Herr Renzelmann, wie stark hat die Corona-Krise die Pumpenfabrik Wangen getroffen?
Klaus Renzelmann: Eigentlich sind wir sehr gut durch die erste Hälfte des Jahres gekommen. März, April und Mai waren für uns echte Rekordmonate. Wie es weitergeht wissen wir nicht, weil Corona in Neuprojekten jetzt doch immer mehr greifen wird.
Lassen Sie uns über die Schraubenspindelpumpen der Twin-Baureihe sprechen. Seit wann gehören die Pumpen zum Produktprogramm Ihres Unternehmens?
Renzelmann: Die Twin-Pumpen haben wir erstmalig auf der Anuga Foodtec 2012 präsentiert, damals in den Baugrößen 104 und 130. Seitdem kamen die Pumpen in unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz. Basierend auf den Erfahrungen, die wir hier gesammelt haben, entwickelten unsere Ingenieure die Pumpen Schritt für Schritt weiter. Das Ergebnis dieser stetigen Entwicklungsarbeit sind die Schraubenspindelpumpen der Twin-NG-Baureihe, die in diesem Jahr die Vorgängermodelle, also die Twin-Baureihe, ablösen werden.
Wie unterscheiden sich die Twin-NG-Pumpen von den Vorgängermodellen?
Renzelmann: Durch eine deutlich verbesserte Servicefreundlichkeit. Das beginnt mit Griffen an den Pumpen, die die Abnahme des Pumpengehäuses bequemer machen. Dann sind die Dichtungen in Cartridge-Bauweise ausgeführt, was den Dichtungswechsel deutlich vereinfacht. Des Weiteren sorgt ein selbstzentrierendes Flanschgehäuse für eine Ausrichtung der Kupplung nach Servicearbeiten. Und last but not least sind die Twin-NG-Pumpen mit der Fast-X-Change-Technologie ausgestattet.
Was steckt hinter dieser Technologie?
Renzelmann: Das ist ein Verfahren zur automatischen Synchronisation der Spindeln. Das heißt, bei der Montage oder Wartung der Pumpe müssen die Schraubenspindeln nur aufgesteckt werden, eine Neusynchronisation ist nicht mehr notwendig. Fast-X-Change macht den Spindelwechsel zum Kinderspiel, spart wertvolle Zeit, vermeidet Fehlerquellen und erleichtert am Ende die Einstellung der Pumpe auf die zu fördernden Medien. Wichtig an dieser Stelle: Bei den Twin-NG-Pumpen haben wir die Varianz der Spindeln deutlich erhöht.
Muss die Pumpe beim Spindelwechsel ausgebaut werden?
Renzelmann: Nein. Das Pumpengehäuse mit seinen ganzen Anschlüssen kann in der Anlage bleiben. Die Pumpe muss lediglich geöffnet und die alten Spindeln durch neue ersetzt werden.
Wie sieht es mit der Robustheit der Pumpen aus?
Renzelmann: Auch hier haben die Twin-NG-Pumpen einiges zu bieten. Beispielsweise stellen Wellenschonhülsen besonders unter rauen Einsatzbedingungen sicher, dass die Wellen nicht so leicht an den Radialwellendichtungen einlaufen können und beugen so auch Ölverlusten vor. Außerdem verfügen die Kupplungen über einen Absatz. Dieser verhindert, dass die Kupplung – sollte sie sich lösen – gegen das Gehäuse schlagen kann.
In welchen Baugrößen stehen die Pumpen zur Verfügung?
Renzelmann: In den Baugrößen 70, 104, 130 und 180. Die kleinste Pumpe, also die Twin NG 70, erreicht eine Förderleistung von 25 m3/h. Bei der größten Pumpe, der Twin NG 180 liegt dieser Wert bei 200 m3/h. Die Förderleistungen beziehen sich auf Medien mit einer Viskosität von 1 mPas. Einsetzbar sind die Pumpen für Medien mit einer Viskosität von bis zu 1 000 000 mPas.
Nennen Sie bitte einige Beispiele für förderbare Produkte.
Renzelmann: Das Spektrum reicht von niedrigviskosen Produkten wie Alkohol, Säfte, Reinigungsmedien und Wasser über Flüssigzucker, Suppen, Mayonnaise und Fruchtzubereitungen bis hin zu hochviskosen Pulpen, Tomatenmark, Teigen oder Brät. Wichtig ist, dass mit ein und derselben Pumpe Produkte mit niedriger und hoher Viskosität gefördert werden können. Das bedeutet, dass die Twin-NG-Pumpen sowohl als Produkt- als auch als CIP-Pumpen genutzt werden können. Dadurch entfallen Kosten für eine separate Kreiselpumpe, Bypass-Leitungen, Ventile, Messtechnik usw.
