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WirelessHart einsatzbereit

Praxistest bei der BASF offenbart Chancen
WirelessHart einsatzbereit

Automatisierungstechnische Applikationen leben in der Prozessindustrie vor allem von aktuellen Daten wie Messwerten und Diagnosedaten, von Status- und Maintenance-Informationen. Eine durchgängige, flexible, sichere und stabile Kommunikation ist dafür die Voraussetzung. Drahtlose Kommunikation kommt hier mehr und mehr äußerst erfolgreich zum Einsatz, besonders mit WirelessHart als erstem Standard für die Feldebene.

Kurt Polzer

Drahtlose Kommunikation wird in der Automatisierungstechnik bereits seit geraumer Zeit erfolgreich eingesetzt. Je nach Applikation werden unterschiedliche Technologien verwendet:
  • Wireless Wide Area Networks (Wireless WAN), wie zum Beispiel GSM, GPRS, EDGE bei weltweiter Kommunikation ohne Begrenzungen hinsichtlich Entfernung
  • Industrial Wireless LAN (IWLAN) innerhalb eines Betriebes oder zu Teilnehmern innerhalb einer Distanz von etwa 5 km
  • WirelessHart auf der Feldebene in verfahrenstechnischen Anlagen
Mit Industrial Wireless Communication bietet Siemens seit einigen Jahren ein umfangreiches Produktportfolio für GPRS, EDGE und WLAN an. Seit November 2009 sind nun auch Produkte mit WirelessHart verfügbar.
WirelessHart ist die Funklösung von Hart, einem weit verbreiteten Kommunikationsstandard für Feldgeräte in der Prozessindustrie. Hart erlaubt die Übertragung von Prozess- und Diagnoseinformationen sowie Steuersignalen zwischen Feldgeräten und dem übergeordneten Leitsystem. WirelessHart wurde im Oktober 2007 mit Hart V7 freigegeben. Es setzt auf den Funkstandard IEEE 802.15.4 auf, der einerseits gute Performance und andererseits eine kostengünstige Realisierbarkeit bietet. Der Frequenzbereich liegt im ISM-Band bei 2,4 GHz. Applikationen mit WirelessHart lassen sich prinzipiell in zwei Kategorien einteilen. In der ersten werden Diagnosedaten und Funktionen von Feldgeräten mit Hart-Schnittstelle, auf die in über 90 % der installierten Systeme nur vor Ort und nicht vom Leitsystem aus zugegriffen werden kann, zentral ohne zusätzlichen Verkabelungsaufwand zur Verfügung gestellt. Dies erfolgt mittels Adapter, die an die installierte Schleife (4…20 mA) angeschlossen werden. Sie stellen den drahtlosen Zugriff auf alle Hart-Daten des Feldgeräts ohne sonstige Eingriffe in das vorhandene Leitsystem zentral zur Verfügung. Dadurch kann die Verfügbarkeit der Anlage deutlich erhöht und gleichzeitig die Kosten für Wartung reduziert werden.
Im zweiten Anwendungsbereich entfällt die 4…20-mA-Leitung zum Leitsystem: Alle Daten, das heißt Prozesswerte, Parameter, Diagnoseinformationen und Funktionen werden dem Leitsystem drahtlos zur Verfügung gestellt. Dies kommt im Wesentlichen bei Umbaumaßnahmen und Erweiterungen bestehender Anlagen und natürlich bei Neuanlagen zum Tragen, aber auch bei temporären und mobilen Messungen. Damit öffnet sich ein weites Feld für den Einsatz von WirelessHart, mit dem der Anwender alle Vorteile nutzen kann, wie z. B. Flexibilität und kostengünstige Installation. Hinzu kommt, dass WirelessHart eine evolutionäre Weiterentwicklung des Hart-Standards darstellt. Bewährte Hart-Geräte, d. h. bestehende Feld- und Bediengeräte können mit Adaptern zur drahtlosen Kommunikation ertüchtigt werden.
Bisher eingesetzte Tools – z. B. Simatic PDM – lassen sich ebenfalls wie bisher weiter verwenden.
Verfügbarkeit und Sicherheit
