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Wenn Produkte sprechen lernen

Das Internet der Dinge verändert die Welt der Logistik
Wenn Produkte sprechen lernen

Sobald Dinge anfangen, sich zu bewegen, ist die Logistik gefragt. Die Dinge im Fluss zu halten, könnte als erstes Axiom der Logistik postuliert werden. Das Supply Chain Management (SCM), die Intralogistik und der Transport der Waren – all dies wird in der Zukunft zwangsläufig neu zu organisieren sein, will man die Dinge im Fluss halten. Mit dem Internet der Dinge tritt die Logistik in eine völlig neue Dimension ein. Es vernetzt Materialfluss und Informationen durch spezielle Softwarestrukturen.

Prof. Dr. Michael ten Hompel

Der Materialfluss ist in den letzten Jahren exponentiell gewachsen. Immer mehr Menschen und Unternehmen beteiligen sich am globalen Handel, wollen immer schneller immer individuellere Produkte haben. In Summe ergibt sich ein kritischer Anstieg von Komplexität und Dynamik, der nur noch scheinbar mit den heuristischen Lösungen heutiger Tage zu steuern ist. Der häufig zitierte Paradigmenwechsel in Richtung echtzeitnaher, dezentraler, individueller, flexibler und adaptiver Lösungen kann nicht mit konventionellen Mitteln vollzogen werden. Es gilt, neue Wege zu beschreiten, und zwar in allen Bereichen der Logistik. Heute werden aktuelle Entwicklungen in der Logistik sehr häufig durch Erkenntnisse oder Technologien der Informationstechnik initiiert und bestimmt. Wie weit die Symbiose zwischen IT und Logistik vorangeschritten ist, zeigt sich gerade in jüngster Zeit bei der Einführung der Transponder- oder RFID-Technologie (Radio Frequency Identification). Dass diese Technologie eine wichtige Rolle für zukünftige Entwicklungen spielt, ist für einen Logistiker naheliegend, da erstmals ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung geht: die unmittelbare Verknüpfung von Material- und Datenfluss. RFID-Technologie hält längst auch in den Bereichen Chemie- und Pharmaindustrie Einzug. Angefangen von der viel zitierten Sicherung gegen die Fälschung von Viagra über die logistische Kontrolle von Blutkonserven bis zur Erfassung von Massengütern ist inzwischen vie-les möglich. Auch die Pulkerfassung bis dato schwierig zu er- fassender Güter hat in den letzten Mona- ten erhebliche Fortschritte gemacht. So zeigt beispielsweise eine der Versuchsreihen des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML im Kundenauftrag, dass auch 32 mit Flüssigkeiten gefüllte Metallfässer auf einer Palette erfolgreich im Pulk gelesen werden können. Ebenso konnte für einen Pharmaziehersteller ein System entwickelt werden, das eine Vielzahl von Kartonagen mit Pharma-typischen Produkten quasi gleichzeitig bei der Durchfahrt durch das Wareneingangstor erfassen kann.
Autonome Netzwerke
Die globale Verfügbarkeit von Echtzeitdaten fördert die Entwicklung einer Idee, die seit der Jahrtausendwende von sich Reden macht: das Internet der Dinge. Der Begriff „Internet der Dinge“ besagt, dass ebenso wie die Datenpakete unserer E-Mails ihren Weg im Netz der Netze von einem Internetknoten zum nächsten finden, auch zukünftig die Pakete, Paletten und Behälter im logistischen Netzwerk ihren Weg finden. Getreu dem Motto „Selbst ist das Paket!“ sprechen die Dinge der Logistik – einzelne Artikel, Paletten, Behälter – miteinander, koordinieren sich und fordern die nötigen Ressourcen selbstständig an. Diese Vision ist mit interdisziplinärer Forschung schon bald realisierbar. Voraussetzung dafür sind autonome Objekte – Produkte, Verpackungen, Ladungsträger – und sich selbst organisierende Logistiknetze: Die Dinge erhalten eine elektronische Identität und werden auf Basis der RFID-Technologie drahtlos mit ihrer Umwelt vernetzt. So können Waren auf ihrem Lebensweg lückenlos verfolgt, ihr Zustand und Aufenthalt jederzeit erfasst werden. Die inner- und außerbetrieblichen Materialfluss- und Logistiksysteme verfügen damit über alle erforderlichen Informationen der Warenströme. Sie können selbstständig reagieren und sich flexibel an wechselnde Anforderungen anpassen. Das ermöglicht autonome, logistische Netzwerke – analog zum Internet. Die Logistiknetze können sich sogar selbst organisieren und ihre Distribution selbst steuern. Dieser Paradigmenwechsel in der Logistik bietet signifikante Vorteile, wenn viele Einzelbestellungen bearbeitet und Waren schnell beim Kunden sein müssen. Im Internet der Dinge finden Produkte allein ihren Weg von der Produktion bis zum Kunden – und wieder zurück zum Recycling.