In welchen Werkstoffen bieten Sie die Twin-NG-Pumpen an?
Renzelmann: Produktberührte Teile sind generell aus höherwertigem Edelstahl gefertigt. Auf Anfrage liefern wir sie auch in einem Lagergehäuse aus verzinktem oder lackiertem Grauguss, wobei alle produktberührten Komponenten weiterhin aus Edelstahl bestehen.
Welche Edelstahlqualitäten kommen zum Einsatz?
Renzelmann: Standardmäßig fertigen wir in Edelstahl 4404 oder 4408. Auf Anfrage sind auch Spezialwerkstoffe wie Duplex oder Hastelloy möglich.
Welche hygienischen Normen bzw. Richtlinien erfüllen die Pumpen?
Renzelmann: Für die Twin NG 70, Twin NG104 und die Twin NG 130 dürfen wir das Label 3-A und EHEDG verwenden. Darüber hinaus erzielen alle vier Baugrößen hervorragende Werte bei der CIP- und SIP-Reinigung. Und: Die Pumpen sind aufgrund ihrer leichten Demontierbarkeit auch sehr gut manuell reinigbar – ein Umstand, der immer dann wichtig ist, wenn die Pumpen durch CIP nicht prozesssicher gereinigt werden können.
In welchen Branchen finden die Pumpen Einsatz?
Renzelmann: Der größte Abnehmer ist die Lebensmittelindustrie. Sie finden die Pumpen in der Getränkeindustrie ebenso wie in Molkereien, der Backwarenproduktion oder der Fleischverarbeitung. Auch in der chemischen Industrie werden die Pumpen eingesetzt. Dort allerdings vor allem in Bereichen, wo große Produktmengen gefördert werden müssen und die Reinigbarkeit der Pumpe eine entscheidende Rolle spielt. Ich denke hier beispielsweise an die Herstellung von Lebensmittelzusatzstoffen wie Xanthan oder an die Produktion von Farben und Lacken.
Und wie sieht es mit der pharmazeutischen Industrie aus?
Renzelmann: Da ist sie eher selten zu finden. Diese Branche zählt aber zu den Hauptabnehmern unserer Exzenterschneckenpumpen der MX-Baureihe.
Das war eine sehr elegante Überleitung zum zweiten Teil unseres Interviews, in dem es um die MX-Exzenterschneckenpumpen geht. Wie unterscheiden sich diese von den anderen Exzenterschneckenpumpen Ihres Unternehmens?
Renzelmann: Diese Pumpen haben wir von der Firma Knoll übernommen. Sie runden unser Programm an hygienischen Exzenterschneckenpumpen in idealer Weise nach oben ab – sie sind eigentlich das Sahnehäubchen. Diese absolut hygienischen Pumpen sind für Einsätze prädestiniert, in denen mit wenigen Stufen sehr hohe Drücke erzeugt werden müssen und zudem die Fördergenauigkeit eine entscheidende Rolle spielt.
Das heißt, die anderen Exzenterschneckenpumpen von Wangen sind nicht so hygienisch und dosiergenau?
Renzelmann: Nein, das sind sie nicht. Dafür haben sie andere Stärken, zum Beispiel eine große Robustheit gegenüber Fremdkörpern.
Die MX-Baureihe umfasst die vier Pumpenausführungen MX-R, MX-S, MX-T und MX-F. Wie unterscheiden sie sich voneinander?
Renzelmann: Bei der MX-R handelt es sich um eine Rachenpumpe, die sich für hochviskose, nicht mehr fließfähige Produkte eignet. Die MX-S ist eine Exzenterschneckenpumpe in Saugausführung. Die Ausführungen MX-T und MX-F sind für den vertikalen Betrieb ausgelegt. Sie eignen sich für diverse Dosier- und Transferaufgaben, wobei die MX-F mit einer Folgeplatte ausgestattet ist. Gemeinsames Merkmal aller genannten Pumpenausführungen ist, dass ihre Statoren in der Even-Wall-Technologie ausgeführt sind.
Erklären Sie bitte diese Technologie.
Renzelmann: Bei der Even-Wall-Technologie ist der Statormantel der Innenkontur des Stators angepasst und mit einer gleich dicken, 4 bis 12 mm starken Elastomerschicht versehen. Im Vergleich zu konventionellen Exzenterschneckenpumpen mit einer zylindrischen Außengeometrie der Statormäntel und dementsprechend unterschiedlichen Elastomerwandstärken resultieren daraus interessante Vorteile für den Anwender: Die MX-Pumpen erreichen eine deutlich höhere Druckstabilität, es kommt zu weniger Rückströmung, Standzeiten und Wirkungsgrad verlängern sich. Weitere Pluspunkte sind eine geringere Scherbelastung der zu fördernden Produkte und ein besseres Ansaugverhalten. Außerdem erzeugen die Pumpen aufgrund der Even-Wall-Technologie pro Druckstufe 10 bar. Bei herkömmlichen Exzenterschneckenpumpen liegt dieser Wert zwischen 4 bis 6 bar. Da die MX-Pumpen mehrstufig aufgebaut sein können, erreichen sie auf diese Weise Drücke von bis zu 80 bar – und dies bei sehr kompakter Bauweise.
