter Wasserfahrstraße zum Teil erheblich eingeschränkt werden. Zwar war die Trinkwasserversorgung hierzulande zu keiner Zeit gefährdet, trotzdem zeigte die lang anhaltende Trockenheit auf, wie wertvoll das Gut Wasser ist. Was passiert, wenn man seine Wasserressourcen überstrapaziert, mussten zum Beispiel die Kalifornier feststellen. Jahrelanger Raubbau am Wasser des Colorado-River hat den Grundwasserspiegel abgesenkt. Die Folge: Brunnen sind versiegt, Wasser gibt es in manchen Regionen nur noch aus dem Tankwagen einmal die Woche. Darüber hinaus grüßt der Klimawandel mit Trockenheit. Vor diesem Hintergrund sind Technologien, die die Ressource Wasser schonen, aktueller denn je. Vor allem, weil die Nachfrage nach Trinkwasser, Bewässerungswasser für die Landwirtschaft und Prozesswasser für industrielle Anwendungen weiter ansteigt.

Die Prozessindustrie produziert verschiedene Abwässer und Solen, die einer Behandlung bedürfen. Die einzelnen Prozessabwässer unterscheiden sich dabei stark in ihrer Menge und ihrer chemischen Zusammensetzung. Daher lassen sich keine generellen Aussagen über die sinnvollste Aufbereitungsmethode eines Abwassers machen. Ob und wie ein Stoffstrom aufbereitet wird, ist immer von vielen verschiedenen Faktoren abhängig und damit sehr individuell auf den Prozess bezogen. Eine Technologie, die in den letzten Jahren aufgrund der weltweiten Wasserknappheit in den Fokus gerückt ist, ist Zero Liquid Discharge. Der Begriff stammt aus der thermischen Entsalzung. Man versteht darunter eine Aufkonzentrierung des Rohwassers, bis nur noch Feststoffe und Destillat übrig bleiben. Die Frischwasserausbeute wird maximiert und die Abfallmenge, die gleichzeitig eine wertvolle Ressource darstellen kann, minimiert.
Die Basistechnik
Der Gedanke hinter Zero Liquid Discharge ist nicht neu. Schon in den 1980er-Jahren wurden riesige Verdampfungsbecken verwendet, um das Kühlwasser großer Industrieanlagen auf natürlichem Wege verdampfen zu lassen und um die Entsorgungskosten zu minimieren. Das Hauptproblem hierbei war jedoch der permanente Wasserverlust an die Umgebung. Außerdem mussten Rückstände aus dem Verdampfungsbecken regelmäßig entfernt und meist teuer entsorgt werden.
ZLD-Anlagen bestehen heutzutage aus zwei Grundkomponenten: einem Verdampfer und einem Kristallisator. Im Verdampfer wird die Wassermenge durch Destillation verringert und das Rohwasser aufkonzentriert. Je nach Hersteller der ZLD-Anlagen kommen verschiedenen Technologien wie Fallfilmverdampfer, Zwangsumlaufverdampfer, Dampf- oder Brüdenverdichtung etc., zum Einsatz. Die konzentrierte Sole wird im Kristallisator weiter erhitzt oder gekühlt, bis sich schließlich Kristalle bilden, die abgetrennt werden können. Damit verlassen eine ZLD-Anlage nur sauberes Wasser und Feststoffe.
Um nicht unnötig viel Wasser thermisch abtrennen zu müssen, ist es sinnvoll, zunächst die Abwassermenge über geeignete Membrantechnologien (z. B. High Efficiency Reverse Osmosis HERO) zu verringern. Dies reduziert die Menge des anfallenden Rohwassers und senkt die Energiekosten.
ZLD: Ja oder Nein?
Mit dieser Frage hat sich auch die ProzessNet-Fachgruppe Piwa in Abstimmung mit dem DGMT-DME-Ausschuss Wasser Zukunft (AWZ) beschäftigt. Die Experten diskutierten das Für und Wider dieser Technologie und untersuchten die Rahmenbedingungen, unter denen ZLD sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. So macht ZLD nach Ansicht der Experten nur dann Sinn, wenn eine Energiequelle vorhanden ist, mit der sich die thermische Aufbereitung in den Anlagen kosteneffizient realisieren lässt. Dies kann beispielsweise die Abwärme eines anderen Prozesses sein, aber auch zur Verfügung stehende Solar- oder Windenergie. Ein weiterer Punkt, der eine ZLD-Anlage sinnvoll machen kann, ist die bereits erwähnte Wasserknappheit am Standort der Anlage. Fehlen eine ausreichende Wasserversorgung oder entsprechende Kläranlagenkapazitäten, ist also die Infrastruktur mangelhaft, kann die ZLD eine geeignete Alternative sein. Auch wenn ein hoher Wertstoff- oder Energiegehalt im Abwasser vorhanden ist, könnte eine ZLD die Aufbereitungsmethode der Wahl sein. Keine Wahl bei der Aufbereitungsmethode hat ein Anlagenbetreiber allerdings dann, wenn der Gesetzgeber eine ZLD aufgrund ökologischer Vorgaben verlangt.
