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Vier Zukunftsbilder für den deutschen Nahrungsmittelmaschinenbau

Vier Zukunftsbilder machen die Glaskugel überflüssig
Nahrungsmittelmaschinenbau im Jahr 2035

Nahrungsmittelmaschinenbau im Jahr 2035
Relevanz der strategischen Stoßrichtungen für die verschiedenen Zukunftsbilder Bild: Munich Strategy/VDMA
Wie wird sich der deutsche Nahrungsmittelmaschinenbau bis 2035 entwickeln? Um diese Frage zu beantworten, hat der VDMA-Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen gemeinsam mit dem Fraunhofer ISI eine Szenario-Studie entwickelt, die auf vier Zukunftsbildern basiert. Diese ermöglichen es, sich in unterschiedliche Szenarien hineinzuversetzen und die eigene Unternehmensstrategie auf den Prüfstand zu stellen.

Der deutsche Nahrungsmittelmaschinenbau hatte sich in den zurückliegenden 50 Jahren unterschiedlichsten Entwicklungen zu stellen. Die meisten unserer Mitglieder haben sich mit den geänderten Anforderungen der Branche mitentwickelt. Vom Liefergeschäft an regionale Kunden zum Projektpartner internationaler Konzerne. Die verfahrenstechnischen Kernprozesse blieben die gleichen. Die Anforderungen an Produktivität, Hygiene, Rezepturvielfalt sind kontinuierlich gestiegen, und mit dieser Entwicklung die verfahrenstechnische Kompetenz der Maschinenhersteller. Längst ist der Heimatmarkt zu eng für die Produktionskapazitäten der Branche. Kunden in aller Welt vertrauen auf Nahrungsmittelmaschinen „made in Germany“ und schätzen den weltumspannenden Vor-Ort-Service, der oft mit Hilfe lokaler Partner gewährleistet wird.

Vier Zukunftsbilder

Lassen Sie uns in die Zukunft blicken. Das haben wir vor drei Jahren mit unserer Studie „Der deutsche Nahrungsmittelmaschinenbau 2035“ gemacht. Auch wir haben keine Glaskugel. Niemand konnte sich noch vor drei Jahren vorstellen, dass Covid 19 die weltweiten Lieferketten unterbricht. Niemand, den ich kenne, hatte auf dem Schirm, dass in Europa Krieg herrschen wird. Und dennoch waren damals die wesentlichen Treiber der möglichen Veränderungen der weltweiten Rahmenbedingungen unserer Märkte bekannt:

  • Ernährung der stetig wachsenden Weltbevölkerung,
  • wachsender Ressourcenhunger der NIC (newly industrialized countries),
  • Digitalisierung weiter Lebensbereiche und
  • Überalterung der Bevölkerung.

Für diese und viele weitere Einflussfaktoren haben wir zusammen mit unseren Mitgliedern und externen Experten mögliche Ausprägungen formuliert und mit Unterstützung von Fraunhofer ISI zu vier in sich stimmigen Zukunftsbildern verarbeitet:

  • Plan schlägt Markt – Die Welt schaut nach China,
  • Verbraucher machen Druck – Die Welt wird grün,
  • Keiner will verlieren – Wettbewerb der Regionen,
  • Hand in Hand – Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Verbraucher setzt Potenziale frei.

Zukunfsbild: Plan schlägt Markt

Die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse haben sich 2035 zulasten der westlichen Industrieländer drastisch verändert. Sie verlieren ihre angestammte Führungsrolle an China. Der Staat sorgt in diesem Szenario aktiv dafür, dass die technischen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden und beeinflusst das Verbraucherverhalten massiv, beispielsweise durch die Kontrolle und die Auswertung von Social-Media-Plattformen. Durch dieses Eingreifen wird eine nachhaltige Ernährung der (moderat) wachsenden und wohlhabenden Bevölkerung erreicht. Es existiert also ein alternatives Konzept zu einer pluralistischen, von Markt- und Politikversagen geprägten Gesellschaft.

Zukunftsbild: Verbraucher machen Druck

Das Thema Nachhaltigkeit ist in diesem Szenario fest in der Gesellschaft verankert. Aufgeklärte Interessensgruppen treiben Politik und Wirtschaft vor sich her mit weitreichenden Konsequenzen für Konsumverhalten und Produktionsstrukturen. Aspekte wie CO2-Footprint, Ressourcenschonung, lokale Produktion und Verarbeitung stehen im Vordergrund. Bei technischen Innovationen im Nahrungsmittelmaschinenbau gibt es nur eine geringe Dynamik, der Stand der Verfahrenstechnik reicht aus. Asiatische Hersteller als Anbieter von Serienprodukten drängen in den Markt.

Zukunftsbild: Keiner will verlieren

Die Wirtschaftsblöcke grenzen sich voneinander ab und suchen ihr Heil in bilateralen Wirtschaftsabkommen, die die Harmonisierung der umwelt- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen weitgehend ausklammern. In den Industrieländern ist eine Absicherungsmentalität verbreitet. Das technische Regelwerk zwischen den Regionen unterscheidet sich stark. Social Media sind auf den privaten Bereich fokussiert mit strikter Trennung zu kommerziellen B2C-Plattformen. Digitalisierung ist im B2C und B2B weit fortgeschritten. Die westlichen Industrieländer behaupten ihren wirtschaftlichen und technischen Führungsanspruch und setzen die weltweiten Konsum- und Ernährungstrends.

