Erdgas ist mit 2,5 bis 3,5 ct/kWh um ein Vielfaches günstiger als Strom. Zudem ist die Versorgung mit Erdgas und dessen Verbrennung besonders zuverlässig und bietet vergleichsweise niedrige Emissionen bei gleichzeitig hohem primärenergetischem Wirkungsgrad. Auch wenn sich Erdgas bei der industriellen Prozesswärmeversorgung weiter steigender Beliebtheit erfreut – die in einigen Ländern eingeführte Besteuerung von CO2-Emissionen wird sich direkt auf den Gaspreis auswirken.
Im Falle steigender Energiepreise setzen die Unternehmen erfahrungsgemäß zunächst Maßnahmen zur Effizienzsteigerung um, denn das realisierbare Einsparpotenzial ist bei unzähligen Bestandsanlagen nach wie vor enorm. Erst wenn dieses Einsparpotenzial ausgereizt ist, wird über Technologiewechsel bzw. Brennstoffumstellung nach-gedacht. Das legt die Vermutung nahe, dass Industriebetriebe die Letzten sein werden, die sich vollständig vom Erdgas als Energieträger abwenden werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der beachtet werden sollte ist, dass der Umstieg in der Regel mit größeren Investitionen verbunden ist, ohne dass dadurch beispielsweise die Produktionsmenge erhöht wird. Für viele Entscheider ist es daher eine wirtschaftlich getriebene Entscheidung, in die auch Überlegungen hinsichtlich einer kurzen Kapitalrückflussdauer und langfristig hoher Kostenreduktion einfließen.
Zwei Gruppen thermischer Prozesse
Betrachtet man thermische Anwendungen in der Prozessindustrie, so kann man grob zwischen thermischen Prozessen mit Temperaturen bis 110 °C und Hochtemperaturprozessen zwischen 110 bis 300 °C unterscheiden.
Ob Heißwasser oder Dampf als Wärmeträgermedium im Bereich über 110 °C verwendet wird, spielt für das Thema Dekarbonisierung kaum eine Rolle. Viel wichtiger ist das benötigte Temperaturniveau. Für thermische Prozesse bis 110 °C gibt es einige alternative Technologien wie Hochtemperaturwärmepumpen. Voraussetzung für den technologischen Wechsel sind ein starker Anstieg des Gaspreises und sinkende Strompreise. Neben Heizanwendungen können beispielsweise auch Reinigungs- und CIP-Prozesse in den Temperaturbereich bis 110 °C fallen.
Für Hochtemperaturprozesse ab 110 °C nutzt man feste, flüssige oder gasförmige Brennstoffe zum Erzeugen der hohen Temperaturen. Vereinzelt kommen auch elektrische Systeme zum Einsatz. Steigen die Preise für Gas und Öl wird die Attraktivität alternativer Energieträger zunehmen. Ändert sich der hohe Preisunterschied je Kilowattstunde zwischen Erdgas und Strom, könnten Hybrid- oder Elektrosysteme interessanter werden. Diese Lösungen leisten aber nur einen Beitrag zur Dekarbonisierung, wenn der Strom nicht CO2-intensiv und nicht aus Kohle erzeugt wird.
Komplettumstellung auf Elektrizität
Pro Jahr erzeugen Kraftwerke in Deutschland etwa 545 TWh Strom. Gleichzeitig liegt die installierte Kapazität von gewerblichen und industriellen, gasbetriebenen Kesselanlagen bei 340 Twh. Würde man diese komplett auf eine elektrische Betriebsweise umstellen, müsste die Stromerzeugung um gut 60 % steigen. Das erscheint selbst mittelfristig unrealistisch und würde das Risiko von Blackouts erhöhen.
Würde der Gaspreis stark ansteigen und gleichzeitig der Preis pro Kilowattstunde Strom auf dem heutigen Niveau bleiben, würde das den Einsatz von Hybridlösungen mit Brenner und zusätzlichem elektrischem Heizelement fördern. Letztere sind bislang nur vereinzelt im Einsatz, weil elektrische Heizelementsysteme für den MW-Leistungsbereich recht teuer sind.
Einsatz nachwachsender Rohstoffe
Für die Verbrennung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz oder industriellen Abfällen natürlichen Ursprungs gelten deutlich höhere Grenzwerte für klimaschädliche Treibhausgase und Feinstaub im Abgas. Unter technischen Gesichtspunkten könnten diese deutlich unterboten werden. Allerdings sind die dafür notwendige Filter- und Katalysatortechnik sehr teuer.
Die Verbrennung von Biomasse geht oft mit deutlich erhöhten Abgasemissionen einher. Neben Feinstaub sind auch die Stickoxid- und Kohlenmonoxidwerte deutlich höher als bei der Verbrennung von Erdgas. Trotzdem hat die Verbrennung von Biomasse ihre Berechtigung, wenn alternative Nutzungsmöglichkeiten fehlen.