Gibt es neben der speziellen Gestaltung des Stators weitere Vorteile?
Renzelmann: Auf alle Fälle. Die Pumpen sind modular aufgebaut, sodass sie leicht an unterschiedlichste Einsatzfälle angepasst werden können. Ihr Dichtungsraum ist großzügig gestaltet und bietet Platz für alle möglichen Dichtungsanordnungen.
Sind die Pumpen CIP- und SIP-fähig?
Renzelmann: Selbstverständlich. Ferner sind sie reinigungsfreundlich und totraumfrei konstruiert. Die EHEDG-Abnahme erfolgt in den nächsten Wochen.
Lassen Sie uns noch über die verwendeten Werkstoffe sprechen.
Renzelmann: Für die produktberührten Metallkomponenten verarbeiten wir die Edelstähle 1.4571, 1.4404 sowie 1.4301. Die Elastomerteile bestehen aus unterschiedlichen Werkstoffen, die allesamt FDA-konform und gemäß EU 1935/2004 zugelassen sind. Dazu zählen zum Beispiel EPDM, NBR und Fluorelastomere.
Welche Förderleistungen decken die MX-Exzenterschneckenpumpen ab?
Renzelmann: Wir bieten die Pumpen in vier Ausführungen an, wobei jede in mehreren Baugrößen bereitsteht. Das heißt, neben der Viskosität des zu fördernden Produkts hängt die Förderleistung natürlich auch von der verwendeten Pumpe ab. Das Förderleistungsspektrum beginnt bei 1 und reicht bis zu 100 000 l/h.
Und wie sieht es mit der Viskosität der zu fördernden Produkte aus?
Renzelmann: Die MX-Pumpen können gering viskose Medien wie Säfte, Alkohol und Molkereiprodukte ebenso fördern wie Teige, deren Viskosität bei ca 12 000 mPas liegt oder Fett- und Fruchtmassen für Süßwaren mit einer Viskosität von etwa 70 000 mPas. Bei kleinen Förderleistungen kommen sie sehr gut mit niedrigviskosen Produkten klar. Den bei Schraubenspindelpumpen in diesen Fällen häufig auftretenden Schlupf gibt es bei den MX-Pumpen nicht.
Jetzt haben Sie bereits verschiedene Förderaufgaben erwähnt, die die MX-Exzenterschneckenpumpen in der Lebensmittelindustrie erledigen können. Werden diese Pumpen auch in der chemischen und pharmazeutischen Industrie eingesetzt?
Renzelmann: Ja. Beispielsweise hat ein Hersteller von Lacken und Farben 60 dieser Pumpen in seinem Betrieb laufen. In der pharmazeutischen Industrie dienen sie u. a. zur Dosierung von Salben.
Pumpenfabrik Wangen GmbH, Wangen
Das Interview führte für Sie: Lukas Lehmann
stellv. Chefredakteur
Pumpenfabrik Wangen: Zahlen & Fakten
1969 gründete Dr. Herbert Wallbrecher die Pumpenfabrik Wangen. Aus dem kleinen Handwerksbetrieb mit einer Handvoll Mitarbeiter entwickelte sich in den zurückliegenden gut 50 Jahren ein weltweit aktiver Anlagenbauer. Der Spezialist für Verdrängerpumpen beschäftigt heute ca. 250 Menschen. Zum Produktprogramm des Unternehmens zählen Exzenterschnecken- und Schraubenspindelpumpen für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie für pharmazeutische, kosmetische und chemische Industrie.
Die Entwicklung und Produktion der Pumpen erfolgt am Hauptsitz in Wangen. Daneben unterhält der Mittelständler eine Niederlassung in Schwerin sowie eine Tochterfirma in den USA. Beim internationalen Vertrieb der Pumpen setzt man auf ein globales Netz von Vertriebspartnern. Aktuell wurde das internationale Vertriebsnetz um Partner in Großbritannien, Irland, Nordirland, Australien und Neuseeland erweitert.
2019 erwirtschaftete die Pumpenfabrik Wangen einen Umsatz von rund 46 Mio. Euro.
„Die MX-Pumpen sind das Sahnehäubchen. Sie runden unser Programm von Exzenterschneckenpumpen in puncto Hygiene und Fördergenauigkeit nach oben ab.“
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