Zukunftsbild: Hand in Hand

Politik und Gesellschaft sehen in der internationalen Zusammenarbeit die einzige Möglichkeit, den Herausforderungen des Klimawandels nachhaltig zu begegnen. Zur Sicherung der Lebensmittelproduktion und zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen in der Ernährungsbranche werden eine Vielzahl von Lösungsansätzen herangezogen, die in Summe die Veränderung bewirken. Internationale Hygiene- und Qualitätsstandards werden penibel eingehalten. Die Effizienzpotenziale einer zentralen Produktion von Grundnahrungsmitteln und auch großtechnischer Produktion individualisierter Produkte werden ausgeschöpft. Die Lebensmittelindustrie verfolgt eine Zero-Waste-Politik, die – gestützt auf eine leistungsfähige Logistik – auf der „Production on Demand“ beruht. Digitalisierung ist in allen Bereichen integriert und ermöglicht viele innovative Prozesse in den Bereichen B2C, B2B und Produktionssteuerung und -optimierung.

Prüfsteine für Firmenstrategien

Zukunftsbilder sind keine Prognosen. Es gibt keine Eintrittswahrscheinlichkeiten. Sie schließen sich gegenseitig aus. Sie spannen den Möglichkeitsraum auf, der mit den von den Branchenexperten – mit Perspektive 2035 – für möglich erachteten Ausprägungen der relevanten Einflussfaktoren kompatibel ist. Die vier Zukunftsbilder zeigen die Welt in 2035, wie sie sein könnte.

Man kann sich die Zukunft nicht aussuchen. Aber man kann sich mithilfe dieser Zukunftsbilder mit verschiedenen Szenarien auseinandersetzen. Sie sind Prüfsteine für heutige Unternehmensstrategien. Bewährt sich der heute eingeschlagene Weg in dem jeweiligen Zukunftsbild? Welche Zukunftsbilder erfordern Anpassungen der Unternehmensstrategie? Wie schnell kann ich umsteuern, wenn sich die Rahmenbedingungen in Richtung eines aus heutiger Sicht eher ungünstigen Zukunftsbildes entwickeln?

Strategische Stoßrichtungen

Die Zukunftsbilder erleichtern es, sich auf das Unvorhersehbare vorzubereiten und Roadmaps für strategische Maßnahmen zu entwickeln, die das Umsteuern bei unvorhergesehenen Entwicklungen ermöglichen.

Zum Glück gibt es strategische Stoßrichtungen, die zum Erfolg in allen Zukunftsbildern beitragen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß:

  • Betreibermodelle: Entwicklung vom reinen Maschinenverkauf hin zum Betreiben von Maschinen.
  • Neue Formen der Regionalität: Erschließen neuer Wege, um lokal und nah am Kunden zu sein.
  • Digitalisierung als Teil des Geschäftsmodells: Konzepte zur intelligenten Verarbeitung und Nutzung von Daten.
  • Services und Dienstleistungen: Aktives Anbieten und Vermarkten von Leistungen im Bereich Service.
  • Modularität: Entwicklung eines intelligenten Produktportfolios an flexiblen und skalierbaren Maschinen.
  • Applikationsverständnis: Aufbau von verfahrenstechnischem Know-how und darauf basierende Beratung des Kunden.

Mit diesen Stoßrichtungen befasst sich der zweite Teil unserer Zukunftsstudie. Die Relevanz dieser strategischen Stoßrichtungen variiert für die einzelnen Zukunftsbilder, der Ausgangssituation des jeweiligen Unternehmens und dessen Zielsetzungen. Eine beispielhafte Einschätzung der Relevanz der strategischen Stoßrichtungen in den verschiedenen Zukunftsbildern ist in Bild 1 dargestellt.

Im Kern stehen Erfolgsmuster für unterschiedliche Typologien von Marktteilnehmern. Der „Glokalist“ ist weltweit vor Ort für seine Kunden da und dabei der Ansprechpartner für die komplette wertschöpfende Technik beim Kunden. Der „agile Nischenprofi“ ist auf „seine“ Technik fokussiert. Sein Erfolg resultiert nicht allein aus seiner technischen Kompetenz, sondern zusätzlich aus seiner Fähigkeit mit einer Vielzahl von Partnern zusammenzuarbeiten. Zwei Typologien, die in den vier Zukunftsbildern vor unterschiedliche Herausforderungen gestellt werden!

Blick in die Glaskugel

Wo wird der deutsche Nahrungsmittelmaschinenbau im Jahr 2035 stehen? Um diese Frage zu beantworten, lassen Sie mich zum Schluss doch noch in die berühmte Glaskugel schauen. Ich sehe, dass die heutigen Märkte nicht ausreichen werden, um unsere Produktionskapazitäten auszuschöpfen. Ich sehe, dass wir unser verfahrenstechnisches Know-how ausweiten und Kunden dabei unterstützen, den ethnisch vielschichtigen Ernährungskosmos in Asien und Afrika von einer hauswirtschaftlich, handwerklich geprägten Welt in eine industriell produktive Welt zu transformieren. Ich sehe, dass wir unser gewachsenes Verständnis um die biologischen Prozesse der Nahrungsmittelverarbeitung ausbauen und darauf aufbauend zum Schlüsselpartner für die industrielle Herstellung nachhaltiger Substitutionsprodukte in der Ernährungskette werden. Ich sehe, dass dieses Wissen um die biobasierte Erzeugung und Verarbeitung von Rohstoffen uns einen Startvorteil bei der Biologisierung der industriellen Produktion verschafft. Ich sehe uns als Gewinner bei der Bewältigung der vor uns liegenden Herausforderungen!

VDMA e.V., Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen, Frankfurt/M.


Autor: Richard Clemens

Geschäftsführer,

VDMA-Fachverbände Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen und Verfahrenstechnische Maschinen und Apparate

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