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Auf dem Prüfstand

Verhalten von Dichtungsmaterialien in Gegenwart von Milchfett
Auf dem Prüfstand

Bei der Ausstattung von Produktionsanlagen für die Milch verarbeitende Industrie stellt sich immer wieder die Frage nach lebensmittelgerechten Dichtungen, die das Produkt schützen und gleichzeitig der Reinigung mit CIP-Medien und Heißdampf standhalten. Busak+Shamban ist dieser Frage in einer Studie auf den Grund gegangen und hat Dichtungswerkstoffe identifiziert, die insbesondere für den Kontakt mit milchfetthaltigen Stoffen geeignet sind.

Dr. Burkhard Ledig

Viele Milchprodukte müssen sehr schonend gefördert werden, um die Abscheidung von Fett und Fettsäuren zu vermeiden. Dies stellt nicht nur besondere Anforderungen an die in der Milchwirtschaft verwendeten Pumpen und Anlagen, sondern auch an das individuelle Abdichtungskonzept. In der Regel verwendet man in diesem Bereich O-Ringe, die spaltfrei mit definierter Anpressung und metallischem Anschlag eingesetzt werden. An die zum Einsatz kommenden Dichtungswerkstoffe werden dabei folgende Anforderungen gestellt:
  • hohe chemische Beständigkeit gegenüber dem zu fördernden Milchprodukt und den zum Einsatz kommenden CIP-Medien
  • Beständigkeit gegen Heißdampf (127 °C)
  • gut zu reinigende und zu sterilisierende Oberflächengüte
  • totraumfreier Einbau
  • toxikologische Unbedenklichkeit
Impuls aus der Praxis
In Gesprächen mit einem Unternehmen der Schweizer Milchindustrie stellte Busak+Shamban fest, dass dieses in seinen Anlagen Silikondichtungen verwendete, obwohl dieser Werkstoff erhebliche Nachteile bezüglich den in der Milchindustrie typischen Reinigungsprozessen aufweist. Der Werkstoff zeigt deutliche Schwächen bei Heißdampfsterilisationen. Darüber hinaus wird er durch die zum Einsatz kommenden alkalischen CIP-Medien zerstört, so dass milchverarbeitende Unternehmen regelmäßig eine Vielzahl angegriffener Dichtungen auswechseln müssen. Der Dichtungshersteller Busak+Shamban, der in unternehmenseigenen Testeinrichtungen umfassende Werkstoffprüfungen auch für komplexe Einsatzbereiche durchführt, hat daher den Einfluss von Milchprodukten mit unterschiedlichem Fettgehalt auf Dichtungswerkstoffe genauer untersucht. Ziel war es, die Medienbeständigkeit von typischen Dichtungswerkstoffen der Steriltechnik gegenüber Milchprodukten zu ermitteln. Da in vorangegangenen Studien des Herstellers zur Beständigkeit moderner Dichtungswerkstoffe in CIP-Medien und VE-Wasser Werkstoffe aus EPDM (Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk) sehr gute Eigenschaften für den Sterileinsatz gezeigt hatten, stellte die Studie die Prüfung von speziell formulierten EPDM-Werkstoffen in den Vordergrund.
Fokus auf Lebensmittelfette
Milchprodukte bestehen aus einem variablen Anteil an Milchfett sowie Milcheiweiß (Kasein), Laktose, Milchsäure, Mineralstoffen und Wasser. Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass Eiweiß, Zucker und Mineralstoffe praktisch keinerlei Auswirkungen auf die Volumenquellung oder Härte- und Gewichtsänderung von elastomeren Dichtungswerkstoffen in der Steriltechnik haben. Ausgehend von Erfahrungen mit mineralölbasierenden Stoffen herrscht bei der Planung und Ausstattung von Anlagen bis heute die Meinung vor, EPDM-Werkstoffe könnten generell in fetthaltigen Produkten nicht eingesetzt werden. Häufig wird angenommen, dass diese Werkstoffe eine starke Volumenquellung aufweisen und in Folge von Extrusion schnell zum Ausfall der Dichtung führen. Diese Einschätzung ist laut Busak+Shamban für mineralölbasierende Produkte zwar generell zutreffend, auf fetthaltige Lebensmittelprodukte werden diese Beobachtungen jedoch vereinfachend übertragen. So besagt etwa das EHEDG-Dokument Nr. 8 „Grundlegende Kriterien für Hygenic Design von Apparaten“: „EPDM ist nicht öl- und fettbeständig.“
