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Wertvoller Phosphor aus Klärschlamm

Pilotanlage in Karlsruhe nimmt Betrieb auf
Wertvoller Phosphor aus Klärschlamm

Phosphor ist Voraussetzung allen Lebens auf der Erde und insbesondere für die Düngemittelindustrie unersetzlich. Doch Phosphor ist endlich. Eine saubere Rückgewinnung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors ist die Lösung dieses Problems. Der auf der hydrothermalen Karbonisierung basierende AVA-Cleanphos-Prozess geht diese Herausforderung an. In Karlsruhe hat eine Cleanphos-Pilotanlage den Betrieb aufgenommen.

Der Startschuss ist gefallen: Die von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderte AVA-Cleanphos-Pilotanlage in Karlsruhe nahm nach nur sechsmonatiger Bauzeit Anfang Juli 2016 den Betrieb auf. Das Cleanphos-Verfahren von AVA-CO2 ermöglicht eine kostengünstige und effiziente Gewinnung von Phosphor aus Klärschlamm. Die Lösung erlaubt außerdem auch in Zukunft die Mitverbrennung und somit den Ersatz fossiler Energieträger wie Braunkohle durch CO2-neutrale Biokohle. Die Cleanphos-Lösung wird seit der Inbetriebnahme in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern, der Universität Hohenheim und der Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC, im halbtechnischen Maßstab erprobt. Erste Ergebnisse sollen der Öffentlichkeit im 4. Quartal 2016 vorgestellt werden.

Phosphor ist der Flaschenhals des Lebens, schrieb der Biochemiker Isaac Asimow bereits 1959. Seine damalige Aussage hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Denn das chemische Element ist Voraussetzung allen Lebens auf der Erde und insbesondere für die Düngemittelindustrie unersetzlich. Doch Phosphor ist endlich. Wann genau die Phosphorreserven zur Neige gehen ist umstritten. Untersuchungen deuten an, dass die maximale Fördermenge bereits in 20 bis 50 Jahren erreicht sein könnte. Die Phosphor-Mineralwerke sind überdies mittlerweile so ausgebeutet, dass immer tiefer abgebaut werden muss. Dadurch steigt allerdings auch der Schwermetallgehalt im Phosphat. Insgesamt 100 t Uran pro Jahr landen deshalb über mineralische Dünger auf deutschen Böden. Ebenfalls auf deutschen Äckern landet Klärschlamm, denn auch er enthält den essenziellen Phosphor. Ein unangenehmes Thema, das nicht nur streng riecht, sondern auch nicht ganz unbedenklich ist. Denn der Schlamm kann eine ganze Reihe von Krankheitserregern und hormonaktiven Substanzen mit sich führen und er enthält ebenfalls Schwermetalle.
Saubere Rückgewinnung
Eine saubere Rückgewinnung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors ist die Lösung dieses Problems. In Deutschland wird das Thema einer Gesetzesvorlage zur Phosphorrückgewinnung derzeit intensiv diskutiert und soll noch dieses Jahr mit der novellierten Klärschlammverordnung (AbfKlärV) geregelt werden. Doch es gab bis heute noch keine Technologie, die die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm wirtschaftlich darstellen kann. Bisherige Technologien setzen vor allem auf die Entsorgung in Monoverbrennungsanlagen, um dann aus der Asche das Phosphat zu gewinnen.
Der auf der HTC (hydrothermale Karbonisierung) basierte AVA-Cleanphos-Prozess geht diese Herausforderung anders an und weist einen wichtigen Vorteil auf: Der Phosphor wird direkt aus der Klärschlammkohle anstatt aus der Asche nach der Monoverbrennung gewonnen. Dadurch kann die vom Phosphor befreite HTC-Kohle weiterhin als Ersatz für fossile Brennstoffe eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass die HTC-Technologie bei der Entwässerung und Trocknung von Klärschlamm aufgrund der thermo-chemischen Umwandlung anderen Verfahren aus energetischer Sicht überlegen ist. Darüber hinaus ist die Phosphorrückgewinnung mittels Säurerücklösung aus der HTC-Kohle im Vergleich zur Rückgewinnung aus Klärschlammaschen kostengünstiger.
Schwermetallfreie Phosphate
Die hydrothermale Karbonisierung ist ein Verfahren, bei dem die Biomasse in wässriger Suspension bei Temperaturen zwischen 180 und 250 °C und erhöhtem Druck, d. h. im hermetisch abgeschlossenen Batch-Prozess in Biokohle (HTC-Kohle) überführt wird. Die entstehende HTC-Kohle hat braunkohleähnliche Eigenschaften. Bei dieser Art der Reaktionsführung wird lediglich Mineralsäure als Katalysator hinzugegeben sowie Dampf direkt eingespritzt. Unter Luftabschluss, Temperatur und Druck findet die Spaltung der Kohlenstoffstrukturen der feuchten Biomasse durch die Reaktion mit Wasser (Hydrolyse) statt. Die veränderte chemische Struktur der HTC-Klärschlammkohle weist eine hohe Bindungsaffinität gegenüber den in der Klärschlammkohle eingelagerten Schwermetallverbindungen auf, nicht aber zu den sich in der wässrigen Lösung befindlichen Ortho-Phosphatverbindungen. In einem ersten Schritt lassen sich aus der hergestellten Klärschlammkohle über 90 % der Phosphatverbindungen durch einen milden Säureaufschluss (Acid-Leaching) in ein Substrat (Leachwasser) überführen. Die hohe Affinität der Biokohle für Schwermetalle führt dazu, dass ein weitgehend schwermetallfreies Phosphorprodukt entsteht.
Über den Verfahrensschritt einer Membranfiltration lassen sich nun die zurückgelösten Phosphate aus dem Leachwasser in die für die Industrie interessante Phosphorsäure aufarbeiten. Als Alternative kann über einen Fällungsschritt auch Magnesiumammoniumphosphat oder Kalziumphosphat hergestellt werden. Hochgerechnet auf eine industriell betriebene Entsorgungsanlage mit einer Kapazität von 50 000 t/a entwässertem Klärschlamm mit einem Trockenheitsgrad von 25 % ergäbe sich bei einem durchschnittlichen Phosphoranteil von 3,2 % in der Trockenmasse ein Ertrag von etwa 1100 t/a Phosphorsäure.
Über das HTC-Verfahren wird in der AVA-Cleanphos-Pilotanlage Klärschlamm zuerst in Biokohle umgewandelt, ehe das Phosphat isoliert und zurückgewonnen wird. So entstehen gleich zwei wirtschaftlich interessante Produkte: wertvolles Phosphor und die phosphorfreie HTC-Klärschlammkohle. Diese kann als Ersatz für Braun- oder Steinkohle in der Mitverbrennung eingesetzt werden, was zu Einsparungen von CO2-Emissionen führt. Hat sich die hydrothermale Karbonisierung erst einmal in einer ersten Referenzanlage im Dauerbetrieb bewährt, ist die Technologie wohl nicht mehr aus der intelligenten Verwertung von kommunalen Klärschlämmen und anderen biogenen Reststoffen wegzudenken.

Thomas M. Kläusli
Chief Marketing Officer, AVA-CO2
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