Mit Blick auf den Brennstoff Holz sollte erwähnt werden, dass es in der Gesamt-CO2-Bilanz nicht klimaneutral ist. Allein für die Trocknung und Herstellung von Holzpellets werden etwa 10 % der enthaltenen Energie aufgewendet. Hinzu kommen die Transportwege.
Geschönte Energiebilanzen
Emissionsbilanzen, die die Verbrennung von Holz zum Gegenstand haben, werden oft um jenes CO2 geschönt, das die Bäume während ihres Wachstums der Atmosphäre entzogen haben. Unberücksichtigt bleibt auch die CO2-Menge, die die Bäume in Zukunft hätten binden können.
Eine komplette Umstellung von gas- und ölbefeuerten Prozesswärmesystemen auf Holz als Brennstoff ist unrealistisch, weil riesige Anbauflächen und ein großer logistischer Aufwand notwendig wären.
Ähnlich verhält es sich mit Biokraftstoffen und Biogasen, deren Erzeugung zudem die Kapazitäten für die Produktion von Lebensmitteln einschränken würden. Wie bei der Biomasse ist auch hier die Skalierung auf den weltweiten Energiebedarf der Industrie eine Herausforderung. Zudem sind Biokraftstoffe und Biogase schwieriger zu verbrennen und weisen höhere Abgasemissionen auf. Ein langfristiger, global dominanter Anteil an Biobrennstoffen ist somit kaum zu erwarten.
Wasserstoff: Alternative mit Tücken
Die Herstellung des Brennstoffs Wasserstoff erfolgt einfach durch Elektrolyse. Bei seiner Verbrennung entsteht anstelle von CO2 Wasserdampf. Auf den ersten Blick handelt es sich bei Wasserstoff also um einen attraktiven Primärenergieträger für die Prozesswärmeerzeugung. Sein praktischer Einsatz ist jedoch mit einigen Herausforderungen verbunden. Sie reichen von Sicherheitsrisiken beim Handeln und Lagern des Gases bis hin zu notwendigen Anpassungen der vorhandenen Infrastruktur, Brenner, Kessel etc. Zudem ist der Wasserstoff im Sinne der Dekarbonisierung CO2-neutral zu erzeugen.
Bosch Industriekessel hat bereits mehrere Verbrennungssysteme realisiert, die zu 100 % mit Wasserstoff betrieben werden. Dabei spielen die Anschaffungskosten vergleichsweise eine geringe Rolle. Sie belaufen sich, je nach Auslastung der Anlage, auf etwa 2 % der Gesamtbetriebskosten über 15 Jahre. Vor diesem Hintergrund sind auch aufwendigere technische Lösungen schon heute umsetzbar.
Es gibt mehrere technische Verfahren, die den Umgang mit Wasserstoff erleichtern. Nachteil: Sie reduzieren häufig den Gesamtwirkungsgrad der Wasserstofferzeugung. Beispielsweise bei der elektrolytischen Herstellung von Wasserstoff und anschließender Methanisierung zur Netzeinspeisung mit 80 bar gehen 36 bis 50 % der ursprünglich zugeführten Energie verloren.
Bei diesem exothermen Prozess reagiert CO oder CO2 mit dem Wasserstoff bei 300 bis 700 °C unter Anwesenheit eines Katalysators zu Methan. Im Vergleich zu Wasserstoff ist Letzteres deutlich einfacher zu handhaben. Bisher ungelöste Probleme sind die kostengünstige Extraktion des benötigten CO2 aus der Luft, um CO2 im Verbrennungsprozess zu vermeiden.
Fazit
Für die meisten prozesstechnischen Anwendungen werden zur Dampferzeugung oder als hydraulische Systemkomponente in geschlossenen Systemen weiterhin Großwasserraumkessel zum Einsatz kommen. Wasserrohrkessel werden hingegen langfristig fast nur noch in Bestands- und Großanlagen oder Sonderanwendungen (Temperauren größer 300 °C) zu finden sein.
Hersteller von Kesselanlagen und Brennern müssen sich mittelfristig auf den Einsatz von Sonderbrennstoffen einstellen. Hierbei bietet sich für eine Vielzahl von Bestandsanlagen die Umrüstung an. Die Energieerzeuger selbst können oft noch viele Jahrzehnte mit geändertem Brennstoff betrieben werden, sofern die immer strikter werdenden Abgaslimits eingehalten werden.
Da Kesselanlagen bei guter Wartung sehr langlebig sind und mehrere Jahrzehnte in Betrieb sein können, sollte man sich frühzeitig Gedanken über ihre spätere Nutzung machen. Ist langfristig ein Betrieb mit Wasserstoff oder alternativen Brennstoffen denkbar, sollte dies bereits heute konstruktiv berücksichtigt werden.
Bosch Industriekessel GmbH, Gunzenhausen
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