Fetthaltige Milchprodukte
Busak+Shamban wählte für die Studie Milcherzeugnisse mit charakteristischen Fettanteilen von 3,5 bis 82 % aus. Zum Vergleich wurden außerdem Pflanzenöle (z.B. Olivenöl und Sonnenblumenöl) untersucht.
Aus der Werkstoffdatenbank von Busak+Shamban mit derzeit über 1600 Werkstoffen wurden sechs Elastomerwerkstoffe ausgewählt und ein Langzeittest auf Medienverträglichkeit in Milchprodukten durchgeführt. Die Auswahl umfasst folgende Werkstoffqualitäten:
  • Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuke (E7502, E7518)
  • Fluorelastomerwerkstoff (V8605)
  • hydrierter Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (H7501)
  • Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (N7027)
  • Silikonkautschuk (S70R8)
Alle verwendeten Werkstoffe entsprechen der FDA-Richtlinie 21.CFR §177.2600 und lassen sich für sämtliche Standardformate sowie Kundenformteile in der Steriltechnik verarbeiten. Für E7502, das außerdem über eine USP-Class-VI-Zulassung verfügt, steht seit kurzem das gesamte O-Ringprogramm gemäß DIN 11864-1 und DIN 11864-2 (Aseptikverbindungen) zur Verfügung.
Durchführung des Tests
Während der Testzeit von 336 Stunden lagerte jeder der Werkstoffe in Anlehnung an DIN 53521 bei 40 °C in jeweils einem der Milchprodukte. Da letztere bei dieser Temperatur sehr schnell verderben, wurden sie regelmäßig ersetzt. Nach Ablauf der Testzeit erfolgte die Messung von Härte-, Gewichts- und Volumenänderungen sowie von Bruchdehnungs- und Zugfestigkeitsänderungen der Werkstoffe. Die dabei erzielten Daten flossen nun in eine präzise Bewertung der Elastomereigenschaften ein. Auf dieses Weise waren detaillierte Auskünfte über die Qualifikation der Dichtungswerkstoffe für den Einsatz in der Milchindustrie möglich.
Aufgrund des totraumfreien Einbaus der Dichtungen in der Steriltechnik sind vor allem der Volumenänderung enge Grenzen gesetzt, bei einer Änderung von mehr als 5 % kann ein Werkstoff nur bedingt empfohlen werden. Überschreitet die Volumenänderung 10 %, darf der Werkstoff nicht mehr verwendet werden, da Extrusion zu erwarten ist.
Auswertung der Studie
Die Auswertung der Studie nach Ablauf des Versuchszeitraums zeigt folgende Ergebnisse: In Olivenöl können die EPDM-Werkstoffe aufgrund der hohen Volumenquellung und Härteabnahme nicht verwendet werden. Alle anderen untersuchten Werkstoffe sind polarer Natur und zeigen praktisch keine Volumenquellung, so dass sie in dem unpolaren Medium Olivenöl als Dichtungsmaterialien geeignet sind. Auch in Butter mit einem Fettgehalt von 82 % quellen beide EPDM-Werkstoffe stark an. Daher müssen auch hier polare Dichtungswerkstoffe eingesetzt werden. Obwohl bei Halbfettbutter der Fettgehalt gegenüber Butter fast halbiert ist, quellen beide EPDM-Werkstoffe ebenso stark an wie in Vollfettbutter. Die Lösung sind deshalb auch hier wieder polare Werkstoffe wie FKM, HNBR oder VMQ.
Ein vollkommen überraschendes Resultat erzielten jedoch die Messungen nach der Einlagerung der EPDM-Werkstoffe in Sahne. Obgleich der Fettgehalt bei Sahne gegenüber Halbfettbutter nur um 9 % reduziert ist, ist für EPDM nur eine sehr geringe Volumenquellung zu beobachten. In Schmand mit einem Fettanteil von 24% ist die Volumenquellung von EPDM ebenfalls nur marginal. Auch dieses Ergebnis überrascht angesichts der Quellung in festen Milchprodukten. Die getesteten EPDM-Werkstoffe E7502 und E7518 sind also auch hier als Dichtungswerkstoffe geeignet. In Milch mit einem Fettgehalt von 3,5 Prozent ist die Volumenquellung der geprüften EPDM-Werkstoffe sogar vernachlässigbar.
Wechselwirkung der Moleküle