Im Umkehrschluss ist eine ZLD nicht sinnvoll, wenn die verfügbaren Energien begrenzt und/oder zu teuer sind, eine ausreichende Wasserversorgung vorhanden ist, eine weniger aufwendige Methode zur Wasseraufbereitung möglich ist oder die produktionsintegrierten Maßnahmen noch nicht völlig ausgeschöpft sind. Eine ZLD verbietet sich auch, wenn ökologische Aspekte wie ein zu hoher Carbon-Footprint oder eine nicht gesicherte Ablagerung der trockenen Rückstände aus einer ZLD-Anlage dagegen sprechen. Aus diesen Überlegungen heraus lassen sich Entscheidungspfade aufzeigen, unter welchen Randbedingungen eine ZLD sinnvoll erscheint (Bild 2).
Wichtige Eckpunkte
Der ökologische Nutzen auch einer nur teilweisen Wassermengenreduzierung ist häufig überschaubar, wenn die Zielsetzung nur die Reduzierung der Wassermenge beinhaltet und schwierige, kostenintensiv zu entnehmende Stoffströme in dafür ungeeignete Entsorgungswege geleitet werden. Eine Systembetrachtung und ein genauer Blick auf die Wertschöpfungsketten ist hier quasi Pflicht. Ebenso gilt es, die Auswirkungen auf die Indirekteinleitung zu betrachten und den Umgang mit Konzentraten zu berücksichtigen.
Die Bilanzierung und Reduzierung der produktionsintegrierten Wasser- und Stoffströme (Wastewater Mapping) ist dabei vor dem Aufbau einer ZLD-Lösung immer vorzunehmen. Eine Kreislaufführung kann bei der Erhaltung hoher Temperaturniveaus energetisch vorteilhaft sein. ZLD führt in der Regel zu einem erhöhten Energiebedarf/-verbrauch, kann aber energieeffizient sein, wenn eine Ableitung der Abwärme in den Vorfluter nicht möglich ist. In der Konzeption ist auf jeden Fall eine energetische Bilanzierung zwingend vorzunehmen.
Eine andere Fragestellung lautet: Wie lässt sich ein produktionsintegrierter Ansatz mit konkreten Zielen bzw. Zielwerten belegen? Wertmaßstäbe sind dabei meist ökonomische Parameter auf der Produktionsseite, die mit zusätzlichen Zielen wie Wasserbedarf (m3/kg Produkt), Reststoffaufkommen (Abfallmenge/kg Produkt), max. Konzentrationen, Energiebedarf (kWh/kg Produkt) in Konkurrenz stehen. Auch die zusätzlichen, häufig ökologisch/nachhaltig motivierten Ziele konkurrieren miteinander. In der Praxis ist eine Zielstellung daher äußerst komplex, nichtsdestotrotz aber notwendig.
Die Zukunft im Blick
Bei der Konzepterstellung gilt es, mögliche zukünftige Kostensteigerungen in der Wasserver- und Abwasserentsorgung, der Reststoffentsorgung und/oder des Wertschöpfungspotenzials sowie der Energieversorgung miteinzubeziehen. In der Konzeption muss auch auf die Selektion relevanter Stoffgruppen geachtet und die Störstoffproblematik berücksichtigt werden. Produktionsintegrierte Wassermanagementansätze sind komplexer als ZLD, sie bieten dafür aber ein höheres Effizienz-/Einsparpotenzial. Ebenfalls miteinzubeziehen sind zukünftige Produktionserweiterungen oder neue Produktlinien. Produktionsintegrierte Ansätze und/oder ZLD erfordern somit eine enge Abstimmung zwischen Produktions- und Wasserbehandlungsprozessen.
Fazit
Nach strikten Bedingungen versteht man unter Systemen mit Zero Liquid Discharge solche, aus denen kein Wasser in flüssiger Form das System verlässt, allenfalls als Dampf. Nach Ansicht der Piwa-Experten ist der Einsatz von ZDL, der in der Regel mit einem hohen energetischen Aufwand verbunden ist, dann sinnvoll, wenn Unabhängigkeit von lokalen Gegebenheiten gewonnen werden soll, zum Beispiel in Gebieten mit unzureichender Infrastruktur oder Wasserknappheit. In der detaillierten Prüfung, ob der Einsatz einer ZLD-Anlage sinnvoll ist, müssen betriebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche und ökologische Aspekte des Stoffstrommanagements berücksichtigt werden, wobei diese gegenläufig wirken können. Letztlich sind verschiedene Parameter abzuwägen und Prozessvoraussetzungen zu prüfen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Das Diskussionspapier der Prozessnet-Gruppe Piwa liefert dafür Entscheidungspfade, die als Richtschnur dienen können.

Dr. Bernd Rademacher
Redakteur,cav chemie anlagen verfahren
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de