Die Milchwerke Berchtesgadener Land benötigen zur Verarbeitung der angelieferten Rohmilch viel Strom und Dampf. So wird zur Sterilisierung der 148 Lager-, Steril- oder Butterreifetanks über längere Zeit Dampf eingeblasen, wie Florian Lexhaller, Technischer Leiter der Milchwerke berichtet. Auch für die Prozesstechnik ist kontinuierlich eine große Menge an Dampf notwendig. Im Durchschnitt verbraucht die Molkerei 7 bis 8 t, in der Spitze sogar bis zu 10 t Dampf pro Stunde.
Weil die Produktion von Dampf sehr energieaufwendig ist und die bis dato eingesetzten Dampfkessel schon etwas in die Jahre gekommen waren, sahen die Verantwortlichen an dieser Stelle große Einsparpotentiale beim Energieeinsatz und CO2-Ausstoß.
Gasturbine mit 1,6 MW Leistung
Die Idee: Anstatt die elektrische Energie für die Anlagentechnik und für die Dampfproduktion aus dem öffentlichen Netz zu beziehen, soll der Strom künftig selbst erzeugt und aus der Abwärme Dampf erzeugt werden. Der Vorteil dieser Lösung ist es, dass die Energieerzeugung effizienter gestaltet werden kann. Weil sowohl Strom und Dampf in der Molkerei genutzt werden, steigt mit dieser Lösung auch die Versorgungssicherheit und das Risiko für Anlagenstillstände wird deutlich reduziert.
Den Umbau stemmte die Molkerei mit einem Partner aus dem Anlagenbau im laufenden Betrieb, die Gasturbine ging 2016 ans Netz der Molkerei. Die Turbine mit einer Leistung von 1,6 MW von Kawasaki produziert ca. die Hälfte der in der Molkerei benötigten elektrischen Energie. Die Abwärme der Turbine wird dann in einen Abhitzekessel geleitet, der 5 t Dampf pro Stunde produziert. Ergänzt wird die Dampfproduktion mit zwei Spitzenlastkesseln von Bosch, die jeweils 10 t Dampf pro Stunde bei einem Druck von 10 bar erzeugen können.
Die Abwärme der Dampferzeugung wird genutzt, um ein Warmwassersystem mit 200.000 l Pufferspeicher aufzuheizen. Mit dieser sogenannten Niedertemperaturwärme werden in Zukunft alle Gebäude beheizt, sodass die Gebäudeheizungen rückgebaut werden können. Auch die CIP-Anlagen und der Milchwärmer für Quark werden durch das Niedertemperaturwärmesystem gespeist, ein Wärmenetz durch die gesamte Firma wurde bereits verbaut. Über diese Kaskade von Wärmetauschern wird das 530 °C heiße Turbinenabgas auf 50 °C abgekühlt, bevor es das Abzugsrohr verlässt.
Versorgungssicherheit erhöht
Mit einer Spitzenkapazität von rechnerisch 25 t Dampf pro Stunde kann die Molkerei mehr als doppelt so viel Dampf produzieren, als derzeit benötigt wird. Einerseits wollte man für steigende Kapazitäten in der Zukunft vorbereitet sein, andererseits steigt mit der realisierten Lösung die Versorgungssicherheit: Fällt einer der Dampfkessel oder die Gasturbine aus, wird die Anlage weiter mit Dampf versorgt, Strom kann kurzfristig aus dem öffentlichen Netz bezogen und die Anlage weiter betrieben werden.
Auch wenn es zu Versorgungsengpässen im öffentlichen Stromnetz kommt, reicht der produzierte Strom der Gasturbine, um z. B. wichtige Kühlkreisläufe am Laufen zu halten. So wird auch hier das Risiko von Produktionsausfällen deutlich verringert.
Für die Realisierung der Energiezentrale mit einer Gasturbine herrschten am Standort in Piding günstige Voraussetzungen. Nicht weit von der Molkerei entfernt verläuft eine Gashochdruckleitung, durch die Erdgas transportiert wird.
Auswahl der passenden Messtechnik
Damit sowohl die Prozessanlage zur Milchverarbeitung als auch Reinigungskreisläufe, die Gasturbine oder die Energiedistribution in der Molkerei reibungslos betrieben werden können, weiß Florian Lexhaller um die Bedeutung der Auswahl der richtigen Messtechnik. Hierzu hat er sich tief in die Materie eingearbeitet – die Messgeräte, die in der Anlage verwendet werden, kennt er sehr genau. Regelmäßig werden neue Messgeräte in Testanwendungen geprüft, die Betriebsmittelvorschrift führt zudem Standardtypen auf, wodurch die Lagerhaltung an Ersatzgeräten und -teilen schlank gehalten werden kann. „Wenn wir eine neue Anlage bauen lassen, machen wir unseren Partnern im Anlagenbau genaue Vorgaben, wie die Messinstrumentierung aussehen soll“, so Lexhaller. „Bei den Geräten von Endress+Hauser sind wir mit der Qualität und Zuverlässigkeit zufrieden. Vor allem in der Sicherheit haben sich die Geräte bewährt.“
Beim Neubau der Energiezentrale kamen dann auch Messgerätetypen zum Einsatz, die in der Prozessanlage der Molkerei bisher noch nicht verbaut waren, wie z. B. Vortex-Durchflussmessgeräte oder Dampfrechner. Auch hier vertraute Lexhaller voll auf die Beratung und Geräteauslegung des für die Firma verantwortlichen Außendienstmitarbeiters von Endress+Hauser.
Hoher Automatisierungsgrad
Um die Ressourceneffizienz der Energieerzeugung zu optimieren, spielt die Automatisierungstechnik in der Anlage eine wichtige Rolle. So kann das System schnell auf eine Veränderung der Betriebsverhältnisse reagieren und passt seine Leistung automatisch an. Durch die Vernetzung der Systeme werden Messwerte und Energiekennzahlen stetig ausgewertet und für das Energiemanagement verwendet. Ein wichtiger Baustein ist hierbei der Wärmemengenrechner von Endress+Hauser mit Modbus TCP/IP-Anbindung. Lexhaller betont: „Endress+Hauser ist einer der wenigen Anbieter, der einen solchen Übertragungsweg anbietet. So können Energiewerte ohne großen Verkabelungsaufwand direkt zu einer zentralen SPS gesendet und ausgewertet werden.“
Endress+Hauser (Deutschland) GmbH & Co. KG, Weil am Rhein
Bild: Endress+Hauser
Prowirl 200: Der Dampfspezialist
Der Wirbeldurchflusszähler Prowirl 200 gewährleistet eine konstante Messgenauigkeit über einen breiten Messbereich. Möglich sind Masse- und Energiemessungen als Paketlösung mit einem externem Druck- und Temperaturtransmitter sowie einem Energierechner mit anwendungsoptimierter Leistung. Alternativ steht alles kompakt in einem Gerät, dem sogenannten Massevortex, mit zusätzlicher Nassdampffunktion für mehr Effizienz und Sicherheit im Dampfsystem zur Verfügung. Massefluss und Energie lassen sich mit einer Gesamtgenauigkeit von ±1,4 % v.M. erfassen. Der Kalibrierfaktor auf Lebenszeit und Heartbeat- Technology sorgen über lange Zeit für stabile Messergebnisse und die Überprüfbarkeit im eingebauten Zustand.