Wie die Auswertung der Studie bei Busak+Shamban gezeigt hat, ist die Reaktion der Dichtungswerkstoffe vor allem von der Struktur der Fette und Öle im Festkörper (Butter) und in Lösung (Sahne) abhängig. Die untersuchten Werkstoffe aus EPDM quellen in flüssigen Pflanzenölen wie Oliven- oder Sonnenblumenöl stark auf, da diese Öle langkettige Fettsäureester enthalten, vergleichbar den Kohlenwasserstoffketten in Erdölprodukten. Bei der Verarbeitung mit Pflanzenölen sind demnach polare Werkstoffe wie Fluorkautschuke oder Silikonwerkstoffe zwingend zu empfehlen.
Die untersuchten Milchprodukte enthalten im Unterschied zu den Pflanzenölen Milchfett. Die Triglyceride des Milchfetts besitzen einen hohen Anteil kurz- und mittelkettiger Fettsäuren. Die unterschiedlichen Reaktionen auf die Einlagerung der Dichtungswerkstoffe erklären sich auch hier aus der Struktur der Fette. In festen Milchfettprodukten wie Butter oder Halbfettbutter quellen die untersuchten EPDM-Werkstoffe stark auf. Hier liegen die Triglyceride in der so genannten Die untersuchten Milchprodukte enthalten im Unterschied zu den Pflanzenölen Milchfett. Die Triglyceride des Milchfetts besitzen einen hohen Anteil kurz- und mittelkettiger Fettsäuren. Die unterschiedlichen Reaktionen auf die Einlagerung der Dichtungswerkstoffe erklären sich auch hier aus der Struktur der Fette. In festen Milchfettprodukten wie Butter oder Halbfettbutter quellen die untersuchten EPDM-Werkstoffe stark auf. Hier liegen die Triglyceride in der so genannten -Kristallform (orthorombisch) vor. Durch diese spezielle Anordnung kommt es zu einer maximalen Wechselwirkung zwischen den Fettsäureestern der Triglyceride und den Polymerketten des EPDM. Die Folge ist eine starke Quellung.
In flüssigen Milchprodukten wie Sahne, Schmand und Milch ist das Milchfett in kleinsten Tröpfchen mit Durchmessern von 4 bis 10 µm verteilt. Diese Fetttröpfchen sind in den Flüssigprodukten mizellenartig angeordnet, wodurch die Fettsäurereste nun innerhalb der Mizellen liegen und daher keine Wechselwirkung mit den EPDM-Polymerketten stattfindet. Aus diesem Grund verzeichnet EPDM in flüssigen Milchprodukten nur vernachlässigbare Quellungswerte.
Testsieger EPDM
In flüssigen Milchprodukten mit einem Fettanteil bis zu 30 % können die peroxidisch vernetzten EPDM-Werkstoffe E7502 und E7518 problemlos als Dichtungsmaterialien eingesetzt werden. Dieses völlig überraschende Ergebnis steht im Widerspruch zum EHEDG-Dokument Nr. 8 „Grundlegende Kriterien für Hygenic Design von Apparaten“ und zeigt, dass sehr genau zwischen mineralölbasierenden und tierischen sowie pflanzlichen Fetten und Ölen unterschieden werden muss. Ein zusätzlicher Vorteil der getesteten EPDM-Werkstoffe E7502 und E7518 ist ihre Beständigkeit in praktisch allen marktüblichen CIP-Medien sowie in SIP-Prozessen und VE-Wasser. Dies hat eine umfangreiche Untersuchung ergeben. Die bisher in der Milchindustrie eingesetzten Dichtungen aus Silikon und HNBR sind hingegen nur beschränkt beständig in CIP-Reinigungsmedien und Heißdampf, so dass sie häufig ausgetauscht werden müssen. Für die Produktion von festen Milchprodukten und Pflanzenölen sind nach den Testergebnissen polare Werkstoffe wie Fluorkautschuk (FKM) oder Hydrierter Nitrilkautschuk (HNBR) sowie Silikonkautschuk (VMQ) zu empfehlen.
dei 401

Zusammensetzung von Ölen und Fetten
Pflanzliche und tierische Öle und Fette sind Triester des Glycerins (1,2,3-Propantriol) und verschiedener Fettsäuren. Man bezeichnet sie daher auch als Triglyceride. Zwischen Fetten und Ölen besteht chemisch kein Unterschied, Fette sind bei Raumtemperatur fest. Pflanzliche Öle enthalten im Vergleich zu tierischen Ölen außer den Glyceriden der Palmitin-, Stearin- und Ölsäure vor allem Glycerin-ester der mehrfach ungesättigten Säuren. Mineralfette und -öle hingegen leiten sich von festen und halbfesten Gemischen höherer aliphatischer oder naphtenischer Kohlenwasserstoffe ab. Im Unterschied zu den tierischen und pflanzlichen Fetten und Ölen sind sie nicht verseifbar.
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