Verteilte Intelligenz
Im Hinblick auf die geplanten und teilweise schon jetzt verfügbaren Speicherkapazitäten ist das Verlagern von Prozessinformationen auf einen passiven Chip (Data-on-Tag) technisch heute schon möglich, verlangt aber eine einheitliche Beschreibung der abgelegten Prozessinformationen. Die Prozesskette auf dem Chip erlaubt nicht nur das eindeutige Identifizieren eines Artikels, sondern auch ein rasches Clearing nach Störungen oder Fehlern in laufenden Prozessen und kann so unproduktive Ausfallzeiten minimieren. Auf der anderen Seite ermöglichen erst diese zusätzlichen Informationen über eine Sendung das dezentrale Steuern in Materialflusssystemen.
Technisch herausfordernd, aber längst keine Zukunftsmusik mehr, sind sogenannte intelligente Objekte (Smart-Items), die mit aktiven RFID-Komponenten ausgerüstet sind. Im Gegensatz zu den heute weit verbreiteten passiven Chips, die Informationen nur im unmittelbaren Einflussbereich eines ortsfesten oder manuell bedienten Lesegerätes übermitteln können, sind intelligente Objekte oder die auf dem Objekt angebrachten Einheiten in der Lage, selbständig Informationen mit ihrer Umwelt auszutauschen. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass Sendungs- und Prozessinformationen auf einem am Objekt angebrachten Chip vorgehalten, dort selbstständig verarbeitet und über eine Funkschnittstelle mit den nächstliegenden Fördertechnikelementen einer Anlage in Form von Routing-Entscheidungen oder Bearbeitungsinformationen ausgetauscht werden. Die Objekte in einem Materialflusssystem stellen somit physische Agenten dar, die eigenständig den Auftragsfluss durch ein System organisieren.
Serviceorientierte Steuerung
Ebenfalls seit der Jahrtausendwende gewinnt in der Software der Gedanke der serviceorientierten Architektur (SOA) an Boden, in der lose gekoppelte Dienste plattformunabhängig miteinander kommunizieren. Gefördert wird diese Entwicklung wiederum durch die RFID-Technologie, die dem Gedanken der Selbststeuerung und Selbstorganisation auf Basis autonomer logistischer Objekte einen erheblichen Impuls verliehen hat. Diese neue Sichtweise, die sich vollständig an der echtzeitnahen Bedarfserfüllung mit logistischen Services orientiert, spiegelt sich ansatzweise wieder in ersten Forschungsprojekten, wie dem 2005 vom Fraunhofer IML initiierten Internet der Dinge der Fraunhofergesellschaft oder dem Dortmunder Sonderforschungsbereich 696 mit dem Kurztitel Logistics on Demand. Zielsetzung ist es, die Vorteile von serviceorientierten Architekturen aus der Informatik in der Logistik nutzbringend anzuwenden. Der entscheidende Vorteil, den SOA bieten, ist der Umstieg bei den logistikbegleitenden IT-Lösungen von Pull-Systemen auf Push-Systeme. Das bedeutet, dass durch eine SOA eine weitgehend standardisierte ITUmgebung zur Durchführung logistischer Dienstleistungen zur Verfügung steht.
Eine dienstbasierte und verteilte Gestaltung des Informationsflusses auf Grundlage standardisierter technischer und logischer Schnittstellen sowie die echtzeitnahe Verknüpfung der IT-Infrastruktur mit dem physischen Materialfluss ist das Ziel dieses Ansatzes. Bei dieser Alternative zu zentralen Steuerungsarchitekturen in der Materialflusstechnik werden die hierarchischen Steuerungsstrukturen aufgebrochen. Der Materialfluss und die darin befindlichen Waren und Güter nutzen ad hoc diejenigen Transportdienste, die seitens der Fördertechnik angeboten werden und die für die weiteren Prozessschritte erforderlich sind. Die Kommunikation zwischen den Fördertechnikelementen und den Automatisierungskomponenten wird auf Basis lose gekoppelter Dienste in Form von Web-Services realisiert. Die Analogie zwischen dem Internet der Daten und dem Internet der Dinge wird von Tag zu Tag deutlicher. Es wird immer offensichtlicher, dass Internettechnologien wie Web-Services, SOA und natürlich das Internet der Dinge selbst die Dinge in Zukunft – mindestens in der Logistik – bewegen werden.
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