Hinsichtlich Verfügbarkeit und Sicherheit hat WirelessHart einiges zu bieten. Die zugrunde liegende Architektur eines meshed Network (jedes Feldgerät ist gleichzeitig ein Repeater) mit redundanten Kommunikationspfaden, sich ständig ändernden Frequenzkanälen („Channel hopping“), einer 128-Bit-Verschlüsselung eines jeden Datenpakets in Verbindung mit Authentifizierung sind nur einige der angewandten Techniken.
In den heutigen Anlagen kommen in der Regel eine Fülle unterschiedlicher drahtgebundener Kommunikationstypen und -protokolle zum Einsatz. Störeinflüsse untereinander sind praktisch ausgeschlossen. Ganz anders stellt sich die Situation bei Wireless dar, da hier nur ein limitiertes Zeit- und Frequenzkontinuum zur Verfügung steht. Das ISM-Band im 2,4-GHz-Bereich steht weltweit zur Verfügung und wird deshalb von IWLAN, WirelessHart, Bluetooth und anderen genutzt. Da IWLAN seit Langem in der Fertigungs- und Prozessautomation genutzt wird, war es bei der Standardisierung von WirelessHart ein absolutes Ziel, parallel zu IWLAN-Netzwerken eine stabile und sichere Kommunikation zu ermöglichen. Dies wurde durch unterschiedliche Maßnahmen wie zum Beispiel Channel hopping und Black listing, d. h. die Ausschaltbarkeit von Funkkanälen, erreicht.
Erfahrungen aus der Praxis
Um die Gesamtlösung mit WirelessHart in der Praxis zu erproben, vereinbarten die Hart Communication Foundation und die Namur einen Feldtest, der bei der BASF in Ludwigshafen stattfand. Dabei kamen Geräte verschiedener Hersteller und natürlich von Siemens zum Einsatz. Die Praxistauglichkeit der Lösung mit WirelessHart wurde in vier laufenden Pilotanlagen mit folgenden Zielen (Use Cases) getestet:
  • Kläranlage: Rotierende Anlagenteile, fehlende Kabelwege, weite Strecken, schwierige Wege.
  • Wasseraufbereitungsanlage: Rotierende Anlagenteile, keine Sichtverbindung zwischen Gateway und Sensoren.
  • Reaktor: Fehlende Kabelwege, schwierige Funkumgebung.
  • Rückkühlbecken: Fehlende Kabelwege, weite Strecken, schwierige Wege.
Auf der Namur-Tagung 2009 in Bad Neuenahr stand die Präsentation der Ergebnisse des Feldtests durch Dr. Schwibach, BASF Ludwigshafen, im Mittelpunkt. Die Ergebnisse sind in der Tabelle als „Schulnoten“ (1 – 6: „sehr gut“ – „ungenügend“) dargestellt.
Der Feldtest zeigt deutlich zwei Ausprägungen. Mit durchgehend guten Ergebnissen hat die Funktechnologie WirelessHart abgeschlossen, gerade hinsichtlich Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Koexistenz der verfügbaren Wireless-Standards, wie z. B. mit IWLAN. Demgegenüber besteht jedoch bei der Gesamtlösung noch Nachbesserungsbedarf.
Das Thema Batterien in der Kategorie Wartung wurde wegen nicht kompatibler Batterien in den eingesetzten Geräten als mangelhaft bewertet. Zur Lösung dieses Problems hat die Namur gemeinsam mit den Herstellern bereits Initiativen zur Vereinheitlichung der Batterieformate ergriffen.
Auch das Zusammenspiel verschiedener Herstellersysteme mit WirelessHart funktionierte beim Feldtest nicht reibungslos. Die Bewertung ergibt sich aber aus der Tatsache, dass die Kompatibilität bis heute auch bei drahtgebundenen Hart-Geräten noch nicht ausreichend gelöst ist. Ein wichtiger Aspekt sind hierbei die beiden Techniken zur Geräteintegration: Elektronic Device Desciption Language (EDDL) und Field Device Tool (FDT). Vertreter beider Konzepte haben sich jüngst mit FDI auf eine gemeinsame Technik verständigt. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass in Kürze Lösungen am Markt zur Verfügung stehen werden. Man muss allerdings bei der Bewertung der Ergebnisse berücksichtigen, dass es sich bei den meisten Geräten und Komponenten im Test um Prototypen handelte, sodass diese Geräte nicht in die Tools anderer Hersteller integriert waren. Insgesamt wurde folgendes festgestellt:
  • WirelessHart ermöglicht den erfolgreichen Einsatz von drahtlosen Sensornetzwerken.
  • WirelessHart ist prinzipiell für den Einsatz in Monitoring-Anwendungen (NE124 Klasse C) geeignet.
  • Die Hersteller haben Nachbesserungspotenzial bei Implementierung bzw. Rahmenapplikationen.
  • Die Namur kritisiert massiv die Tatsache, dass sich mit ISA 100 ein zweiter Standard abzeichnet (mit identischen Basistechnologien, Entwicklungszielen und Anwendungsfällen), und fordert einen einzigen Standard für die drahtlose Kommunikation in der Prozessautomatisierung.
Wireless-Komponenten
Siemens bietet neben den Druck- und Temperaturmessumformern Sitrans P280 und Sitrans TF280 folgende Komponenten mit WirelessHart-Kommunikation an:
  • Sitrans MDS: Software zur Erhöhung der Anlagentransparenz durch zentrale Bereitstellung von Diagnoseinformationen in Systemen ohne integrierte Hart-Kommunikation.
  • IE/WSN-PA-Link: Link zur Verwaltung des WirelessHart-Netzwerks und Bereitstellung der Daten und Messwerte an überlagerte Systeme – besonders zu dem Prozessleitsystem Simatic PCS 7.
  • Funktionsblock-Library zur einfachen Einbindung von WirelessHart-Geräten in das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 und Steuerungen S7-300/400 unter Nutzung nur einer Ethernet-Verbindung. Diese kann gleichzeitig zusätzlich zur Geräteparametrierung und für die Visualisierung des Web-Servers in einem Web-Browser genutzt werden.
  • Den Adapter Sitrans AW200 zur Einbindung von drahtgebundenen Hart-Geräten in ein WirelessHart-Netzwerk.
WirelessHart wird als der Standard der Zukunft angesehen, da dieser eine evolutionäre Weiterentwicklung des mit mehr als 30 Millionen installierter Geräte bewährten Hart-Standards und fester Bestandteil von Hart V7 ist.
Fazit
Drahtlose industrielle Kommunikation wird bereits heute erfolgreich eingesetzt. WirelessHart hat die letzte Lücke zur drahtlosen Vernetzung von Prozessinstrumenten geschlossen und ist einsatzbereit. Lösungen sind einfach und kostengünstig – nicht nur in der Realisierung, sondern auch in der Betriebsphase.
Drahtgebundene Lösungen werden auch in Zukunft zum Einsatz kommen, wobei sich allerdings der Anteil von Wireless vergrößern wird und zwar aufgrund höherer Flexibilität, geringerer Investitions- und Betriebskosten sowie mit zunehmender Erfahrung beim Umgang mit der neuen Technik.
Halle 9, Stand A72
Online-Info www.cav.de/0410434

Kleines Wireless-Glossar
GSM: Global System for Mobile Communications ist ein Standard für digitale Mobilfunknetze (Übertragung von Sprache und Daten).
GPRS : General Packet Radio Service ist die Bezeichnung eines Dienstes zur Datenübertragung zum Beispiel in GSM-Netzen.
EDGE : Enhanced Data Rates for GSM Evolution bezeichnet eine Technik zur Erhöhung der Datenübertragungsrate in GSM-Netzen.
ISM-Band : Frequenzbereiche für Industrie, Wissenschaft und Medizin.
NE124 : Anforderungen an Wireless Automation.
NA115: IT-Sicherheit für Systeme der Automatisierungstechnik: Randbedingungen für Maßnahmen beim Einsatz in der Prozessindustrie.
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